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Volvo XC90: Der Oberwikinger

Volvo XC90: Der Oberwikinger. Mit der zweiten Generation des großen SUV entert Göteborg endgültig die Luxusklasse. Gibt es dort auch Individualisten?

Text: Franz J. Sauer
Freilich wirkte sich die schwedische Marktbereinigung nach dem Verschwinden von Saab positiv für den einzig verbliebenene Mitbewerber aus. Die endgültige Anlaufstelle für Individualisten, die ein gutes Auto mit feinem Image und Luxusklassefeatures abseits des deutschen Angebotes fahren wollten, schien somit einzementiert. Und weil zeitgleich mit Saabs Niedergang der Wunderwuzzi XC60 auf der Bildfläche erschien, also eine bei Saab nie gehabte, brauchbare Alternative zum notorischen Schwedenkombi auftrat, wurde sozusagen auch noch mehr als die klassisch-schwedische Käuferschaft abgeholt. Der Rest ist Geschichte, die chinesichen Eigentümer sind zufrieden und die Marke darf fett in die Zukunft investieren, was sich nicht zuletzt im Engagement des Grazer Design-Shootingstars Max Missoni manifestiert.
Seit dieser dort am Zeichenstift zieht, erreichen uns freudig anmutende Reminiszenzen an längst vergangene Tage, etwa von der Qualität Rückkehr des Shooting Brake (einstmals Volvo 1800 ES „Schneewittchensarg“) oder die Neuerfindung der Crossover-Kombilimousine im Coupé-Gewand. Als erstes Voll-Projekt des Grazers materialisierte im Vorjahr aber die höchst wichtige Wiedergeburt des großen SUV der Marke namens XC90. Wichtig deshalb, weil längst überfällig. Grundsätzlich gilt die Geburt des Terms SUV ja  als fremderfundene Ur-DNA der Marke Volvo, die immer schon die Gemütlichkeit von Blockhütten atmosphärisch postulierte und andererseits als Vorreiter für passive Sicherheit auftrat. Als Wetterleuchten dafür kann der in den 90ern etablierte Volvo V70 XC (steht für Cross Country, damals noch nachgestellt) gesehen werden, der erste Protagonist der Bauart war aber eben der XC90. Mit langem Atem und letztlich großem Erfolg. Prolongiert durch einen XC70, einen XC60 und, als letztem gutem Wurf, dem S60 XC. Aber der neue XC90 lieferte nach doch 12 Jahren Bauzeit (heutzutage methusalemesque) den neuen Leitwolf, nicht nur des Segmentes, sondern der ganzen Marke. Und nutzte diesen Aufmerksamkeits-Schub gleich dazu, einen Volvo erstmals in der absoluten Luxusklasse anklopfen zu lassen. Dort, wo sonst die Range Rovers herumstehen.

Der XC90 fährt sich toll. Wirklich toll. Er schwebt locker, macht seine schiere Größe klein, verwöhnt durch ein sagenhaft feines und durchdachtes Cockpit, kommt mit guten Sitzen und ausserirdischem Platzangebot und wer – wie ich – ein großer Freund von Panoramadächern ist, mißt die Dachluke im neuen, großen Volvo von Anfang an in Quadratmetern.





Wichtig hierbei: der Antrieb, klare Sache. Ein Portfolio steht zum Angebot, das sich sehen lässt. Vom kleinen Diesel D4 (190 PS) über diverse Benziner hin zum PlugIn-Hybrid-Bullen mit 407 PS (320 Benziner-PS plus 87 stromige obendrauf), der sich g’schamig in der Preisliste als Fronttriebler bezeichnet. Klar, der konventionelle Antrieb des Motors geht nur auf die Vorderachse. Aber weil der Elektromotor eh brav auf der hinteren sitzt, werden freilich letztlich eh beide Achsen angetrieben. Sowas nennt man in unseren Breiten Allradantrieb und nun gehts endlich zur Fahrerei.

Das Fahren

Man verblieb ja letztlich ratlos bei der letzten Generation des großen Volvo-SUV. Antriebsenflüsse trotz 4WD, seltsame Manieren auf schlüpfrigem Untergrund (vor allem beim unnötigen V8-Benziner), Klappern hier, Rattern dort. Bloß die Soundanlage gab sich groß, der Komfort ließ auch nicht zu wünschen übrig. Aber im Vergleich zum Fahrgenuss beim kleineren und neueren Bruder XC60 gerierte sich der XC90 alt inferior. Was nicht zuletzt daran liegen mag, dass der XC60 in meinen höchstpersönlichen Augen das Genre SUV gewissermaßen revolutionierte, aber man will hier ja jetzt nicht zu subjektiv werden. Jedenfalls ließ der „Kleine“ einiges erwarten vom neuen „Großen“, was auch mühelos zu erfüllen gewesen wäre – hätte man bei den Vorankündigungen vielleicht nicht gar so dick aufgetragen und hier quasi eine Revolution des Luxus-SUV-Segmentes vorversprochen.

Robust und Solide

Weil, nämlich: der XC90 fährt sich toll. Wirklich toll. Er schwebt fein, macht seine schiere Größe klein, verwöhnt durch ein sagenhaft feines und durchdachtes Cockpit, kommt mit guten Sitzen und ausserirdischem Platzangebot und wer – wie ich – ein großer Freund von Panoramadächern ist, mißt die Dachlucke im neuen, großen Volvo von Anfang an in Quadratmetern.

Bloß: Range Rover ist er keiner.

Soll er auch nicht sein? Bestens, warum auch, weil ein Charakterdarsteller ist der neue Volvo XC90 allemal und ohne Zweifel. Aber man sprach alleweil von Superluxus, Oberklasse, Top of the Range, all that Stuff. Und dann reicht es halt nicht, nur die X5’s, Q7’s, GL’s und Konsorten in Schach zu halten, sogar den Range Sport verweisen wir hier in der Gesamtwertung auf die Plätze, sogar recht deutlich. Die Benchmark im Ober-SUV-Luxus-Segment heißt Range Rover. Und den schnupft der Volvo XC90 im Zusammenspiel aller verfügbaren Gefühle und Eindrücke nicht wirklich. Ja, das ist Raunzen auf hohem Niveau. Aber das muss schließlich auch mal sein.

Die Preise

Los geht das Preis-Angebot des neuen Volvo XC90 für den kleinen Diesel bei 54.500 Euro, derlei präsentiet sich wirklich als rechtschaffene Okkassion und plötzlich sind im echten Leben auch gleich alle Range Rover-Fantasien dahin, weil zu diesen Zahlen gibt es wirklich keinen Konkurrenten im Segment. Dass die feine Wahre aber letztlich auch erst zu einer solchen wird, wenn man in der Ausstattungsliste nach höherem greift, liegt auch auf der Hand. Der Testwagen, den wir ausfassten, ein D5 AWD im R-Design schlägt dann an der Basis schon mit 70.252 Euro zu Buche und Extras im Wert von locker 30.000 Euro waren da sicher mit an Bord. Aber auch da schlägt der Range Rover-Vergleich zugunsten des großen Volvo aus, fängt beim dicken Briten in derlei Regionen doch erst das Basis-Setup an. Was wollen wir also streiten? Hier kommt der neue, große SUV für individualisten. Die verdammt viel Auto zu moderaten Preisen mit viel Charakterstärke bekommen.

Franz J. Sauer

Liebt Autos, weiß auch ein bissl was, schwurbelt schön drum herum und springt für SUV in die Bresche.

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