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Oben ohne over: Meine Cabrio-Saison 2016

Oben ohne over

Der Sommer ist so gut wie vorbei, was manche bejammern. Weil sie sich nicht gern Zeug anziehen, weil der Gelati-Giuseppe wieder zusperrt, weil man nicht mehr Cabriofahren kann. Ich finde Cabriofahren ja überschätzt, den Sommer insgesamt auch. Trotzdem: Hier mein Cabriorückblick 2016.

von Bernhard Katzinger

Am Anfang, eigentlich schon im Frühsommer, stand die bittere Erkenntnis: Das Wetter passt genaugenommen nie hundertprozentig zum Cabriofahren. Abgesehen von einem Stint im Jänner mit dem Bentley Continental GTC (das war aber nur zur Gaudi), haben wir heuer mit dem neuen Mini Cabrio die Saison eröffnet – da hat’s streng genommen noch geschneit im Salzburgerland.

Aber selbst wenn das Wetter an sich passt, brauchst du zum Cabriofahren ein Kapperl. Sonnenbrand droht, oje. Außerdem, der Wind! Die steile Frontscheibe im offenen Mini stellt für lästige Luftströme kein nennenswertes Hindernis dar, die teure Frisur leidet.

Das geht im Audi S3 cabrio ein paar Wochen später auf der deutschen Autobahn deutlich besser, allerdings bleibt die Frage nach Fluch oder Segen ungeklärt: 200+ km/h mit offenem Verdeck, aber die Beifahrerin hörst du immer noch.

Um Himmels willen: immer offen!

Aber mit geschlossenem Verdeck fahren – niemals! Wenn das Cabrio mit geschlossenem Dach unterwegs ist, kommst du dir als Fahrer immer ein bissl von der Welt verarscht vor. Selbst im feschen DS3 cabrio, das klugerweise ja ein Faltdach hat wie dereinst sein Urahn, der Citroen 2CV, gilt: Immer offen, wenn’s irgendwie geht. Sonst hättest du ja gleich das Coupé nehmen können.

Zwar kannst du auch bei minus zehn noch offen fahren, Heizung auf Vollgas, mit obligatorischem Schal-und-Kapperl-Outfit. Das etwaige schlechte Gewissen ist allerdings nur dem Hardcore-Benzinbruder (Schluck, du Luder!) wurscht. So ein Mini oder ein Exemplar des fantastischen, putzigen, aber ernstzunehmenden Mazda MX-5 wird oft vom Otto Normalmülltrenner bewegt.

Aber: Roadster!

Apropos MX-5. Die Quadratwurzel aus Cabrio ist gleich Roadster. Der ist aufs Allernotwendigste zusammengestrichen wie die Belegschaft einer österreichischen Tageszeitung. Aber was dort katastrophale Auswirkungen hat, ist hier plötzlich geil. Du erkennst: Mehr brauchst du nicht, solang nur ein Motor mit dreistelliger PS-Zahl die Hinterachse an einem Auto mit dreistelligem Leergewicht antreibt. Die Kinder sollen halt bei der Oma mitfahren.

Wobei der Platzmangel auch bei den größten Vertretern der offenen Spezies nie ganz in den Hintergrund tritt: Selbst in der nicht nur preislich nach oben offenen S-Klasse kriegst du kein Mountainbike in den Kofferraum. Muss der Sport halt warten.

Ade, Selbstgespräch

Völlig von Klassenzugehörigkeit des Vehikels unabhängig: Mit gepflegten solipsistischen Kontemplationen, die dir den Weg zum Ziel machen, ist im offenen Zustand Essig! Dass du als Cabriofahrer nicht in der Privatsphäre des verlängerten Wohnzimmers, sondern auf dem Präsentierteller sitzt, ist systemimmanent. Warum? Weil’s beim Cabriofahren sowieso in erster Linie um die Präsentation des Egos geht.

Möge uns der Himmel nicht auf den Kopf fallen!

Diesem Ego kann allerdings ein Momenterl den Garaus machen, das beim Cabriofahren so sicher kommt wie der Satz „Bitte aufmachen!“ beim Zahnarzt. Es ist der Moment, während sich das Dach öffnet, du nach oben blickst und erkennst, wie fragil die ganze Konstruktion ist, der du im Begriff bist dein Leben anzuvertrauen.

Das Auto wird über deinem Kopf sozusagen in seine Einzelteile zerlegt. Da sind dünne Streben, ein bissl Blech, eine scheinbar solide Fläche wird mirnichtsdirnichts zusammengefaltet. Bis sich alles wieder zusammenfügt und das offene Cabrio wieder solide aussieht, hat sich der Vertrauensverlust schon eingenistet. Niemals nicht nagelst du mit einem Cabrio so arg ums Eck wie mit demselben Auto als Coupé.

Coupés sind natürlich auch unpraktisch. Ich mag Kombis. Von Skoda. Und Renault. Und ich mag einen gepflegten kalten, finsteren Spätherbst mit Ganslessen und Rotwein am Kaminfeuer. Und für so einen Herbst ist ein Kombi genau das Richtige.

Zugegeben, zum Badenfahren in der Kurzen an den See mit einer trockenen Badehose als Gepäck sind Cabrios genau das Richtige.

Aber der Sommer ist zum Glück wieder einmal vorbei!

Bernhard Katzinger

War bis 2017 Teil der Motorblock-Redaktion.

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