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Mercedes-AMG GLC 63 S: Unvernünftiger Muskelprotz

Was ist Downsizing?

Mercedes-AMG GLC 63 S: Unvernünftiger Muskelprotz

Wenn unter der Haube 8-Zylinder wuchteln, dir die Augerln beim Beschleunigen zurück in die Höhlen gedrückt werden, nur um einen Moment später durch einen forschen Bremsvorgang wieder in die Ausgangsposition versetzt zu werden, dann sitzt du nicht zwangsweise in einem Sportwagen à la 911 GT2 RS. Sondern eventuell in einem SUV, an dem sich die Jungs aus Affalterbach austoben durften.

Text: Maximilian Barcelli

Die Nachfrage an SUVs boomt bekanntlich und auf Aktion folgt ja, wie Sir Isaac Newton uns lehrte, Reaktion. Soll im übertragenen Sinne heißen: Die Hersteller reagieren auf die steigende Nachfrage. Auch bei Mercedes hat man diesen Boom vor langer Zeit erkannt, das Resultat ist eine mittlerweile breitgefächerte SUV-Palette. Von GLA bis GLS schwebt man in jeglichen Preissphären und einen schönen Mittelweg stellt der GLC dar. Bis jetzt, denn was man in Affalterbach mit der stolzen Familienkutsche mit Stern am Kühlergrill anstellte, ist nun wirklich nicht mehr familiär. Wenn nämlich der zwangsbeatmete V8 im GLC 63 S das erste Mal so richtig schön faucht und es aus den vier Endrohren rotzt, ist die Furcht beim Nachwuchs mindestens so groß wie das Lächeln des Papas.
„Nicht Fisch, nicht Fleisch,“ mögen vernünftige Zungen dem Mercedes-AMG GLC 63 S 4Matic+ jetzt wohl vorwerfen und das gar nicht mal zu Unrecht. Man kann mit so einem Drum weder in die Grüne Hölle Jagen gehen, noch will man sich so wirklich ins Gelände wagen – zumindest nicht ins schwere. Unsere Zungen erwidern auf die ewig Vernünftigen: Scheiß auf die Vernunft. Sperrt sie in eine Kiste und weg mit ihr. Es muss nicht immer alles praktisch sein, manchmal darf etwas auch einfach nur geil sein.

Und nicht’s weiter will der GLC 63 S, der uns in einem Coupé-Gewand zum Test-Tanz aufforderte. Brachial sein, spannend, vielleicht ein wenig angsteinflößend und ja, auf jeden Fall auch unvernünftig. Und weil die Herren in Affalterbach eben gewissen Konventionen trotzen, hat der GLC mit seinem Biturbo-V8, der 510 PS und 700 Nm abliefert, auch keine Konkurrenz zu fürchten. Vergleichbare Performance-SUVs – wir schwenken unseren Blick nach München und Ingolstadt, ja vielleicht sogar nach Zuffenhausen – haben maximal sechs Töpfe in petto und müssen sich mit einer geringeren Leistung zufriedengeben. Wer ein SUV mit acht Zylindern, beispielsweise aus München, wünscht, muss sich da schon in ein höheres Segment, in dem dann X5 M und X6 M warten, begeben.
Aber zurück zum GLC und seiner Brachialität, die zwar nur schwer in Worte, dafür umso leichter in Zahlen zu fassen ist. 3,8 Sekunden auf das magische Landstraßentempo, liebe Leute. Wenn man sich vor Augen führt, dass ein solcher Wert vor nicht allzu langer Zeit für Supersportwagen Spitzenklasse gewesen wäre, hat diese Zahl noch mehr Gewicht. Apropos Gewicht, der V8 muss nämlich einiges davon antreiben: 1945 Kilogramm, um genau zu sein – ohne Fahrer. Dass der Schwerpunkt dann SUV-bedingt auch noch relativ hoch liegt, macht dynamisches Fahren nicht zum leichtesten Unterfangen. Denn so brachial der Mercedes-AMG GLC 63 S auch beschleunigt und so beeindruckend die Bremsen greifen – will man die kurvige Landstraße etwas dynamischer angehen, muss man ziemlich viel arbeiten.
Auf der Autobahn (vor allem der deutschen) hingegen ist er natürlich ein Einser. Erhaben gleitet man durch die 100er Zone, der Motor ist kaum zu hören. Im muskulösesten GLC ist es komfortabel, auch wenn der AMG-Innenraum, mit dem Alcantara-überzogenem Sportlenkrad und der Mittelkonsole im Carbon-Design, dich immer wissen lässt, dass der Mercedes auch ganz anders kann. Und endet der fadisierende 100er auf der deutschen Autobahn und du drückst voll durch, bricht die Hölle aus, vor der dich das Interieur ja eh noch gewarnt hat. Der, für AMG-typisch, brillante Sound umwarbt die Insassen, die Beschleunigung drückt sie in die Sitze – Schluss ist erst (mit AMG Driver Package) bei 280 Sachen.
Ja, das Ganze ist schon ein Fest der Freude. Und so dahin rasend, vergisst man auch kurz, in was für einem Bullen man eigentlich sitzt. Zumindest bis zur nächsten Kurve, da wünscht man sich dann doch was Niedrigeres herbei … aber was soll’s, das Austricksen der Physik gelingt der Konkurrenz ja auch nicht.

Maximilian Barcelli

Bei 7.000 Touren beginnt der Spaß für den mehr begeisterten denn begnadeten Autofahrer.

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