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Alpine A110: Ein Auto in fünf Kapitel

Die Tugenden …

Alpine A110: Ein Auto in fünf Kapitel

Beim Texten einer Geschichte gehört die Titelauswahl wohl zu den sensibelsten Dingen. Er muss passen, wie die Faust aufs Auge. Und auch neugierig machen.

Text: Maximilian Barcelli

Manchmal, da sitzt du eine gefühlte Ewigkeit da und überlegst einfach nur. Passt der Titel? Versteht man ihn? Ist er nicht doch ein bisserl zu, hmm, fad? Fällt einem denn wirklich nichts geschmeidigeres ein? Ob die Titelfindung leichtfällt oder zu einer Aufgabe wird, die die griechischen Götter nicht einmal Sisyphos angetan hätten, hängt ja auch ganz stark von der Geschichte per se ab. Das gefühlt vierzigste Kompakt-SUV von Hersteller XY zum Beispiel, gibt titelmäßig so ganz grundsätzlich nicht allzu viel her. Außer eben erwähntes Kompakt-SUV trägt einen ausbaufähigen Namen. Die neue Alpine A110 hingegen könnte auch Herbert heißen, wir hätten trotzdem immer einen Titel auf Lager. Wobei, eigentlich fünf. Und mit diesen erörtern wir nun, wieso die schöne Französin unser Sportwagen des Jahres ist.

Fifty Shades of Grey

Brettlhart, das bringt einem nur auf der Rennstrecke was. Will man allerdings auf der Landstraße am letzten Zacken unterwegs sein, ist es sicher nicht von Nachteil, wenn Fahrwerk und Federung eher auf der softeren, der smoothen Seite sind. Und auf den Landstraßen, auf denen wir die Alpine bewegten, folgte ein Grauton dem anderen – eben Fifty Shades of Grey.
Wir erinnern uns zurück: Schon bei unserer ersten Begegnung mit der blauen Flunder stellten die Verantwortlichen klar: Die Alpine ist für verkehrsarme Tage auf der Landstraße. Auch, weil ihr bei höherem Tempo ein wenig die Kraft ausgeht. Und auch, weil die Bremsen zwar fein dosierbar sind und schon auch ordentlich zubeißen können, für die Rennstrecke allerdings ein klein wenig zu ungiftig sind. Doch vor allem aber, weil Fahrwerk und Federung auch größere Unebenheiten wegbügeln. Die Alpine bleibt stabil. Und dass es einem nicht jedes Mal die Plomben raushaut und sich der Alltag mit dem Mittelmotor-Sportwagen dadurch recht bequem durchlebt, soll auch kein Nachteil sein. Dazu kommen wir aber noch später.

Publikumsliebling

Es ist ja so, dass Sportwagen gesellschaftlich eher verrufen sind. Wir merken das. Die herablassenden Blicke, die Kopfschüttler, wenn man mit einem solchen unterwegs ist. Schnell wird man als Egoist oder als wahnsinniger Raser abgestempelt. Dass der Neid da hin und wieder auch eine Rolle spielt, möchten wir nicht ausschließen. Ganz anders jedoch waren die Emotionen zur Alpine. Sie verzückte. Kein Grant, keine bösen Blicke – selten wurden wir in einem Automobil öfters angesprochen als in diesem. Und immer positiv, immer ungeheuchelt interessiert.

Aufgewärmt ist nicht nur Gulasch gut

Ein automobiles Comeback ist eine hagliche Gschicht. Ganz besonders, was die Optik angeht. Als Designer muss man einen Wiedererkennungswert schaffen, das Aussehen des Alten ins Moderne übertragen und trotzdem nicht in ein peinliches Retro-Muster verfallen. Bei der Alpine ist das ganz wunderbar gelungen, das Fahrzeug sieht atemberaubend schön aus. Die eleganten Heckleuchten, der Diffusor und der zentrale Auspuff, der zwar ein bisserl auf Supersport macht, der Alpine aber ganz hervorragend steht, sorgen für haufenweise Wasser in unseren Mäulern. Die Front braucht sich mit den ikonischen Leuchten, die einen etwas verrückt anstarren, wahrlich nicht zu verstecken. Ja, die Alpine ist ganz klar als solche zu erkennen. Eingestaubt ist sie trotzdem nicht.

Die Sorgen des Alltags

Aus die Maus, Ende Gelände. Der Sommer verabschiedet sich, der Alltag kehrt wieder ein. Als Stargast hat dieser ein höheres Verkehrsaufkommen mit dabei. Heißt: Mehr Zeit in Staus verbringen. Und generell einfach wieder mehr Fahren. Und wir reden hier nicht vom guten Fahren, von leeren Landstraßen am Dienstagvormittag. Sondern vom Pendeln – doch auch das geht mit der Alpine A110 ganz hervorragend.
Das liegt zum einen am eben erwähnten weicheren Fahrwerk, zum anderen an einem Fahrmodus-Knopf, der ein bisserl Porsche-like am Lenkrad platziert ist. Lässt man von dem nämlich die Finger, bleibt die Alpine zahm. Die Automatik hält die Drehzahlen niedrig und schaltet relativ unmerkbar, aus dem Endrohr trällert die Musik nicht bedeutend lauter (jedoch bedeutend schöner) als aus einem Diesel-Vierzylinder – außer man provoziert es – und das Infotainment-System wartet mit allem auf, was heutzutage so „state of the art“ ist. Und sogar noch viel mehr: Von Kupplungstemperatur, Lenkeinschlag bis zu der zur Schau Stellung der G-Kräfte in einem Diagramm ist alles mit an Bord. Letztere hebt man sich aber lieber für den Weg nach Hause auf, der ja vielleicht doch über die Landstraße führt. Der Hofer nahe der Kalten Kuchl soll ja ein bisserl mehr im Angebot haben als der vor der Haustür.
Apropos Hofer, apropos Einkäufe: Die Alpine A110 bietet zwei Kofferräume, einer vorne (96 Liter), der andere hinten (100 Liter). Für ein Wochenende in den Bergen mit der Liebsten reicht das schon locker aus, für den After-Work-Einkauf sowieso. Wir raten allerdings davon ab, wärmeempfindliche Sachen ins Heck zu stecken. Mittelmotor und so.

Hubraum kann durch nichts ersetzt werden – außer durch fehlendes Gewicht.

Klar, wir werden die Hardcore-Ami-Hubraum-Fans jetzt auch nicht überzeugen können. Wieso sich mit 1,8 Liter Brennraum fortbewegen, wenn man auch mit sechs Litern und acht Töpfen herumfahren kann? Doch bei aller nicht unberechtigter Kritik am Downsizing-Wahn: Manchen Autos fehlt es einfach nicht an Leistung, Zylindern oder Hubraum. Manche Autos sind perfekt, so wie sie dastehen.
Und die Alpine A110 ist so ein Auto. Der 1,8-Liter-Turbomotor aus der Alpine leistet 252 PS, die zur Verfügung gestellten 320 Newtonmeter Drehmoment stehen ab 2.000 Touren an. Selbstverständlich wären das ärmliche Verhältnisse für ein zwei Tonnen schweres SUV – doch für einen flachen, etwa 1.100 Kilogramm schweren Mittelmotorsportwagen? Da sorgen die vier Zylinder für den Paradesprint von 0 auf 100 Stundenkilometer innerhalb von 4,5 Sekunden. Der Porsche Cayman hingegen, der ja durchaus ein direkter Kontrahent ist und dessen Motor 300 PS leistet, was immerhin ganze 20 Prozent mehr Kraft sind, braucht im besten Fall, also mit Sport Chrono Paket, 4,7 Sekunden. Weil er eben bedeutend mehr wiegt.
Dass die Alpine so ein Leichtgewicht ist, hat noch weitere Vorteile. Sie ist extrem leichtfüßig, pickt am Asphalt wie ein eingetretener Kaugummi. Bei der ersten Ausfahrt mussten wir uns erstmal Kurve für Kurve rantasten. Und auch als wir nach der zehnten, elften Kehre diese schon richtig ungehobelt in Angriff nahmen – die Alpine quittiert das mit einem Lächeln. Und überträgt uns dieses freundlicherweise weiter. Dass die Französin so wenig wiegt, hat auch – und das wird den Hardcore-Ami-Hubraum-Fans ziemlich am Allerwertesten vorbei gehen – ökonomische (und damit aber auch finanzielle) Vorteile. 6,1 Liter verbraucht die Alpine offiziell, eine sieben vor dem Komma erreicht man bei gemäßigter Fahrweise problemlos. In zweistellige Sphären vorzurücken gelingt bei forcierter Fahrt aber genauso problemlos.
Übrigens, wenn wir schon über den Motor reden: Im Mégane R.S. leistet das selbe Aggregat 280 PS. Es ist also durchaus möglich – Renault hat da schon ein klein wenig was durchblicken lassen – dass noch eine schärfere Variante des Mittelmotorsportlers den Markt bereichern könnte. Doch selbst wenn nicht: Die Alpine A110 ist wunderbar, genauso wie sie ist.

Maximilian Barcelli

Bei 7.000 Touren beginnt der Spaß für den mehr begeisterten denn begnadeten Autofahrer.

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