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Renault Koleos: Asia-Franzose?

Euro-Abklatsch?

Renault holt den Koleos aus Asien

Es handelt sich mittlerweile um einen alten Hut: Wenn ein westliches Produkt gut ankommt, schießen bald asiatische Imitate und Nachempfindungen in Hülle und Fülle aus dem Boden. Das gilt für Autos ebenso wie für Handys und fast alles andere. Doch Renault dreht den Spieß um und holt den ursprünglich für Asien entwickelten Koleos nach Europa, wo er die SUV-Palette nach oben hin vervollständigt.

Text: Jakob Stantejsky

Dass asiatische Fahrzeuge längst nicht mehr nur über ihren Preis konkurrieren können, ist inzwischen mehr als nur deutlich zu sehen. Kia, Hyundai & Co. sind längst in allen Belangen vollwertige Alternativen zu ihren westlichen Vorbildern geworden. Mittlerweile haben auch die Autobauer aus China und Korea den Ehrgeiz entwickelt, vor allem daheim im großen Stil zu punkten. Die Europäer müssen sich diesem Konkurrenzkampf natürlich stellen, bilden Länder wie China doch die gewinnversprechendsten Märkte. Daher haben Traditionshersteller wie eben Renault längst eigene Entwickler in Asien sitzen, die speziell für diesen Raum neue Fahrzeuge konzipieren. So ein Exemplar ist auch der brandneue Koleos, der eigentlich aus Südkorea stammt. Der hat der Zentrale in Frankreich aber so gut gefallen (und in die Modellpalette gepasst), dass er prompt übernommen wurde. Doch auch wenn das größte Renault-SUV in Zukunft in über 80 Ländern weltweit unterwegs sein wird, den größten Absatz wird er wohl in China finden. Das heißt aber nicht, dass er für uns Europäer nicht attraktiv sein kann.
Tatsächlich merkt man dem Koleos diese ganze Geschichte nicht an. Denn er gibt sich, wie es alle anderen Renaults auch tun: Elegant, edel und mit der gewissen Portion Pfiffigkeit. Besonders in der europaexklusiven Initiale Paris-Ausstattung, die nur für das Topmodell mit 175 PS, Allradantrieb und Automatik erhältlich ist, macht sich absolutes Premiumfeeling breit, wenn man im Koleos residiert. Die Wortwahl ist ganz bewusst so getroffen, denn im französischen Feschack geht es wahrlich luftig zu, auch die Hinterbänkler haben Raum genug, um à la Couch herumzulungern. Mehr als fünf Einwohner finden übrigens nicht Platz, denn bei Renault hat man sich aus Design- und Raumaufteilungsgründen ganz bewusst gegen eine Siebensitzeroption entschieden. In dieser Hinsicht wird man bei der Konzernschwester Nissan also glücklicher, die solche Mätzchen im X-Trail sehr wohl bietet. Dem Koleos steht es aber ganz gut zu Gesicht, schließlich will er gar keine Kleinbusansprüche hegen, sondern die elegante Option im Segment darstellen.
Schlagen wir nocheinmal einen Haken zu den Motoren: Abgesehen von der schon angesprochenen Variante wird es in Österreich noch einen 130 PS starken, vorderradbetriebenen Handschalter und die 175 Allradpferde ebenfalls mit manuellen Zügeln geben. Das macht drei Modelle, die sich in der Basis preislich zwischen 31.990 und 47.290 (Initiale Paris) Euro bewegen. Ein Schnäppchen schaut anders aus. Die Franzosen gönnen sich außerdem ausnahmslos Diesel, da ein Benziner in diesem Segment schlicht keinen Sinn macht. 2016 wanderten in Österreich rund 94 Prozent aller SUVs dieser Kategorie als Selbstzünder über den Ladentisch, da ist es verständlich, dass Renault keine Lust auf den zusätzlichen Aufwand hat, der dann doch fast nichts bringt. Marktstart ist bei uns übrigens diese Woche.
Jetzt geht es ans Eingemachte, also ans Fahrerische: Nachdem wir sowohl die 130 PS- als auch die Initiale Paris-Version gustieren konnten, stellen wir fest, dass sich der Anspruch auf Eleganz auch hier niederschlägt. Denn mit beiden Motorisierungen zieht der Koleos zwar rasch, aber nicht rasant an. Freunde von zackiger Beschleunigung werden daher wohl nicht seine besten Freunde, zumal momentan kein stärkerer Motor vorgesehen ist. Die Gänge sind so sortiert, dass sie drehzahltechnisch in beide Richtungen einigen Spielraum lassen, ohne gleich zu verhungern oder unangenehm zu röhren. Auf zahlreichen kurvigen Landstraßenabschnitten konnten wir uns auch von der eingängigen Lenkung überzeugen lassen, die die nötige Dynamik zwar mitbringt, aber von ihrem Naturell her zum entspannten Cruisen auffordert – dem kommt man allerdings auch gern nach, denn irgendwie würde es sich komisch anfühlen, den Koleos durch die Gegend zu peitschen – das passt einfach nicht zum geschmeidigen Gehabe des SUVs.
Die manuelle Schaltung weiß ebenso zu gefallen, sie lässt zügige Gängerührerei zu, bleibt dabei aber stets butterweich und vermittelt einem so ebenfalls das Gefühl, dass in diesem Fahrzeug vor allem entspanntes Gleiten erwünscht ist. Glücklicherweise durften wir den Allradautomaten auch über einen Offroadparcours in die Pflicht nehmen und können euch daher auch diesbezüglich die Eindrücke präsentieren, die unser kritisches Auge gesammelt hat. Mit einem entsprechenden Druck auf die Allradtaste wechselt man problemlos zwischen Vorderradantrieb, automatischer Kraftverteilung und 50/50-Sperre hin und her. Auch in letzterem Modus achtet der Computer auf einzelne durchdrehende Räder und dreht ihnen im Bedarfsfall den Saft ab. So schiebt sich der Koleos ruhig und unspektakulär über alle möglichen Hindernisse und Bodenbeschaffenheiten, der Fahrer kann sich ganz relaxed auf Gas, Bremse und Lenkrad fokussieren – eigentlich geht es nicht viel anders zu als auf der Straße, das Auto macht einen souveränen Job im Gelände.
Insgesamt ist der Koleos ein sehr entspanntes, stets cooles Fahrzeug, das vor allem durch seine elegante Ausstrahlung in jeder Situation glänzt. Wer jedoch einen ruppig-rustikalen Geländebezwinger sucht, wird mit dem Franzosen sein Glück nicht finden, auch wenn sich dessen Frontpartie durchaus bullig gibt. Auch SUVisten mit starkem Hang zur Sportlichkeit sind zum Beispiel bei der deutschen Konkurrenz deutlich besser dran. Doch für diejenigen, die auf Eleganz und Erhabenheit – dank SUV-Dimensionen ist dies durchaus wörtlich zu nehmen – Wert legen, ist der Koleos ein perfect match. Mit seinen klugen Extras wie der optionalen elektrisch ausfahrbaren Anhängerkupplung und dem Getränkewärmer/-kühler in der Becherhalterung sammelt er noch ein paar Bonuspunkte, die in diesem hart umkämpften Segment nie schaden können. Nach dem quirligen Captur und dem reschen Kadjar vervollständigt Renault damit innerhalb kürzester Zeit seine SUV-Familie mit dem Koleos, der schon fast limousinenhaft-elegante Züge mitbringt.

Jakob Stantejsky

Freut sich immer, wenn ein Auto ein bisserl anders ist. Lieber zu viel Pfeffer als geschmacklos.

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