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Der Stelvio will hoch hinaus

Es geht steil bergauf

Der Stelvio will hoch hinaus

Alfa Romeo macht sich langsam, aber stetig, daran, den Vorsprung zur Konkurrenz wieder ganz zu schließen. Und weil die hoch gelobte Giulia den Karren alleine nicht aus dem Dreck ziehen kann, stellen die Italiener der Limousine jetzt ein zweites neues Modell zur Seite, das wie gemacht ist für den Aufstieg auf grobem Terrain: Mitte März geht zu Preisen ab 47.500 Euro als erstes SUV der schönen Fiat-Tochter der neue Stelvio in den Handel.

Von Thomas Geiger

Im Ringen mit Audi A5, BMW X3 und Mercedes GLC setzten die Italiener dabei vor allem auf Lust und Leidenschaft. Das gilt nicht nur für das schnörkellose Design des Stelvio, der trotz seiner stattlichen 4,67 Meter rank und schlank aussieht und ganz ohne große Effekthascherei jeden Blick fängt. Sondern das gilt vor allem für das Fahrverhalten. Man sitzt zwar 19 Zentimeter höher als in der Giulia, die bei der Entwicklung Pate stand und von der Plattform über den Allradantrieb und das Hinterachsdifferential bis zu den Motoren und der Achtgang-Automatik alle Organe gespendet hat. Doch obwohl man bequemer einsteigen und besser hinausschauen kann, hat man trotzdem nicht das Gefühl, man fahre auf einem Hochsitz. Vielmehr sitzt man in und nicht auf dem relativ eng geschnittenen Sessel, greift engagiert ins sehr direkt übersetzte Lenkrad und versteht sehr schnell, weshalb die Italiener den Gipfelstürmer nach einem Pass benannt haben, den man durch 75 Kehren erklimmen muss. Denn diesseits von BMW X4 und Porsche Macan gibt es in dieser Klasse kaum ein SUV, dass so knackig ist und so sehr nach Kurven giert wie der Stelvio. Und als wäre das nicht schon Auszeichnung genug, spart er sich auch noch alle übertriebene Härte und gibt sich bei gemächlicher Gangart ganz gemütlich und gelassen – erst recht, wenn man den DNA-Schalter auf der Mittelkonsole von „Dnaymic“ wieder auf „Normal“ zurück dreht.
In Fahrt bringen den Stelvio dabei zunächst zwei Motoren, die man schon von der Giulia kennt: Im Basismodell knurrt ein 2,2 Liter großer Diesel mit 210 PS und 470 Nm, der in 6,6 Sekunden von 0 auf 100 beschleunigt, 215 km/h erreicht und mit einem Normverbrauch von 4,8 Litern im Datenblatt steht. Und für 49 000 Euro aufwärts gibt es einen quicklebendigen 2,0 Liter Turbo, der mit 280 PS und 400 Nmzu Werke geht. Wunderbar sonor und ziemlich spurtstark beschleunigt er den Testwagen in 5,7 Sekunden auf Tempo 100 und schafft 230 km/h, gönnt sich aber schon auf dem Prüfstand 7,0 Liter. In der Praxis kommen da schnell zwei, drei Liter mehr drauf. Erst recht in den Berge, die dem Stelvio seinen Namen gegeben haben. Bei den beiden Triebwerken wird es allerdings nicht bleiben. Sondern schon bald kommen der Diesel auch mit 180 und der Benziner mit 200 PS und natürlich scharrt auch schon der Quadrifoglio ungeduldig mit den Hufen. Der leistet mit seinem aufgeladenen V6-Motor wie in der Giulia 510 PS, dürfte locker die 250er-Marke knacken und zu einem wütenden Herausforderer für AMG & Co werden.
So verführerisch der Stelvio auch aussieht und so leidenschaftlich er abgestimmt ist, will er trotz allem ein vernünftiges Auto sein. Das gilt für die Motorauswahl und den Preis, weil mit dem zum Sommer geplanten 180 PS-Diesel mit Heck- statt Allradantrieb der Verbrauch auf kaum mehr als 4,0 Liter und der Preis unter 45 000 Euro sinken dürfte. Und es gilt insbesondere für das Platzangebot – schließlich muss das SUV den Giulia Sportwagon ersetzen, den die Italiener mittlerweile wieder aus der Produktplanung gestrichen haben. Deshalb ist der Stelvio eben nicht nur ein Fahrerauto, sondern auch eine Familienkutsche für Kind und Kegel – mit reichlich Platz auf der Rückbank und einem Kofferraum, der immerhin 525 Liter fasst. Allerdings will der vergleichsweise simple Mechanismus zum Umlegen der Rückbank nicht so recht zur elektrischen Heckklappe passen.




Und das ist nicht der einzige Haken, der den Gipfelsturm des Stelvio ein wenig bremsen könnte. Sondern je genauer man hinschaut und vor allem hinfasst, desto weniger wertig wirkt das eigentlich sehr hübsche, weil wunderbar aufgeräumte und entsprechend schlichte Cockpit. Und je tiefer man in die Ausstattungslisten eintaucht, desto mehr vermisst man Extras wie den Touchscreen, ein bisschen Online-Infotainment oder ein paar Assistenzsysteme. Aber vielleicht ist das gar kein Schaden. Denn erstens sind das Extras, die wahrscheinlich eher für das Marketing entwickelt werden, als für den Markt. Und zweitens ist doch ein schöner Zug der Italiener, dass sie uns noch ein paar Vorurteile bestätigen, wenn sie schon ein SUV bauen, das nicht nur besser aussieht als Q5 & Co, sondern aus dem Stand heraus auch mindestens genau so viel Spaß beim Fahren macht.

Jakob Stantejsky

Freut sich immer, wenn ein Auto ein bisserl anders ist. Lieber zu viel Pfeffer als geschmacklos.

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