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Alfa Romeo Giulia im Blindflug

Giulia im Blindflug über den Silverstone Circuit

Der sechste Sinn ist nicht genug

Alfa Romeo hat sich auf Rekordjagd auf dem Silverstone Circuit gemacht. Eine 65 Jahre alte Rundenbestzeit zu unterbieten, klingt vielleicht nach einem relativ einfachen Unterfangen. Doch wenn der Fahrer dabei nichts sehen kann, erhält das Ganze doch eine gewisse Würze.

Text: Jakob Stantejsky

In den 50ern war Alfa Romeo noch in der Formel 1 unterwegs, und das höchst erfolgreich. 1950 und 1951 ging der Weltmeistertitel an die Italiener, wobei am 14. Juli des letzteren Jahres Nino Farina mit 1:44 Minuten den Allzeitrundenrekord eines Alfa Romeos am Silverstone Circuit fuhr. 2016 haben die Herren aus Italien beschlossen, dass diese Zeit fallen muss. Aber zu leicht muss man sich es ja nicht machen, deshalb wurde Fahrer Ed Morris „blind“ im neuen Alfa Romeo Giulia Quadrifoglio auf die Strecke geschickt.
Bei vollkommen abgedeckten Scheiben musste sich der Engländer ganz auf die Funkanweisungen des hinter ihm fahrenden Kollegen David Brise verlassen. Der im Video omnipräsente Schlüsselbegriff Sixth Sense steht außerdem für alle Systeme im Auto, die den Fahrer unterstützen, ihm also sozusagen den oft bemühten sprichwörtlichen sechsten Sinn verleihen, der seine Augen ersetzen können soll.

Assistenzsysteme, die den Blick auf die Fahrbahn obsolet machen? Das klingt doch ein wenig nach Zukunftsmusik. Wir haben uns das Ganze einmal kritisch angesehen und präsentieren euch unsere Erkenntnisse. Doch schaut erstmal selbst:




Drei Zehntel fehlen schließlich auf die schnellste Rundenzeit, aber dennoch wird wie bei einem Rekord gejubelt. Das ist auch durchaus gerechtfertigt, wenn man die Umstände bedenkt. Wenn man bedenkt, dass der momentane Formel 1-Rundenrekord in Silverstone bei 1:30 liegt, sind 14 Sekunden Rückstand eine starke Ansage. Außerdem fand das Rennen 1951 auf kürzerer Strecke statt, also war Morris im Blindflug absolut gesehen schneller als Farina damals. Aber davon abgesehen, seien wir mal ganz ehrlich: Wenngleich die Kameraführung vor allem anfangs sehr darauf bedacht ist, dass Sixth Sense gut sichtbar platziert ist, haben wir beim Zuschauen nicht das Gefühl, dass Morris wirklich großartigen Nutzen daraus zieht, die schnarrende Stimme seines Kollegen scheint eindeutig hilfreicher zu sein. Nun schießt Alfa Romeo aber noch ein Video nach, in dem die Fahrer sich fast ausschließlich darüber auslassen, wie sehr ihnen Sixth Sense mit all seinen Features doch geholfen hat:




Okay, das klingt ja alles sehr überzeugend, doch auch hier werden wir das Gefühl nicht los, dass die Assistenzsysteme ein wenig über Gebühr gelobt werden. Oder zumindest die Rolle, die es in dieser Rekordfahrt gespielt hat. Denn eines ist vollkommen klar: Ohne den Audioinput von Brise hätte Morris wohl nicht den Hauch einer Chance, diese Fahrt unbeschadet zu überstehen.

Fazit: Der Rekordversuch von Alfa Romeo ist originell und die Leistung (und Überwindung) von Morris ist definitiv beeindruckend. Aber ein bisschen erinnert uns die Aktion doch an „Blinde Kuh“ auf Steroiden. Ob der Sinn des Videos jetzt eher darin liegt, den Alfa Romeo Giulia Quadrifoglio oder Sixth Sense zu bewerben oder doch einfach nur zur Gaudi gedacht ist, haben wir auch nicht hundertprozentig durchschaut. Unterm Strich bleibt stehen: Alfa Romeo hat ein lässiges Experiment veranstaltet, mit erstaunlich positivem Ergebnis.

Bernhard Katzinger

War bis 2017 Teil der Motorblock-Redaktion.

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