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McLaren 570S Spider: Glückbringer

Das Glück der Erde…

…liegt im McLaren 570S Spider

McLaren zündet die nächste Stufe in der Sport Series und lässt auf Coupé und GT jetzt ein Open-Air-Modell Spider folgen. Die dritte Variante der Einstiegsbaureihe, die im August als 570S Spider in den Handel kommt, ist zugleich die emotionalste und macht den Zweisitzer gar vollends zum Glückbringer.

Von Thomas Geiger

Dafür muss man sich allerdings erst einmal 15 Sekunden zusammenreißen. Denn so lange dauert es, bis sich das zweiteilige Hardtop zwischen Sitze und Motor gefaltet hat, was nur bei Geschwindigkeiten bei 40 km/h klappt. Im Grunde ist das ja nicht schlecht. Denn viele andere Hardtop-Cabrios brauchen dafür länger oder müssen dafür langsamer fahren. Doch man kann sich diesseits eines solchen Autos gar nicht vorstellen, wie quälend lang einem 15 Sekunden werden können, wenn ein 3,8 Liter großer V8-Motor lockt und 570 Pferde am Zaumzeug zerren. Nicht umsonst schließlich hätte der McLaren in dieser Zeit schon weit mehr als 200 Sachen auf der Uhr, wenn man nur endlich den rechten Fuß durchtreten dürfte.

Doch so ewig einem die Geduldsprobe vorkommt, ist der Lohn der Zurückhaltung um so größer. Denn zum brachialen Vortrieb gibt es dann auch noch eine spektakuläre Soundkulisse und jede Menge frischen Wind. So kommt zum Reiz des Rasens noch ein Rausch der Sinne und der McLaren mutiert endgültig zum Glückbringer.

Während sich unter dem offenen Gitter der Heckabdeckung akustisch die Hölle auftut und die Luft darüber vor Hitze so sehr flimmert, dass man im Rückspiegel schon auf eine Fata Morgana wartet, beginnt beim Kickdown ein infernalisches Spektakel und der 570S explodiert förmlich in Vortrieb: Weil die Flunder auch mit Faltdach gerade mal 1498 Kilo wiegt, nur etwa einen Zentner schwerer ist als das Coupé und mit einer ungeheuren Lässigkeit bis zu 600 Nm an die Hinterachsen schnalzt, jagt sie in 3,2 Sekunden auf Tempo 100, hat nach 9,5 Sekunden schon 200 Sachen auf dem digitalen Tacho und gibt sich erst bei offenem Dach erst bei 315 km/h den Fahrwiderständen geschlagen. Zwar ist das etwas langsamer als mit geschlossenem Dach, wo der Spider wie das Coupé 328 km/h schafft. Doch wer sich nicht unmittelbar vor dem mit einer Launchcontrol perfektionierten Kavalierstart einen halben Kilo 3-Wetter-Taft in die Haare geschmiert hat, hat danach so oder so eine wilde Sturmfrisur.

Obwohl der McLaren damit allemal das Zeug zum brachialen Bomber hat, gibt er sich kühl und kultiviert und wahrt bis kurz vor dem Grenzbereich die Contenance. Egal ob beim Kickdown auf der Startgeraden, beim Zwischenspurt auf der linken Autobahnspur oder beim heißen Ritt auf einer ebenso einsamen wie kurvigen Landstraße: Einerseits präzise und berechenbar und sehr viel leichtfüßiger als Porsche 911 Turbo oder AMG GT Roadster, andererseits aber explosiv und brandgefährlich, lässt er niemanden darüber im Zweifel, dass er ein Killer ist. Aber einer mit Manieren. Der Bond unter den Boliden sozusagen.

Aber nicht nur mit dieser sehr zielstrebigen Auslegung ohne faule Kompromisse unterscheidet sich der 570S von Porsche 911, Audi R8 oder dem AMG GT Roadster – sondern auch der Zuschnitt und das ganze Ambiente sind anders: Wo der Porsche selbst als Turbo so langsam zur Power-Limousine mit Flachdach und Breitreifen verkommen ist, der Audi ein bisschen wie eine Spielkonsole auf Rädern wirkt und Mercedes auch als AMG vom Luxus nicht lassen kann, ist der McLaren das authentischste Auto – selbst wenn die Briten ihre fast klinische Fabrik in Woking als eine Mischung aus 20 Prozent Disneyland und 80 Prozent Nasa bezeichnen.

Was den Engländer so ehrlich macht, das ist die Art, wie sich das ganze Auto fast völlig zurücknimmt und in den Dienst der Sache stellt: Keine überflüssige Inszenierung, kein Ornat und kein Schnickschnack. Die Form ist pure Funktion und weitgehend aus dem Windkanal, die Mittelkonsole ist filigran, die wenigen Schalter sind gut integriert und selbst der Touchscreen irgendwie zurückhaltend – nicht umsonst wirkt das Cockpit des 570S trotz der digitalen Instrumente fast so leer wie in einem Oldtimer. Und nicht ohne Grund ist der McLaren wahrscheinlich der einzige Neuwagen über 20.000 Euro, der ohne jeden Knopf am Lenkrad auskommt.

Natürlich gelten diese Vorzüge auch für das Coupé und den beinahe schon alltagstauglichen GT. Und so lange der Spider seine Haube trägt, gibt es ohnehin weder beim Platzangebot noch beim Geräuschniveau einen spürbaren Unterschied. Doch sobald das Dach offen ist, wird der Genuss intensiver, weil man sich noch näher am Motor wähnt und mit dem Wind in den Haaren ein noch besseres Gefühl für die Geschwindigkeit bekommt. Und weil die Engländer um diese Reize wissen und ihr schlechtes Wetter kennen, haben sie noch einen kleinen Trick eingebaut. Ähnlich wie beim R8 oder beim Sechser BMW kann man die Heckscheibe auch separat bedienen. Lässt man sie bei geöffnetem Dach stehen, dient sie als Windschott und sperrt zumindest ein bisschen vom Sturm aus. Öffnet man sie dagegen bei geschlossenem Dach, dann fühlt sich selbst der graueste Regentag nach sonnigem Sommer an – zumindest für die Ohren.

Jakob Stantejsky

Freut sich immer, wenn ein Auto ein bisserl anders ist. Lieber zu viel Pfeffer als geschmacklos.

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