Wir kennen es ja selber. Sobald wir ins Auto einsteigen, interessiert uns die Welt, die wir durch die Scheiben sehen, ein Stück weniger. Überhaupt nicht böse gemeint. Ein Auto hat vier Räder, die die Insassen praktisch überall hinbringen, es hat ein Dach, dass alle vor dem Klima schützt und es macht, was man will.
Text: Rainer Behounek
Beim letzten Auto Psychologie Thema haben wir uns der Frage gewidmet, warum Drängeln so störend ist, heute blicken wir tief ins Fahrzeug, oder besser aus ihm heraus.
Wir sinken in die eigenen Sitze hinein, starten das Auto, fühlen das Lenkrad, greifen instinktiv zu Radio, Zigarettenanzünder, Ladekabel. Der Raum „Auto“ ist für uns wie eine zweite Haut. Natürlich ändern sich die Parameter, wenn man es eilig hat oder wie in manchen Betrieben ständig die Fahrzeuge wechselt. Aber das erste Mal am Morgen ins eigene Auto einsteigen, das hat etwas Erdendes. Warum also ist uns die Außenwelt bei den Entscheidungen, die wir im Auto treffen, oftmals egal?
Das liegt an ein paar grundlegenden Faktoren. Punkt eins: Man sieht den Fahrer im anderen Fahrzeug (fast) nicht.
Zu einem Großteil funktioniert unsere Kommunikation über die Körpersprache. Haltung, Hände, Füße und der Gesichtsausdruck sind Emotionsboten, die, weit bevor der Gegenüber zu sprechen beginnt, Signale senden. Im Fahrzeug sehen wir den Körper bis auf den Kopf (und den nicht richtig) nicht. Trifft jemand im Auto vor oder hinter uns eine Entscheidung, wissen wir nicht, ob er sie absichtlich oder aus Versehen getroffen hat.Wir wissen auch nicht, welche Beweggründe hinter dem Manöver stehen, ob eine Geburt ansteht, zuhause eingebrochen wurde, das Flugzeug nicht wartet und und und. Wir sehen den unpersönlichen Kokon Auto, sein Verhalten und interpretieren für uns in der Situation günstige Muster hinein, was verständlich ist: Ein von unserer Sicht aus negatives Verhalten kann keinen unschuldigen Ursprung haben.
… Warum also ist uns die Außenwelt bei den Entscheidungen, die wir im Auto treffen, oftmals egal? …
Auf dem Gehweg oder im Park, kurz da, wo man sich Aug‘ in Aug‘ gegenüber steht, sieht man anhand des Körpers sofort, was los ist. Wenn jemand vor uns geht, kurz hadert und dann im scharfen Bogen kehrt macht, sehen wir vom ersten Moment an, dass ihr/ihm etwas eingefallen ist oder etwas vergessen wurde. Haltung, Blick, Gestik signalisieren uns, dass ein Fast-niederrempeln nicht böse gemeint ist, zusätzlich dazu können wir uns darauf vorbereiten und nötigenfalls ausweichen.
Ein weiterer Punkt, der den Kokon Auto für viele gefährlich macht ist das gesteigerte Sicherheitsgefühl, das man im Fahrzeuginneren verspürt.
Wir dehnen den Kokon Auto so, wie wir ihn brauchen und das funktioniert nur deshalb, weil uns der Metall/Glas-Körper vermeintlich schützt. In ihm fühlen wir uns sicher und je größer, schwerer und schneller das Auto ist, desto sicherer und überlegenerer fühlen wir uns. Wir denken, es schützt uns vor allem und jedem, solange wir drin sitzen.
Mit dem Hochgefühl tendieren wir dazu, mit zweierlei Maß zu messen. Ein Verhalten, das uns bei anderen aufregt, wird im selben Moment von uns geduldet, wenn wir der Schuldige sind, weil wir zu relativieren beginnen. Den Satz „Geh bitteeee, regt’s euch doch nicht auf!“ haben wir alle schon mal gesagt.
Beim nächsten Mal denken Sie daran, dass es dem anderen Verkehrsteilnehmer genauso geht wie Ihnen, sehen können Sie nur aus dem Auto, aber hinein ist schwierig… genau, wie es gerne haben!