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Bulli Treffen: Keine Angst vor rosa Elefanten

Keine Angst vor rosa Elefanten

Beim 11. Großglockner Bulli Treffen Mitte Juli gaben sich hunderte Fans des legendären Volkswagen Bulli mit ihren Fahrzeugen ein Stelldichein in der Osttiroler Gemeinde Kals. Wir waren mit dabei und beobachteten die Alpenüberquerung der Bullifanten. 

Fotos: Michael Winter
Text: Bernhard Katzinger
Vor ganz langer Zeit ist ein nordafrikanischer Warlord, wie man heute sagen würde, mit seinen Kriegselefanten über Spanien in den EU-Raum eingedrungen und hat dann von Norden her die Alpen überquert. Die verweichlichten Römer machten sich ordentlich in ihre Togas. Ante portas, ante portas, wimmerten sie. Der Rest ist Geschichte.

Gut, bis Kals am Großglockner ist Hannibal damals nicht gekommen. Aber dieser Tage sah man wieder kleine, bullige Wanderelefanten über die Berge kommen. Ja, sie sehen wirklich wie kleine Elefanten aus (vor allem von hinten) – wenn auch in allen Farben, alte, neuere, ein bisschen verrostete und perfekt restaurierte. Auch rosa Elefanten sind dabei, aber keine Angst! Es handelt sich nicht um eine Halluzination!

Wovon ist die Rede? Von VW-Bussen der ersten und zweiten Generation, den Bullis. An einem Juliwochenende waren sie wieder an den Fuß des höchsten Berges Österreichs gerufen, zum 11. Großglockner Bulli-Treffen. Und sie kamen zu Hunderten. Mit Werbeaufschriften, in zweifarbigen Lackierungen, als Campingbus, als Transporter, Pritsche – oder als Leichenwagen.

Frauen mögen Bullis. Kinder lieben Bullis.

Der Bulli etablierte sich als Fahrzeug für das Wirtschaftswunder.

Jesuslatsche auf Rädern

Wenn man sie so vom Lucknerhaus herunter kommen sieht, einer nach dem anderen in bunter Karawane – genau so muss das ausgesehen damals, Hannibals Elefantenparade hinein ins Herz des römischen Reiches. Nur hat die Karawane der VW-Bullis nichts Kriegerisches, im Gegenteil. Der Bulli verkörpert entspannte Friedfertigkeit. Der Bulli ist ein Symbol dafür, dass (noch) nicht alles stur nach dem Zeitplan des fix programmierten Kaputtwerdens den Bach hinuntergeht. Dafür, dass es das Gute und Schöne noch gibt, und Menschen, die sich mit Leib und Seele darum kümmern.

So manche Jesuslatsche dirigierte zu Zeiten der Friedensbewegung den Bulli nach Indien oder Nepal. Surfer-Dudes transportierten ihr Surfer-Zeugs und ihren Surfer-Spirit damit an den Strand und retour. Noch heute ersetzt an so mancher Bullifront ein Peace-Zeichen das VW-Symbol.

Aber dass der Bulli in Tat und Wahrheit das Gute im Leben verkörpert, kann man zuvorderst an zwei Dingen festmachen. Erstens: Frauen mögen Bullis. Und zweitens: Kinder lieben Bullis.

Kein Pisten-Bull(i)y

Der Spitzname, der sich aus den Wortanfängen von „Bus“ und „Lieferwagen“ zusammensetzt, ist übrigens keine VW-Erfindung. Lange Zeit hatten die Wolfsburger nicht einmal die Namensrechte, ehe Pistenraupen-Hersteller Kässbohrer diese abtrat.

In allen Bullis (bis auf einige südamerikanische Dieselversuche) werkelt ein wackerer luftgekühlter Vierzylinderboxer, der bei langen Steigungen ordentlich ins Schnaufen kommt. Vor allem in den ältesten Modellen. An längeren Steilstufen sieht man Bullis oft mit offener Klappe hinten und ausgestellten Safarifenstern vorne. So wird Fahrer und Motor Luft zugefächelt. Als Belohnung für die mühsame Bergfahrt rollt man dank ausgeprägter Motorbremswirkung umso entspannter, weil ohne Sorge um die Bremsen, talwärts.

Der von einem Holländer ersonnene Bulli etablierte sich ab Ende der 1950er-Jahre mit unverwüstlicher Ausdauer als perfektes Fahrzeug für das Wirtschaftswunder. Dabei war klar, dass die Passagiere zur Mitarbeit aufgefordert waren. Wo heute Schaltkreise und Elektromotoren dem Fahrer beinahe jeden Handgriff abnehmen, stellte sich der Bulli mit pfiffigen Details in den Dienst der gemütlichen und sicheren Reise. Diese entfalten sich vor allem, wenn man sich nach geschaffter Tagesetappe zur Nacht bereitmacht, im Besonderen, wenn man – wie wir – in einem frühen Westfalia Camping-Umbau sitzt.

Rast für Fahrer und Fahrzeug

Vom Eisschrank bis zur vollständigen Umwandlung des Innenraums zur Wohn- und Schlaflandschaft – hier werkeln keine Elektromotoren, sondern die gute, alte Blutdruck-Mechanik. Man spürt, dass der Bulli aus derselben Zeit stammt wie das Sprichwort „Sich regen bringt Segen“. Jede Spitzkehre will ohne Servolenkung im wahrsten Sinne bewältigt werden. Aber nach der Anstrengung des Tages schläft es sich besonders behaglich und entspannt.

Gemeinsam mit seinen Passagieren ruht sich dann endlich auch der wackere Bulli-Wanderelefant aus – für die nächste anstrengende Bergetappe.

Bernhard Katzinger

War bis 2017 Teil der Motorblock-Redaktion.

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