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Mini All4 Racing – Jagd nach dem Minitaurus

Motorblock fährt Mini ALL4 Racing

Im eisigen Waldlabyrinth Finnlands wartet in der Mitte ein wahres Biest. Laut, groß, voller Kraft und ohne Angst… nichts wie hin!

Text: Rainair Behaunski
Ein wenig glaubt man schon, man ist mitten in der griechischen Mythologie angekommen, wenn es aus dem Wald plötzlich rausschreit, als wüte dort ein haushohes Biest. So als habe tatsächlich jemand den Minotaurus gefunden, das Mischwesen aus Stier und Mensch. Ein Mischwesen ist der Mini All4 Racing auch wenn man so will. Er sieht aus wie ein Auto, ein Mini Countryman, ist aber etwas ganz anderes. Er ist nicht nur neun Prozent größer, auch sonst passt manches nicht ganz zusammen. Jeder der dünnen, spikebesetzten Rennreifen federt mit zwei Dämpfern, aus dem Innenraum blinkt und leuchtet es wie in einem Science Fiction Raumschiff aus den 80ern und der Kofferraum, nun ja, ist nicht da. Lufteinlässe dort, Metallschienen da – der deutsche Rallye-Spezialist X-Raid hat den Mini aufgespritzt, ausgebangelt, angespitzt und ihn somit das Harmlose komplett ausgetrieben.




Das 3,0-Liter Biturbo-Dieselherz unter der leichten Karbonfaser-Kevlar-Haube stellt den weltbesten Rallyefahrern neben 320 PS auch 800 Nm zur Verfügung, mit denen sie die 1.953 Kilogramm, die dieses Ding auf die Waage bringt, auf jedem Untergrund so spielend bewegen können, als wäre es ein Matchbox-Auto in der Hand eines Kindes. Also die können das. Ich nicht. Ich schau im Mini so deplatziert aus wie eine Oma im Twerking-Studio, dazu aber später.

Was ihm an Kofferraumvolumen fehlt, macht der 380-Liter-Tank wett. Laut FIA muss jedes Fahrzeug, das an der Rallye Dakar teilnimmt, mindestens 700 Kilometer mit einem Tank zurücklegen können. Der Mini All4 Racing ist Rennwagen, Speedkletterer und Werkzeug zugleich. Klar, er sieht geil aus, reißt mit seinen 800 Nm Drehmoment alles in Grund und Boden und ist doch nur ein Tool, mit dem die weltbesten Offroader und Langstrecken-Rallye-Fahrer den Zenith erklimmen. Sitzt man in so einem Teil, nimmt man auch gleichzeitig Platz im spektakulären Zirkus der Langstrecken-Rallyes, einer Welt, die fast übergeht von großartigen Geschichten.
Michel Périn gibt einen kleinen Einblick in die Welt des Beifahrers. „Auf der Dakar schlafe ich täglich um die 4,5 Stunden, weniger halte ich auf Dauer nicht durch. Die Fahrer kommen auf zwischen acht und zehn Stunden.“ Während die Fahrer ihre Batterien wieder aufladen, geht Michel nochmal alles durch. „Wir bekommen vor der Rallye so wenig Infos wie möglich. Alles, was wir an Streckenverlauf bekommen, schicke ich sofort an MapMan. Die generieren daraus ein 3D-Kartenmodell, mit dem wir viel besser und vorausschauender arbeiten können.“ Die Rallye-Dakar ist voll im Technologie-Zeitalter angekommen. Nach der Rallye sitzt Michel Perin acht Stunden am Tag zwei Monate lang vorm Rechner und zeichnet die gefahrene Route in Google Earth nach. „So mache ich die Rallye zweimal.“

Dem High-Tech-Zeugs kann Andreas Schulz nichts abgewinnen. „Oft geht es bei den Online-Begehungen nur darum, Abkürzungen zu finden. Das Roadbook, das wir bekommen, ist gut.“ Der 61jährige Bayer war Mechaniker beim Röhrl Walter und beim Sainz Carlos und stieg dann selbst als Beifahrer ins Auto ein. Mit zwei Gesamtsiegen bei der Rallye Dakar ist er der erfolgreichste deutsche Dakar-Teilnehmer. Er kann nicht nur das Roadbook lesen sondern auch seine Fahrer. „Den musst dort abholen, wo er ist. Einen Hitzkopf musst anders anpacken als einen unerfahrenen Neuling. Ich fahre das Rennen mit dem Kopf. Andere stressen sich zu sehr und sind am Ende der Rallye fertig. Wenn der Fahrer macht, was ich sage, geht es uns bis zum Schluss gut.“ Er hat leicht reden, nur mit Mühe bringen die Mechaniker seine ganze Erfahrung im Auto unter, die wichtiger ist als Ersatzreifen und Sandbleche.

Harry Hunt kann das nur bestätigen. „Wenn ich es mir aussuchen könnte, würde ich nur mit ihm fahren, er ist der Beste. Bei einem der ersten Rennen hat er mir ständig gesagt, was ich machen soll. Ich meinte, dass ich das eh alles weiß. Er war dann ruhig. In Wahrheit hat er einfach gewartet, bis mir der erste Fehler passiert, der nicht lange auf sich warten ließ. Er weiß einfach so viel und kennt uns Rallyefahrer besser, als wir uns selbst.“ Der Engländer fing klassisch an, Kart, dann Rallye. „Wenn du einmal Langestrecke gefahren bist, möchtest du nichts anderes mehr tun. Mir geht es auch danach super, da muss ich wirklich auf Holz klopfen. Nach der Dakar Rallye bin ich sofort nach Argentinien geflogen, um dort Schi zu fahren und zu klettern.“

Wie er sich von den Strapazen einer so harten Rallye erholt, möchte ich von Andreas Schulz wissen. „Nach der Landung schau ich gleich zum Wirten, der renkt alles wieder ein.“ Er ist Bayer durch und durch, das macht ihn sympathisch.

Auch die Mechaniker können mit ihren Büchern Geschichten füllen. „Ihr glaubt nicht, wie viel Tamtam alleine um die Lüftung gemacht wird. Ein Nasser Al-Attiyah will am liebsten keine, ein Mikko Hirvonen will eine, die so groß ist wie ein Kardashian Arsch.“ Zwei Mechaniker sind für ein Auto zuständig. „Auch wenn er brachial und böse aussieht, die Technik ist relativ einfach. Ein Getriebe tauschen wir in 40 Minuten. Alle 2.000 Kilometer wird das Öl getauscht. Eines der wichtigsten Bereiche im x-raid Mini ist das Kühlsystem. Motor, Bremsen, Flüssigkeiten, Fahrer, alles wird gekühlt um den Belastungen standzuhalten.“

Den Belastungen standhalten… ich muss schmunzelnd an den Mechaniker denken während ich mir in die Rennkluft überziehe. „Der fährt sich wie ein normaler Mini, die sind ja darauf ausgelegt, lange Strecken halbwegs bequem zu meistern“, meint Andreas Schulz, mein Beifahrer. Ich frage ihn, was er mit bequem meint, als mich die Seiten der Schalensitze umarmen und ich so festgezurrt werde, dass ich nur noch fiepsen kann.

Ich schnalze den ersten Gang des sequentiellen 6-Gang-Getriebes rein und… tuckere aus dem Mechanikerzelt. „Du kannst ruhig ein wenig schneller fahren“, lächelt Schulz. Ich schwitze und sage ihm, dass ich das schon schnell genug finde. Er hört auf zu lächeln.




Nach ein paar Metern gesellt sich die Gewöhnung zu uns und wir brettern durch die finnische Baumlandschaft mit Karacho, oder zumindest nenne ich es Karacho, Andreas Schulz fragt mich noch immer, ob wir nicht schneller fahren können. Wir biegen auf einen komplett vereisten See ab und mir gehen die Ausreden aus. „So, jetzt tritt amal drauf heast!“ Ich geb dem Biest die Sporen und wir schießen auf die erste Kurve zu. Ich warte, bis Andi „Brems!“ schreit, aber es kommt nichts. Ich halte voll drauf und bin gefühlt schon an der Kurve vorbeigerasselt als er mir das Signal gibt, ich in die Eisen hüpfe und der Mini erstaunlich schnell langsamer wird. Rein in die Kurve und wieder Gas. Mich treibt es raus und drifte recht nahe an den Fotograf heran, Andi lässt das alles völlig kalt. Nach der ersten Runde habe ich den Dreh raus oder glaube es zumindest. Ich fahre die zweite Runde etwas ruppiger, weil ich denke, dass mir der Schulz wegpennt. Mein Fahrstil zeigt Wirkung, ich fliege über den Schnee wie Hannes Arch und als ich mir denke „Klebt mir meinen Namen auf den Helm!“ biegen wir auch schon wieder ab in die Basisstation.

Eines weiß ich jetzt. Wenn ich groß bin, werde ich Langstrecken-Rallyefahrer. Die Atmosphäre, der Zauber – alles echt.

Rainer Behounek

War bis 2017 Teil der Motorblock-Redaktion.

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