BlogHot

Tanja Bauer im großen Motorblock-Interview

Tanja Bauer im großen Interview

Die Probleme der heutigen Formel 1

Sie ist seit 2001 Formel 1-Moderatorin bei Sky und Autorin des Buches „Formel 1 – privat – Die andere Seite der Formel 1“. Mit Motorblock spricht Tanja Bauer über die Entwicklung der Formel 1, die Probleme und die Personen dahinter.

Von Rainer Behaunski, SKY/Christian Hofer

Tanja, du bist ein großer Teil des Formel-1-Zirkus. Gerade der hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Haben sich die Arbeitsbedingungen für Journalisten in den letzten Jahren auch geändert?

Da hat sich viel geändert. Mittlerweile sind es 21 Saison-Rennen auf vielen neuen Strecken. Je nachdem wo man ist, muss man zwischen den schreibenden und den filmenden Berichterstattern unterscheiden. Fürs Fernsehen gilt: Je neuer die Strecke, desto besser. Auch wegen der Erreichbarkeit, in Kanada zum Beispiel geht man 15 Minuten vom TV-Compound zum Fahrerlager. Die Logistik ist auf den neuen Strecken besser. Für die Schreibenden ist es auch anders. In Abu Dhabi hängen im riesigen Journalisten-Bereich Designerlampen von den Decken und man hat soviel Platz wie sonst nirgends.

Seit 1997 bewegst du dich in der Formel 1 und hast alle Höhen und Tiefen mitbekommen. Ist der ganze Glamour überhaupt noch aufrecht zu erhalten, den es früher mal gegeben hat?

Es hat sich vieles verändert. Früher hattest du große Sponsoren. Brauereien und Zigarettenhersteller, die hatten Geld. Da gab es jedes Rennwochenende mindestens eine große Party. Als Red Bull den Zirkus betrat, waren die Parties auch Teil des Bekanntwerdens. Ich kann mich noch an ein Rennen in Australien erinnern, da haben sie Pink für drei Lieder auf die Bühne geholt. Pink! Die ist da oben gestanden, zwischen den Red Bull Fahrern, hat drei Lieder gesungen und war wieder weg. Ein Bruch mit dem Glamour war sicher das Verbot der Zigarettenhersteller und mit ihnen der Weggang von richtig viel Geld. Seit damals haben wir auch ein geteiltes Fahrerlager. Oben hast du Ferrari, Mercedes, Red Bull. Dann kommt eine solide Mittelschicht wie Williams, Renault oder auch McLaren und dann hast du die, die ums Überleben kämpfen, wie Sauber oder Force India. Das ist eine schwierige Entwicklung. Denn jetzt gibt es natürlich Diskussionen über die Geldaufteilung, etwas, das früher nicht Thema war, weil sie sich ja eh selbst finanziert haben.

Apropos Finanzierung: Wenn Bernie Ecclestone die große Bühne mal verlassen sollte, verliert die Formel 1 nicht nur eine der schillerndsten Figuren, es entsteht auch ein riesiges Machtvakuum. Gibt es schon Gerüchte, wer die Nachfolge antreten wird?

Gerade jetzt erst in Baku hat er gesagt: „Meine Nachfolge besprechen wir an meinem Grab.“ Es waren immer wieder ein paar Leute im Gespräch aber letztendlich nichts konkretes. Bernie ist einfach ein unglaublicher Netzwerker, wenn du mal die Nummer von Wladimir Putin im Handy hast, sagt das schon einiges aus. Trotz seiner Schrulligkeit ist er noch immer einer der mächtigsten im Business. Er ist derjenige, der alles im Hintergrund leitet und die Fäden zieht. Früher hat er ja mit FIA-Präsident Max Mosley noch mitbestimmt, wie was laufen soll. In der Zwischenzeit wurde eine Technical Working Group gegründet, die überall herumbastelt, 15 DRS-Zonen einführt und Reglement aufsetzt, meiner Meinung nach der Untergang der Formel 1, und da kann selbst er nichts mehr machen. Er sitzt zwar in dem Entscheidungsgremium drin, recht viel bewirken kann er dort aber nichts mehr.

Die Einserfrage in der heutigen Formel 1… wie geht es dir mit dem Sound?

Welcher Sound? (lacht) Früher konntest du dich nicht mal denken hören, wenn du an der Strecke warst. Heute kannst du dich normal unterhalten, wenn die Boliden an dir vorbeirasen. Ich halte es da sehr mit Sebastian Vettel: „Motorsport muss laut sein und stinken“. Natürlich ist es wichtig, auf die Wirtschaftlichkeit und den Verbrauch zu achten aber Motorsport ist nunmal Motorsport.

2001 hast du ein Buch rausgebracht, „Formel 1 privat“. Wäre so ein Buch überhaupt heute noch möglich?

Nein, in vielerlei Hinsicht nicht. Früher hat es noch greifbare Charaktere gegeben, heute ist die Formel 1 extrem abgeschottet. Kurt Busch, Nascar-Fahrer des Haas Racing Teams, war beim Rennen in Baku dabei und konnte es nicht fassen. „Da sind ja überhaupt keine Besucher um den Autos, warum ist das alles so abgeschlossen?“ Bei der Nascar gibt es Paraden, die Fahrer sitzen auf der Tribüne und geben Autogramme, mitten unter den Fans. Solche Erlebnisse vergisst du nicht und davon leben die Rennserien nunmal, von der Nähe zum Sport. Die moderne Formel 1 packt sich in ein Vakuum. Alleine wenn man sich ansieht, wer ins Fahrerlager darf: Wenn du dort arbeitest und wenn du Sponsor bist, dann bekommst du auch Karten, als Team auch und das wars. Die Karte kannst du nicht kaufen. Du darfst in den Paddock-Club für zig Tausend Euro pro Ticket, aber ins Fahrerlager darfst du nicht. Früher hat es einige Fahrer gegeben, die diese Entwicklung aufgefangen haben, die waren mehr bei den Leuten. Der Niki (Niki Lauda Anm. Red.) und der Toto Wolf sind in der heutigen Zeit Vorreiter. Die meinen: „In der Formel 1 gibt es keine Geheimnisse“. Wenn bei denen was kaputt geht, dann erfahren wir das. Andere Teams sind nicht so, da wird zugemacht und Nachrichtensperren verhängt. Mercedes hat sogar eine Whatsapp-Gruppe, wo alle Journalisten drin sind. Wir können Fragen stellen, während des Rennens! Die antworten sofort, transparent und ohne Umschweife, unfassbar ist das. Was nützt es denn dem Zuschauer, wenn er im Dunkeln gelassen wird? Ich muss die Leute faszinieren!

Wie erlebst du die Formel 1? Parties und Glamour?

Das klingt immer so fein, die Wahrheit sieht aber anders auch: Wir fliegen hin, steigen aus, fahren zum Hotel, von dort zur Rennstrecke, von dort zurück. Wenn ich Glück hab, komm ich mal vor 20 Uhr ins Hotel und esse dort noch eine Kleinigkeit. In Baku habe ich das Fahrerlager und einen kleinen Streckenabschnitt gesehen. Wir sind ja Sportjournalisten und die Formel 1 ist eine Sportveranstaltung.

Wie stehen die Kollegen dazu, wenn du auf alle Formel 1-Rennen fährst, sind sie neidisch?

Wir alle reisen viel, sei es zu den Olympischen Spielen oder zum Champions League-Finale. Rivalität gibt es keine, da sind wir alle ziemlich entspannt. Eines muss ich auch sagen, wir sind ja alle da, um den jeweiligen Sport nach außen zu tragen. Wenn wir vor Ort sind, geht es ja nicht um den jeweiligen Journalisten, sondern um die Zuschauer vorm Fernseher.

Du bist ja wirklich oft „vor Ort“ und praktisch nie daheim. Kannst du Freizeit und Job gut unter einen Hut bringen?

Erstaunlicherweise ja. Ich hab sogar einen Hund! Mein Bruder kümmert sich um sie, wenn ich nicht da bin, die ist zum Glück ziemlich entspannt, wenn ich nicht da bin. Hauptsache sie bekommt was zu essen! Man muss vor allem organisiert sein, bei mir gibt es alles zweimal, Kleidung, Toilettartikel und so weiter. Zeitmanagement ist auch wichtig, weil du manchmal zwischen den Rennen nicht viel Zeit hast, dich vorzubereiten.

Die Klassiker-Frage: Wo bist du am liebsten?

Nicht Monaco, wenn du das glaubst! In Melbourne bin ich am liebsten. Die Stimmung, die Leute – dort unten sind alle locker und extrem motorsportbegeistert. Der Saisonbeginn in Melbourne ist wie eine riesige Gartenparty. Aber auch da siehst du wieder das Problem, das die Formel 1 hat. Alle anderen Rennserien, die an dem Wochenende noch fahren, sind für alle zugänglich und sehr nahe am Publikum. Die Formel 1 ist wieder abgeschottet.

Wie geht es da denn Formel 1-Piloten, blicken die da nicht wehmütig rüber?

Nicht wirklich. Die sind ja selbst voll im Marketingpool eingebunden, die können sich gar nicht großartig viel bewegen und müssen von Meeting zu Konferenz und weiter hetzen. Da bleibt leider keine Zeit mehr für Freizeitaktivitäten, nenn ich es jetzt mal. Sie trauen sich auch teilweise nichts mehr machen. Zu Zeiten von Internet und Smartphone bleibt ja kein Schritt und keine Aussage unbeobachtet.

Wer ist dann einer der letzten wilden Hunde, denen das alles noch eher wurscht ist?

Bei den aktiven Fahrern sind es sicherlich Jenson Button und Fernando Alonso. Die machen auch keinen Hehl daraus, dass sie auch abseits des Renngeschehens eine Gaudi haben. Das gehört ja aber auch dazu oder nicht? Heute legen die anderen Fahrer mehr Wert auf die Privatsphäre und sind sehr große Familienmenschen. Die Playboy-Zeiten wie bei James Hunt sind definitiv vorbei!

Rainer Behounek

War bis 2017 Teil der Motorblock-Redaktion.

Weitere Beiträge

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"