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24 Stunden von Le Mans 2017 – Die Revanche

24 Stunden von Le Mans 2017

Die Revanche

Der Ausgang der 24 Stunden von Le Mans 2016 war an Drama kaum zu überbieten: Drei Minuten (!) vor Schluß rollte der überlegen führende Toyota mit Elektrikschaden aus, Porsche gewann. Die vom Toyota Gazoo Racing für heuer angekündigte Revanche zerbrach abermals, diesmal schon um Mitternacht. Hier der Motorblock Live-Ticker.

Von Franz J. Sauer aus Le Mans

Die Führung war ausgebaut, die Gefahren blieben gebannt, der nächste Verfolger einen satten Rückstand dahinter, als Kamui Kobayashi mit dem Toyota Hybrid Renner der Kategorie LMP1 ausrollte, noch dazu direkt vor der Haupttribüne. Nicht mal das Nutznießer-Team Porsche, das mit dem 919 Hybrid den Sieg in der WEC-Königsklasse LMP1 sozusagen abstaubte, konnte sich recht über den Sieg freuen, wie man per Twitter bekannt gab.
Die Revanche war angesagt, das Rennen 2017 spitzte sich von Anfang an auf den Zweikampf Toyota gegen Porsche zu und die schnellste Le Mans-Runde aller Zeiten, am Freitag von Kobayashi am Freitag in den französischen Asphalt gestanzt, ließ gute Vorzeichen aufscheinen.




Stand 22h25: noch vier LMP1-Autos sind im Bewerb, drei Toyotas, ein Porsche. Die Reihung aktuell: Toy (Mike Conway), Toy (Sébastian Buemi), Por (N. Jani) Toy (N. Lapierre). Einige nette Duells zwischen den beiden Hybrid-Teams konnte man schon verfolgen. Boxenstrategie, Elektro-Einsatz, alles spielt hier eine Rolle. Und wird von beiden Teams brilliant umgesetzt. Toyota hat die Nase vorn, eindeutig. Und der Porsche mit der Startnummer #2 hat schon gegen 21h eine umfangreiche Reparatur zu gewärtigen – die Chancen stehen schlecht, was sich zu einer Zeit, als das Rennen nicht mal zu einem Drittel um ist, allerdings nie sagen lässt.

Formel 1-WM, Le Mans, Indianapolis – seit jeher sind diese drei Bewerbe als „Grand Slam des Motorsports“ bekannt. Wenige Fahrer konnten in allen drei Disziplinen reüssieren. Dennoch kennt man hier das halbe Starterfeld vor allem aus der Formel 1. Rubens Barrichello, Bruno Senna, Sébastian Buémi, Kazuki Nakajima, Giancarlo Fisichella, um nur einige zu nennen. Dazu sonstige Speed-Prominenz aller Couleurs; „Mc Dreamy“ Patrick Dempsey ist vor Ort, hat sogar sein eigenes Team. Fabién Barthez (ja, der) fährt mit. Ausserdem die „Juniors“ Nelson Piquet jr. und Nicolas Prost (letzterer witzigerweise in einem Team mit Bruno Senna, die LMP2 anführend). Und auch in den GTE-Klassen (Pro und Amateurs) sind einige bekannte Namen verbucht, etwa die Österreicher Lietz und Bachler, selbst Niki-Sproß Mathias Lauda pilotiert einen Aston Martin der GTE Am-Klasse (hier die komplette Starterliste).

Der Rennverlauf zeichnet sich bislang puncto Spannung gottlob eher durch Stallduelle oder Rennmanöver aufregender Art aus, Unfälle bleiben bisher die Seltenheit. Einen GTE-Ferrari (Fisicos Co-Driver Pierre Kaffer) hat es von der Strecke gedreht, bislang blieben uns Schock-Momente wie die beiden unvergesslichen, wie glimpflich ausgegangenen Mega-Crashs bei Audi 2011 von Alan McNish und Mike Rockenfeller blieben bislang aus – aber wir wollen nix verschrei(b)en …

Ein weiterer Österreicher ist bei diesem Rennen an prominenter Stelle im Einsatz – Alexander Wurz. Bis vor zwei Jahren noch selbst als Fahrer für Toyota tätig (der Niederösterreicher schaffte es ja bereits zwei Mal, dieses arge Rennen zu gewinnen …), nun als wichtigster im Beraterstab unterwegs. Vor kurzem waren wir eine haaresbreite davon entfernt, mit ihm ein paar Takte zu plaudern. Just dann kam der Toyota Nummer 8 an die Box und wurde, zwecks umfangreicherer Reparatur offenbar, in die Garage geschoben. Plötzlich hatte es Alex ziemlich eilig … Stand nun also um 23h36: Toyota Nr. 7 vor Porsche Nr. 1 vor Toyota Nr. 9. Stay Tuned …





Desaster um 0h48!! Der bislang führende Toyota mit der Nummer 7 von Kobayashi schleppt sich waidwund an die Box, der Porsche Nummer 1, der Titelverteidiger, übernimmt die Führung! Nicht schon wieder ein Defekt … Es wird beklemmend ruhig in der Toyota-Gazoo-Hospitality. Zu sehr liegt die Schmach des Vorjahres noch in der Luft. Und jetzt wschon wieder ein Toyota, der ausrollt. Oder, zumindest, sich an die Box schleppt … Aus. Stehengeblieben. Nochmal losgefahren, wieder stehen geblieben, letztlich ausgestiegen. Wieder Kobayashi, wieder der Wagen Nummer 7. Wir hören von einem Kupplungsschaden. Darf das denn wahr sein? Jetzt hat Toyota – genauso wie Porsche – neben dem weit zurückgefallenen Wagen #8 (mit Sébastian Buémi) nur noch einen Wagen im Rennen: den TS050 HYBRID #9 mit den Fahrern Nicolas Lapierre, Yuji Kunimoto, José María López. Aktuell, um 1h früh genau eine Runde hinter dem führenden Porsche 919 Hybrid #1 von Neel Jani, Andre Lotterer und Nick Tandi.


Die Negativa sammeln sich im Toyota-Lager. Nun gab es Feindberührung und Nicolas Lapierre versucht das waidwunde Auto mit einem Platten links hinten an die Box zu schleppen. Wenn dieser Wagen nun auch kaputt ist … dann gewinnt womöglich ein Fahrzeug der LMP2 den Bewerb (vorausgesetzt, der Porsche Nummer 1 schafft es nicht durch die Nacht) …

Auch der Neuner steht nun. Mitten auf der Strecke. Mit brennendem Bürzel. Darf denn das wahr sein … 60 Minuten killen das gesamte Toyota-Team. Nicht nur wir alles hier in der Toyo-Hospitality sind geschockt. Die komplette Rennstrecke, das Publikum, all die Fans scheinen hier die Luft anzuhalten. Mitzuleiden. Es waren weit aus mehr „Denso-T-Shirts“ auf den Campingplätzen zu erblicken als welche mit Porsche-Schriftzug. Man hätte es den Japanern nach all der leidenschaftlichen Vorbereitungsarbeit gewünscht. So sehr gewünscht.

Nebenan auf der Ford-GT-Tribüne: lange, bestürzte Gesichter. Vis-a-Vis auf der Porsche Experience-Tribüne: alles andere als hörbarer Jubel. Sogar der DJ hat aufgehört zu spielen. Nun ist Safetycar-Phase. Und irgendwo im Feld fährt der 8er noch seine Runden …


Soeben ging Nicolas Lapierre an der Toyota-Hospitality vorbei. Zu. Fuß.

Meine Herrschaften, sorry. Bei aller Liebe zu Porsche – aber ich geh jetzt schlafen …

Es ist Sonntag, 11h15. Man sitzt nach ein paar erholsamen Stunden Schlaf mit permanentem Motorengeheul im Ohr (die ganze Region taucht im Soundtrack der 24 Stunden ein) beim Frühstück und stellt fest: wenig hat sich geändert seit dem Ausstieg aus der Berichterstattung um 2h früh. Porsche Nummer 1 ist vorn, wird gewinnen. Zwar gibt Porsche-Teamchef Fritz Enzinger (der Bruder von Motorblock-Mitarbeiter Gerald Enzinger, übrigen) bekannt, dass man durch den frühen Schaden an Auto #2 gewarnt ist und nicht voll fährt, aber doch dreht der Wagen von Lotterer / Jani / Tandi unbeirrt seine Runden. Für die Plätze 2 und 3 angemeldet: zwei LMP2-Autos, das Oreca-Team von Schauspieler Jackie Chan. Am Steuer des Verfolgers: der 19jährige Thomas Laurent, Le Mans-Neuling. Der Porsche #2 ist zwar auch schon in den Top Ten zurück, aber noch nicht in Schlagdistanz zur Spitze. Und der Toyota #8? Unter ferner liefen …

Du streichst also Dein viertes Marmeladebrot, denkst Dir, nur ned übertreiben – und plötzlich nimmst Du wahr: das Auto das da mit einem gefühlten 30er die Hunaudières hinunterrollt – das ist der Porsche #1 …

Schock-Schwerenot. Was ist denn da los? Der nächste Führende in Bedrängnis? Sprit aus? Reifenschafen? Unfall? Nichts dergleichen. „Kein Öldruck“ funkt der eben erst übernommen habende André Lotterer an die Box. Die Bord-Kamera lässt ein Surren hören, während der mehrfache Le Mans-Sieger versucht, das kaputte Auto nur mit dem E-Antrieb des Hybrid an die Box zu retten. Doch die ist am anderen Ende der Welt, sozusagen. Irgendwann stoppt das Auto auf der endlosen Mulsanne. Bleibt liegen. Streckenposten versuchen in Augenkontakt mit dem Fahrer zu treten. Springt der Wagen nochmal an?

Dann steigt André Lotterer aus. Der führende Porsche ist raus. Und Thomas Laurent mit dem Jackie Chan Oreca führt das Feld an. Ist denn das zu glauben?!? Noch knapp dreieinhalb Stunden zu fahren …




Tja, das ist die Welt eines 24h-Rennens. Nach sagenhafter Aufholjagd konnte der Porsche #2 mit Timo Bernhard am Steuer wieder die Führung im Rennen für ein LMP1-Fahrzeug klarmachen. Und das exakt eine Stunde vor Rennende. Der Jubel in der Porsche-Box bleibt allerdings überschaubar – zu oft haben sich hier schon die Verhältnisse aufgehängt, zu verwegen hatte man sich an mancher Stelle zu früh gefreut. Entspannt dagegen die Lage in der Jackie-Chan-Box, jener des nun lange an erster Stelle platzierten LMP2-Teams, das hier fast für eine Sensation gut gewesen wäre. Aber es liegt auf der Hand, dass die Leistungsüberlegenheit des Porsche 919 keinerlei Kämpfereien zulässt.

Auch der weit abgeschlagene Toyota mit der Nummer #8 hat sich mittlerweile und derzeit mit Sebastian Buémi am Steuer wieder unter die Top Ten zurückgearbeitet. Aber drei Runden Rückstand werden sich in der verbleibenden Stunde wohl kaum mehr aufholen lassen. Vielleicht ist ja noch ein Podiums-Platz drin.

Jetzt heißt es für alle Teams: heimfahren. Ohne große Wellen zu schlagen. Es bleibt spannend.
Ende. Aus. Der Porsche #2 mit Timo Bernhard am Steuer hat gewonnen, der einzig verbliebene LMP1, der Toyota mit der Startnummer #8 beendete das Rennen auf Platz 9. Am Schluss gab es noch eine spannende Situation in der GTE Pro-Klasse, wo sich J. Taylor und J. Adam in Corvette und Aston Martin bis in die letzte Kurve duellierten. Letztlich gewann Adam auf Corvette.

Wir danken für die Aufmerksamkeit und schließen aus Le Mans. Mit der Revanche ist es heuer wieder nichts geworden … vielleicht im nächsten Jahr. Immerhin: Toyota hat schon vor dem Rennen angegeben, zumindest bis 2019 on the Track zu bleiben. Wir sind gespannt …

Franz J. Sauer

Liebt Autos, weiß auch ein bissl was, schwurbelt schön drum herum und springt für SUV in die Bresche.

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