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Aston Martin DB11 Volante: Oben-ohne Schönheit

Brite mit deutschem Herz

Aston Martin DB11 Volante: Oben-ohne Schönheit

Sie sind laut, benehmen sich anstößig, haben schwierige Tätowierungen und sind selten adäquat gekleidet – wenn Engländer in die Sommerfrische fahren und sich die Klamotten vom Leib reißen, bleibt der gute Stil meist zu Hause. So weit, so Klischee. Doch Aston Martin beweist jetzt, dass es auch anders geht: Denn wenn in diesem Frühjahr zu (deutschen) Preisen ab 199.000 Euro der neue DB11 Volante in den Handel kommt, wird der Sportwagen zum elegantesten Stripper der Saison und beeindruckt mit einem Auftritt, der stilvoller kaum sein könnte.

Von Thomas Geiger

Das gilt nicht nur für das Design, das sich wohltuend abhebt von der kühlen Perfektion eines McLaren, von der übertriebenen Provokation eines Lamborghini oder dem pubertären Protzen eines AMG GT, sondern auch für den Sound. Denn man muss dem vier Liter großen V8-Motor des Kooperationspartners aus Affalterbach schon gehörig die Sporen geben und ins Sportprogramm wechseln, wenn man ihn akustisch aus der Reserve locken möchte. Sein Punch ist bei 510 PS und 675 Nm in jeder Lebenslage gewaltig, doch seine Stimme erhebt er nur, wenn man ihn bewusst an die Grenze führt. Und erst dann hört man auch das wunderbare Brabbeln im Schub und das Knallen der künstlichen Fehlzündungen. Gut, dass es auf der Teststrecke ein paar Tunnel gibt, wo man das ausprobieren kann, ohne dass gleich wieder jemand seine Vorurteile gegenüber den Engländern in der Sommerfrische bestätigt sieht.
Herzstück des neuen Hinguckers ist sein Verdeck, das sich Aston Martin mit einem Aufpreis von 15.000 Euro bezahlen lässt. Von Webasto entwickelt, eng mit dem Dach der offenen Mercedes C-Klasse verwandt und straffer gespannt denn je, faltet es sich bis Tempo 50 auch während der Fahrt binnen 14 Sekunden flüsterleise hinter dem Rücksitz und macht so Schluss mit der vornehmen Blässe im Oberhaus: Während der Wind sachte an den Haaren zupft und die Sonne die Haut wärmt, erlebt man den Volante als offenen Gran Tourismo, der für die lange Fahrt auf der Sonnenseite des Lebens wie gemacht ist.
Seine Kraft und seinen Elan braucht man dabei eigentlich nur um des Wissens willen: Man könnte, wenn man wollte. Doch muss einem schon ein ganz besonders lahmer Stinker den Weg versperren, als dass man in diesem Auto wirklich zum Raser würde. Kaum ist das Hindernis passiert, wechselt man wie von selbst wieder in den Modus „Chill and Relax“ und lässt den lieben Gott im Himmel über England einen guten Mann sein.
Natürlich könnte man den 1,9 Tonnen schweren Briten auch in 4,1 Sekunden von 0 auf 100 prügeln und bei Vollgas mit 300 km/ jede noch so feste Föhnwelle tieferlegen. Und mit dem üblichen Tempolimit auf einer einsamen Landstraße hat man selbstredend seine liebe Mühe. Schließlich ist der Sonnenfänger bei aller Eleganz doch ein Sportwagen, der sich fest an die Straße saugt und eng durch die Kurven schnürt. Doch nicht im Traum denkt man daran, den Volante einmal wirklich auszufahren. Denn je schneller man fährt, desto schneller kommt man ans Ziel und desto früher ist der Spaß vorbei. Und Tätowierungen oder nicht – wer kommt schon freiwillig früher aus den Sommerferien zurück?

Maximilian Barcelli

Bei 7.000 Touren beginnt der Spaß für den mehr begeisterten denn begnadeten Autofahrer.

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