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Land Rover Defender Works V8: Im Unruhestand

Im Unruhestand

Land Rover Defender Works V8

Wenn es der Nachwuchs nicht schafft, dann müssen halt noch mal die Alten ran. Das ist nicht nur im Job so und in der Familie, sondern offenbar auch in der Autowelt. Zumindest bei Land Rover. Denn so viel die Briten dem Defender als Erstling und Ikone der Marke auch verdanken, so schwer tun sie sich mit der Entwicklung eines Nachfolgers. Selbst jetzt, wo sie den 70. Geburtstag von Marke und Modell feiern, ist die neue Generation noch nicht in Sicht und die Party hätte ziemlich dröge werden können. Wenn da nicht die Jungs von Land Rover Classic gewesen wären und ein paar Oldies die Stimmung gerettet hätten: Weil der Junior noch nicht fertig ist, muss gute zwei Jahre nach dem offiziellen Ende der Produktion eben wieder der Senior ran und darf sogar noch einmal richtig aufdrehen. Denn zur Feier des Tages bekommen 150 gebrauchte und im Werk von Grund auf überholte Defender einen V8-Motor eingebaut und werden so mal eben zu einem SUV der Superlative.

Von Thomas Geiger
405 PS und 171 km/h machen diesen Defender Works V8 zum stärksten und schnellsten Serienmodell in der Geschichte des Ur-Land Rovers, und nebenbei auch zum teuersten. Denn unter 169.000 Euro ist der Rentner im Unruhestand nicht zu bekommen.
Dafür bietet der Brite ein unvergleichliches Fahrerlebnis: Das beginnt beim Sound, der laut und ungehobelt ist wie Metallica beim Einsingen nach einem Katerfrühstück, und trotzdem viel lieblicher ist als das nervige Nageln des alten 122 PS-Diesels. Und es gipfelt in jenen atemberaubenden 5,6 Sekunden, in denen der Dinosaurier jetzt auf Tempo 100 stürmt. Hat er sich und seinen Fahrer mit dem Diesel 15 Sekunden lang quälen müssen, bis sich die Tachonadel mal zur entsprechenden Markierung bequemt hat, traut man jetzt kaum seinen Sinnen, so wild und vehement drängt der Defender nach vorne. Und er tut das nicht nur auf der Geraden. Sondern wem es am nötigen Mut nicht mangelt, der kann jetzt auch in die Kurven schießen, statt nur hindurchzuschleichen. Nicht umsonst hat Land Rover neben dem Motor und der Achtgang-Automatik auch ein neues Fahrwerk eingebaut. Doch Vorsicht, auch standfestere Bremsen, steifere Federn und härtere Dämpfer können nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese Konstruktion schon 70 Jahre auf dem Buckel hat. Genauso wenig übrigens wie die hoffnungslos überforderte Traktionselektronik, die Land Rover für ewige Bedenkenträger einbaut.
Wichtiger als ein paar Steuerchips sind da schon die neuen Sitze. Natürlich sind so viel Lack und Leder in einem Defender ein bisschen ungewöhnlich, schließlich war dieser Luxus bei Land Rover immer dem noblen Range Rover vorbehalten. Doch wer in diesem Auto einmal mit Vollgas in eine Schikane gefahren ist, kräftig angebremst, eingelenkt und danach wieder Gas gegeben hat, der ist dankbrar für den Stilbruch mit den Sportsitzen und beschwert sich nie wieder darüber, dass die hohen Seitenwangen ein wenig in den Hüften zwicken. Außerdem hat der Defender sonst ja seinen Charakter gewahrt: Denn Navi hin und Lederbesatz am Armaturenbrett her – spätestens, wenn man einmal wie eh und je die schwergängige Hecktür des 90ers geöffnet und durch den Kofferraum auf die beiden Sessel im Fond geklettert ist, stellt man beruhigt fest, dass der Neue ganz der Alte geblieben ist und man einen Senior nach 70 Jahren nicht mehr umkrempeln kann.
Zwar ist der Defender V8 ein einzigartiges Auto. Doch er ist nicht der erste seiner Art. Sondern schon früher hat es immer mal wieder einen Achtzylinder unter der kantigen Haube des Klassikers gegeben – zuletzt zum 50. Geburtstag im Jahr 1998. Allerdings spricht vieles dafür, dass es der letzte seiner Art sein wird. Denn wenn der Defender 2023 seinen 75. feiert, sollten das Trauerspiel um die Nachfolger endlich ein Ende haben und der Junior so langsam übernehmen. Denn irgendwann braucht auch der unruhigste Rentner mal seinen Ruhestand.

Jakob Stantejsky

Freut sich immer, wenn ein Auto ein bisserl anders ist. Lieber zu viel Pfeffer als geschmacklos.

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