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Erzberg-Rodeo 2016: Bilanz & Ausblick

Erzberg-Rodeo 2016: Bilanz & Ausblick

Neun von 500 haben den Hasen erwischt

Der Erzberg-Bezwinger 2016 heißt Graham Jarvis. Auch wenn der Brite das Hare Scramble als Husqvarna-Werksfahrer für sich entschieden hat, blieben alle Podiumsplätze dennoch in der KTM-Familie.

Fotos: erzbergrodeo.at, redbullcontentpool.com, motorradreporter.com

Der letzte und entscheidende Erzberg-Rodeo-Tag begrüßte die Teilnehmer und Besucher mit perfekten Wetterbedingungen und Adrenalin-geladener Spannung, die schon frühmorgens in den Fahrerlagern und in der Erzbergrodeo-Arena spürbar war. Während sich der Berg aus Eisen kontinuierlich mit Motorsport-Fans füllte, beschäftigte die 500 Starter wohl nur eine einzige Frage: Wird die Red Bull Hare Scramble-Strecke wieder ein unerbittliches Monster, das selbst die besten Offroad-Athleten der Welt nicht bezwingen können?

Das Line Up jener, die sich über den Generali Iron Road-Prolog für das Erzbergrodeo-Highlight-Rennen qualifizierten, war erneut beeindruckend. Neben den Factory-Stars von KTM und Husqvarna finden sich im Starterfeld alljährlich die fähigsten Endurofahrer, Motocrosser, Trialer und Rallye-Cracks aus allen Kontinenten. 2016 war da keine Ausnahme, alleine in der ersten von zehn Startreihen standen Weltmeister, Staatsmeister, X-Games Medaillengewinner, ISDE-Sieger und die komplette Xtreme Enduro-Weltelite. Kurz vor dem Starte servierte Erzbergrodeo-Mastermind Karl Katoch den Besuchern noch eine beeindruckende Airshow des Red Bull Skydive-Teams, während die Startflagge von den Haibike MTB Downhill-Pros auf spektakuläre Weise über die mächtigen Steilhänge in den Startbereich gebracht wurde.
Punkt 12 Uhr erlöste Veranstalter Karl Katoch dann gemeinsam mit Motorsport-Legende und „Wings for Life“-Gründer Heinz Kinigadner die Teilnehmer und startete das Rennen, das schon auf den ersten Metern für sensationelle Szenen sorgte. Bereits der erste Steilhang forderte Tribute, sogar Rider aus der ersten Startreihe hatten hier ernste Probleme. Taddy Blazusiak (POL/KTM), der fünffache Red Bull Hare Scramble-Sieger, meisterte diese Passage am besten und setzte sich zunächst in Führung, wurde aber noch vor CP1 von Cody Webb (USA/KTM) überholt. Webb fü̈hrte die Spitzengruppe mit Blazusiak, Alfredo Gomez (ESP/Husqvarna) und Wade Young (RSA/Sherco) bis zum ersten Checkpoint an, während von hinten ein entfesselter Graham Jarvis (UK) heranstürmte. Der Husqvarna-Werksfahrer, der das Rennen bereits 2013 und 2015 gewonnen hat, fuhr in einer eigenen Liga und setzte sich noch vor dem Klassiker „Badewanne“ souverän in Führung.

Mit Webb, Gomez und Young blieben auch der britische Working Class Hero Paul Bolton (KTM) und Jarvis‘ Teamkollege Mario Roman Serrano (ESP) in Schlagdistanz zur Spitze. Als Jarvis „Carl’s Dinner“ (CP17), den wohl legendärsten Streckenabschnitt des Rennens, erreichte, hatte der Ausnahme-Sportler bereits eine komfortable Führung aufgebaut und begeisterte mit einer atemberaubenden Vorstellung. Er pflügte durch den extrem selektiven, mit mannshohen Felsbrocken gespickten Streckenabschnitt als würde er einer unsichtbaren Fahrspur folgen und bewältigte die Sektion in beeindruckenden 32 Minuten! Auch die letzte Schlüsselstelle vor dem Ziel, die brachial harte „Lazy Noon“-Steilauffahrt, konnte dem 41-jährigen Briten nichts entgegensetzen, und er feierte mit einer Rekordzeit von 2:18 Stunden seinen dritten Red Bull Hare Scramble-Sieg am Fuße des Eisernen Giganten. „Mit so vielen Top-Fahrern am Start war der Ausgang des Rennens nicht vorauszusehen. Ich hatte einen sehr guten Start, das war vielleicht mein größter Vorteil. ,Carl’s Dinner’ ist definitiv eine Schlüsselstelle des Rennens, ich habe dort eine sehr gute Linie erwischt. Jetzt bin ich überglücklich, hier wieder als Sieger stehen zu dürfen, das Gefühl ist unbeschreiblich“, sagte Jarvis im Ziel.

Hinter Jarvis entbrannte ein heißer Kampf ums Podium, der zwischen den KTM-Werksprofis Alfredo Gomez und Cody Webb bis zum Schluss und mit letzten Kräften ausgetragen wurde. Gomez ü̈berholte den Amerikaner in „Carl’s Dinner“ und konnte sich zunächst vom erschöpften Webb absetzen. Der sympathische US-Boy gab aber nicht auf und stieß am letzten Checkpoint „Lazy Noon“ erneut auf den Spanier. Nun spitzte sich der Kampf um die Podiumsplätze erneut dramatisch zu, denn Gomez konnte die extrem steile und enorm selektive Steilauffahrt bis zum Eintreffen von Webb nicht bezwingen. Cody mobilisierte daraufhin alle Reserven und kämpfte sich unter dem Jubel tausender Fans an Gomez vorbei auf den zweiten Platz, 33 Minuten hinter Jarvis. Cody Webb im Ziel: „Vor allem ,Carl’s Dinner’ hat mich fast zur Verzweiflung getrieben, ich hatte kaum noch Energie. Aber hier gegen die Besten der Welt zu kämpfen pusht ungemein!“

Mit knapp drei Minuten Rückstand auf Webb holte sich Alfredo Gomez schließlich den hart verdienten dritten Platz auf dem Podium. Obwohl der 26-jährige Spanier etwas enttäuscht war, gehört seine Aufholjagd auf Cody Webb in „Carl’s Dinner“ sicher zu den spektakulärsten Szenen des Rennens. „Ich habe wirklich alles gegeben und bin daher etwas enttäuscht. Meine Hinterbremse ist gebrochen und ich hatte nichts mehr zu trinken, daher habe ich wirklich die allerletzten Kräfte aus mir herausgeholt. Ich bin froh, überhaupt auf dem Podium zu stehen“, sagte ein gezeichneter Alfredo Gomez nach dem Rennen.

Husqvarna-Werksfahrer Mario Roman Serrano (ESP) kämpfte sich nach einem schlechten Start und einigen kleineren Problemen zu Beginn des Rennens eindrucksvoll Rang für Rang nach vorne und erreichte schließlich mit 22 Minuten Rückstand auf das Podium als Vierter den Red Bull-Zielbogen. Weitere zehn Minuten hinter dem Spanier kam ein gerade einmal 18-jähriger Rookie aus England ins Ziel. Billy Bolt (KTM) war wohl die größte Überraschung des diesjährigen Erzberg-Rodeos: Das blutjunge Talent startete als Prolog-51ster aus der zweiten Startreihe, überholte ganze 46 Fahrer – darunter etliche Offroad-Superstars – und platzierte sich bei seinem ersten Red Bull Hare Scramble in den Top fünf! Paul Bolton (UK/KTM) und der südafrikanische Sherco-Werksfahrer Wade Young lieferten ebenfalls eine Top-Performance ab. Young war zu Beginn des Rennens sogar in der Spitzengruppe mit dabei, allerdings verloren er und Bolton schließlich wertvolle Zeit in der „Lazy Noon“- Steilauffahrt. Nach der Disqualifizierung im Vorjahr war der sechste Platz für Wade Young ein Erfolg, der erneut das Talent des 20-jährigen zeigt. Bolton feierte seine bereits siebente Zielankunft beim Red Bull Hare Scramble und zählt damit zu den erfolgreichsten Erzbergrodeo-Teilnehmern aller Zeiten!

Taddy Blazusiak hatte während all dem nicht nur mit dem Berg aus Eisen zu kämpfen Der haushohe Favorit hatte auch technische Probleme. Taddy zerstörte sich bereits im ersten Drittel des Rennens seine Vorderradbremse, musste dann auch noch ohne Kupplungszylinder weiterfahren und fiel bis „Carl’s Dinner“ mit 21 Minuten Rückstand auf Jarvis an die neunte Stelle zurück. Der „King of Erzberg“ ließ sich trotzdem nicht entmutigen und fightete weiter auf der selektiven Strecke. Tausende Fans wurden Zeuge, wie Taddy einige Fahrer in „Lazy Noon“ vorbeiziehen lassen musste, sich mit seiner waidwunden KTM mit letzter Kraft durch die Steilauffahrt kämpfte und schließlich unter tosendem Jubel als Achter über die Ziellinie fuhr. „Ich wollte trotz aller Probleme noch das Ziel erreichen und habe mich nur mehr auf die Strecke und die Stoppuhr konzentriert. Auch wenn ich heuer unbedingt um den Sieg mitkämpfen wollte, bin ich mit meinem Ergebnis zufrieden. Am Erzberg kann eben alles passieren“, sagte er nach dem Rennen. Kurz vor dem Abpfiff tauchte dann noch ein weiterer Fahrer auf. Der 24-jährige Privatfahrer Philipp

Scholz (DE/KTM) hatte sich mit tollem Einsatz und viel Talent durch alle Schwierigkeiten gekämpft und stand wenige Minuten vor Ablauf des vierstündigen Zeitlimits vor der letzten Schlüsselstelle. Als der junge Allgäuer „Lazy Noon“ im ersten Anlauf bewältigte, brachen im Publikum alle Dämme. Scholz konnte seine bereits dritte Red Bull Hare Scramble Finisher-Fahne unter tosendem Applaus in Empfang nehmen.

Damit haben heuer neun Fahrer den Hasen erwischt. Etliche Offroad-Superstars aber zerschellten am Berg aus Eisen. Wie selektiv das Red Bull Hare Scramble auch bei optimalen Wetter- und Streckenbedingungen ist, lässt sich an der Zahl der prominenten Topfahrer erkennen, die das Rennen nicht beenden konnten. Colton Haaker (USA), Lars Enöckl (AUT), Ben Hemingway (UK), Jonathan Richardson (UK), Travis Teasdale (RSA), Dani Oliveras (ESP), Scott Bouverie (RSA), Andy Noakley (UK), Kyle Redmond (USA), Max Gerston (USA) und Joakim Ljunggren (SWE) zählen allesamt zu den internationalen Spitzenfahrern der Xtreme Enduro-Szene. Auch die drei Gewinner des Erzbergrodeo Endurocross, die sich in diesem neuen Side-Event am Samstagabend einen Startplatz in der ersten Startreihe holten, sahen das Ziel heuer nicht.

Für das Erzbergrodeo 2017 liegt die Latte also wieder ein wenig höher, und der Rückblick auf die aktuelle Ausgabe ist immer auch ein Vorgeschmack aufs darauffolgende Motorrad-Offroadsport-Festival. Veranstalter Karl Katoch: „Nach dem Erzberg-Rodeo sammeln wir das Feedback aus allen Bereichen, ziehen Bilanz und fragen uns selbst ob wir mit dem Ablauf zufrieden waren? Das primäre Ziel fürs nächste Mal ist stets das Erhalten der geschaffenen Qualitäts-Standards.“ Nach dem Erzberg-Rodeo ist vor dem Erzberg-Rodeo. Der Termin für 2017 wird allernächstens bekannt gegeben.

Das Ergebnis des Red Bull Hare Scramble 2016:

  1. Graham Jarvis (UK/Husqvarna) 02:18:47 Stunden
  2. Cody Webb (USA/KTM) 02:51:54
  3. Alfredo Gomez (ESP/Husqvarna) 02:54:49
  4. Mario Roman Serrano (ESP/Husqvarna) 03:17:06
  5. Billy Bolt (UK/KTM) 03:27:33
  6. Wade Young (RSA/Sherco) 03:31:15
  7. Paul Bolton (UK/KTM) 03:38:22
  8. Taddy Blazusiak (POL/KTM) 03:41:55
  9. Philipp Scholz (GER/KTM) 03:56:11

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