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Renault Kadjar – Zwischen Captur und Qashqai

Renault Kadjar

La Cité du Cinéma, das von Luc Besson ersonnene Hollywood an der Seine, ist zur Weltpremiere des neuen Renault Kadjar als Kulisse für die geladene Fachpresse gut gewählt – im Kompakt-SUV Segment gab es in der letzten Zeit einige neue Stars und der jüngste Spross des Hauses Renault hat bald sein Casting für eine Hauptrolle in exakt diesem Film.

von Bosko Andjelic
Der große Bruder des erfolgreichen Captur ist wichtig für Renault – das spürt man allenthalben, selbst bei Monsieur Ghosn, der die Präsentation persönlich übernimmt. Professionell und staatsmännisch. Von ihm „abwärts“ ist alles vertreten, was konzernintern Rang, Namen und internationale Funktion hat. Die Bedeutung des kompakten SUV für Renault im weiterhin stark wachsenden Crossover-Segment wird eindringlich näher gebracht. Tatsächlich gilt es, hier besonders sauber zu arbeiten, um den Nerv der p.t. Kundschaft haargenau zu treffen. 18 Millionen Fahrzeuge im SUV-Segment weltweit sowie das Faktum, dass in Europa wie auch in China bereits jeder 4. Neuwagen der Sparte der Crossover zuzurechnen ist, sprechen eine deutliche Sprache, was potentiell-finanziell möglich ist. So verwundert es keineswegs, dass Carlos Ghosn die economies of scale zitiert und Renault scheint mit dem Common Module Family-Baukasten, in vorliegendem Fall mit der C/D-Plattform zeitgemäß aufgestellt.

Der Nissan Qashqai, der auf ebendieser Plattform aufbaut, liefert knapp 40% seiner Komponenten an den gallischen Bruder, der somit über gute Gene verfügt, designtechnisch geht Renault jedoch eigenständigere Wege. Der Kadjar überragt den Qashqai in allen Dimensionen bis auf die Höhe und wirkt somit eleganter, coupéiger und hat achtern mehr von einem Estate als von einem Offroad-Würferl – gut so. Designtechnisch ist Renault ja sowieso eine Maschin´ – rein performancemäßig. In weniger als vier Jahren wird nun bald die gesamte Modellpalette aktualisiert sein und das neue aber dennoch typische Renault-G´schau tragen ohne die vertikale Verwechselbarkeit so mancher Mitbewerber aufzurufen. Laurens van den Acker, oberster Design-Guru des Renault-Nissan Konzerns, hat sich dieser Aufgabe verschrieben und Alain Lonay, Design-Verantwortlicher des gesamten konzerninternen C-Segments und somit optischer Vater des Kadjar, hat dazu seinen Beitrag geleistet. Ein bisserl Clio hie und da, Nuancen vom kommenden Espace und viel Captur – auch vom gleichnamigen Concept Car – findet das Auge, jedoch sehr eigenständig, fließend und richtiggehend sportlich.

Was Monsieur Lonay dazu sagt

Alain Lonay, der österreichexklusiv für Motorblock zur Verfügung stand, nahm sich in all dem Trubel Zeit und teilte seine Visionen wie auch zugrundeliegende Facts mit uns:

Was inspirierte Sie beim Auffinden der Formensprache des Renault Kadjar, Monsieur Lonay?
Am Anfang stand der DéZir, der Ursprung der neuen Designsprache von Renault – er bildete nicht nur für Clio und Captur die Ausgangsbasis, auch der Kadjar geht in seiner Tonalität auf ihn zurück. Wir haben aber auch die Welt der SUVs genau beobachtet, uns Gedanken über die Optik von Station Wagons an sich gemacht und – das alles vereint – in der Welt von Renault erschaffen. Ja, und zum Thema Inspiration – letztenendes war der 100m-Sprinter, der bis in die letzte Faser definiert startbereit in den Blöcken steht und auf den Startschuss lauert, unser optisches Leitbild.

Welche Herausforderungen standen am Beginn der Geburt des Kadjar? Welche Vorgaben mussten Sie erfüllen? Welche Kontakte gab es zu Schwester Nissan im Designprozess?
Tja, die größte Herausforderung ist, dass zu Beginn kein weißes Blatt Papier steht, sondern sehr viele einzelne Ideen, Vorgaben, Komponenten, die es zu berücksichtigen gilt. Die Tatsache, dass wir unserer Design-Blume entsprechend (Anm., Renault-internes Design-Leitbild bestehend aus 6 Unterdimensionen) mit dem Kadjar das Thema love transportieren müssen, schließlich ist es das erste Fahrzeug dieses Kalibers in diesem Segment für uns und wir wollen, dass sich die Kunden in den Kadjar verlieben. Hinzu kommt, dass wir ihm im Sinne der explore-Mentalität eine starke Persönlichkeit mitgeben wollten, die sich in der Formgebung widerspiegelt und auf die auch seine Coupéhaftigkeit zurückzuführen ist – sowie bei all dem immer ein Renault ist. Sie müssen sich vorstellen, dass sich Renault- und Nissan-Designer einzig aus dem Grund in regelmäßigen Abständen treffen, um sicherzustellen, dass das, was sie verfolgen und tun, einander nicht ähnelt.

Was war das erste Fahrzeug, das Sie verantwortet haben?
Interessant, dass Sie mich das fragen – es war der Nissan Terrano II, genauer gesagt ein Hardcore Offroad-Proto davon, der seinerzeit für die Rallye Paris-Dakar gedacht war, jedoch aufgrund finanzieller Restriktionen nicht zur Welt kam.

Ihr liebstes Design innerhalb des Konzerns?
Über die neuen, kommenden Modelle darf ich Ihnen leider noch nichts sagen – nur so viel: sie werden die aktuelle Linie fortschreiben, dabei noch dynamischer werden und starke Persönlichkeit ausstrahlen.

Ihr liebstes Design außerhalb des Konzerns?
Kein direkter Mitbewerber von uns (lacht), aber sehr stimmig und anspruchsvoll ist das, was Pininfarina aktuell für Maserati zeichnet. Ich liebe die Eleganz des Muskulösen – das ist zur Zeit einzigartig.

Was fahren Sie derzeit, Monsieur Lonay?
Ich habe mir, bis der Kadjar kommt, eben wieder einen Captur bestellt, ein tolles Auto.

Schick, aber nicht zu, aufflällig, aber nicht zu. Understatement? Eher nein. Aber das kannte man bei Renault ja noch nie.

Wenn eine Automobilmarke den Namen Kadjar (sprich Kaddscharr) verträgt, dann Renault. Ich finde übrigens die Verwendung der Buchstabenfolge „dj“ bei Namen generell sympathisch …

Kadjar. Kadjar. Kadjar!

Je öfter der Name fällt, desto angenehmer, flüssiger und mehrheitsfähiger wird er. Weiter diskutiere ich über den Namen ich an dieser Stelle nicht. Bewusst nicht. Zur Erinnerung: als die Konzerntochter Nissan 2006 den ersten Qashqai präsentierte, dachten zuerst auch alle an verstärkten Einsatz bewusstseinserweiternder Hilfsmittel bei den Kreativen, die für die Namensgebung zuständig waren und heute hat sich der Name ins kollektive Bewusstsein aller small-size SUV-Interessenten eingebrannt und wird sogar in Kapfenberg korrekt ausgesprochen. Der beste Beweis, dass der Erfolg eines Produkts nicht vom Namen abhängt, sondern von seinen Qualitäten. Außerdem sind die Renault-Leute ja Kummer gewohnt, wenns um die Verballhornung ihrer exquisiten französischen Modellnamen geht – man denke nur an Klassiker wie Meschanée (Mégane), Ladschuna (Laguna), Espeijs bzw. Eschpatze (Espace) oder aber auch die neueste Kreation, die mein Ohr letztens auf der Vienna Auto Show (tja, wo sonst?) verletzte – Zäpta (Captur). Wenn eine Automobilmarke somit den Namen Kadjar (sprich Kaddscharr) verträgt, dann Renault. Generell finde ja die Verwendung der Buchstabenfolge „dj“ bei Namen sympathisch – das mag aber an anderen, persönlicheren Gründen liegen.

Der Renault Kadjar und die Kompetenz

Wenn der Kadjar kurz vor dem Sommer bei uns eintrifft, wird er mit deutlich mehr Kompetenzen als sein kleiner Bruder Captur ausgestattet sein – speziell was die nun mögliche erweiterte Freizeitgestaltung auf und abseits geteerter Straßen anbelangt. Der Captur hat mit seiner Optik diesbezüglich bereits kokettiert, ohne jedoch das Gatsch-Versprechen wirklich einzulösen – der Kadjar macht diesbezüglich ernst(er), wird es ihn schließlich auch in einer Antriebsvariante mit variablem Allradantrieb geben, bei dem per Knopfdruck zwischen drei unterschiedlichen Modi zu wählen sein wird. Vom reinen Frontantrieb über den Auto-Modus bis hin zum 4WD-lock wird sich der Kadjar den Abenteuergelüsten seiner Besitzer stellen. Die 4×2 Antriebsvariante zielt auf die knapp 95% aller Crossover- & SUV-Fahrer ab, die asphaltierte Straßen sowieso nie verlassen und deren City Slicker-Mobile das raue Leben im Gelände nur aus Erzählungen ihrer schmuckloseren Arbeitstier-Kollegen vom Schlage eines Wrangler, Defender oder Niva kennen. Da müsste mensch mal Mauserl sein, wenn ein echter Allradler einen Lifestyle-Crossover am Lidl-Parkplatz ob seines Schmucks z´samm putzt – man hat das Bild im Kopf, aber das ist eine andere Geschichte.

Details?

Die robuste Optik des Kadjar wird von Rädern mit bis zu 19 Zoll Größe, prägnanten Seitenschutzleisten und der Bodenfreiheit von knapp 19 Zentimetern unterstrichen – Voll-LED Scheinwerfer zeichnen eine hochwertige Licht-Signatur, wie man sie bereits erstmals beim neuen Espace gesehen hat. Wie es sich mit dem 1,4m² großen serienmäßigen Glasdach leben lässt, muss ein separater Fahrbericht klären – jenseits des Sommers sicherlich ein asset, das die Wohnlichkeit erheblich steigern kann. Auf motorische Details lässt uns Renault noch ein wenig warten, die Gnade der späten Geburt wird jedoch mithelfen, das Fahrzeug unter die verbrauchsgünstigsten und emissionsärmsten Vertreter seiner Zunft zu hieven. Was Renault auf dem Motorensektor drauf hat, demonstrieren die Captur-Murln recht eindrucksvoll – sowohl vom Gehen (brav), als auch vom Brauchen (asketisch). Und den einen oder anderen Motor aus dem Qashqai dürften wir auch wiedersehen.

Zahlreiche kamera- und radarbasierte Assistenzsysteme – Notbremsassistent, Spurhaltewarner, Verkehrszeichenerkennung, Fernlicht- und Toter-Winkel-Assistent – werden mitfahren und das Leben an Bord sicherer machen. Renaults R-Link 2-System wird die Connectivity an Bord gewährleisten und eine Art fix verbautes Tablet in der Kommandozentrale darstellen, auf der wir alle relevanten Funktionen direkt steuern können.

Der Renault Kadjar kommt aus China

Die Schlüsselrolle des Kadjar unterstreicht, dass es das erste Renault-Modell sein wird, das auch in China gefertigt wird, um den Mobilitätsdrang im Reich der Mitte direkter bedienen zu können und vom dortigen nicht enden wollenden Boom zu profitieren – ich sage nur 22 Millionen (!) Neuzulassungen in 2014. Vorab in einem Joint-Venture mit Dongfeng, ab 2016 im eigenen Werk in Wuhan. Für die Kernmärkte – (noch) Europa und um das Mittelmeer-Becken – übernimmt das spanische Palencia die Produktion.

Der Anspruch, den Renault mit dem Kadjar erhebt, ist unmissverständlich – le roi c´est moi. Bleibt lediglich abzuwarten, was König Kunde dazu sagt – die Zeichen stehen gut.

Und hier noch ein wenig Pariser Präsentations-Folklore. Am Auto: Carlos Ghosn, Renault-Nissan-Oberboss. (Fotos: © Andjelic)





Franz J. Sauer

Liebt Autos, weiß auch ein bissl was, schwurbelt schön drum herum und springt für SUV in die Bresche.

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