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Bentley Flying Spur: Luxusüberflieger

Luxusüberflieger

Der neue Bentley Flying Spur

Es hat zwar ein bisschen gedauert, doch jetzt ist es endlich so weit: Nach mehr als einem Jahrzehnt bringt Bentley einen neuen Flying Spur und will den vornehmen Vetter von Audi A8 und Porsche Panamera zu nichts weniger machen als der besten Limousine der Welt. Geschickt in die Lücke zwischen den Top-Versionen von S-Klasse und Siebener auf der einen und dem Rolls-Royce Ghost auf der anderen Seite, geht der neue Viertürer pünktlich zum 100. Geburtstag der Marke zum Jahresende in den Handel und selbst wenn Bentley noch keine Preise nennt, dürften 200.000 Euro eine gute Schätzgröße sein.

Von Thomas Geiger
Auf dem Weg an die Spitze des Segments setzen die Briten zuallererst einmal auf die gewohnt protzige Präsenz ihres Designs. Der Flying Spur hat deshalb nicht nur ein imposantes Format und misst trotz der kürzeren Überhänge dank seines gestreckten Radstandes stolze 5,30 Meter. Sondern vor allem trägt er ein Gesicht, das mit dem riesigen Kühlergrill und den von Kristallgläsern inspirierten Scheinwerfern nur so nach Aufmerksamkeit schreit.
Innen geht es da schon deutlich stilvoller zu – in einer Mischung aus Tradition und Technologie, wie man sie so nur bei Bentley findet. Denn auf der einen Seite gibt es digitale Instrumente, Online-Infotainment, ein Head-Up-Display, Infrarot-Kameras und ein eigenes, mit dem Bordsystem vernetztes Tablet für die Hinterbänkler. Und auf der anderen Seite gibt es Lack und Leder satt, die vielleicht aufwändigsten Ziernähte, ziselierte Metallrähmchen mit über 2.000 individuell errechneten Diamant-Mustern und erstmals sogar Konsolen mit 3D-Holz oder Naturstein. Kein Bauteil verdeutlicht dieses Wechselspiel besser als das „Rotating Display“, das sich wie eine riesige Toblerone auf Knopfdruck im Cockpit dreht: Mal zeigt es einen brillanten Touchscreen, mal analoge Uhren und mal nur eine schicke Holzvertäfelung.
Wo der Flying Spur in der ersten Reihe noch stark an den Continental GT erinnert, können die Hinterbänkler in der Limousine endlich aufatmen. Denn statt der nobelsten Notsitze der Welt bietet der Flying Spur bei 3,20 Metern Radstand neben dem aristokratischen Ambiente auch reichlich Kniefreiheit. Allerdings gibt es dort zumindest bislang nur eine konventionelle Sitzbank und keine Loungeliegen wie in den Langversionen der Konkurrenz.
Während Bentley da noch ein bisschen Nachholbedarf hat, ist der Flying Spur beim Antrieb einmal mehr der Überflieger im Segment. Schließlich steckt unter der langen Haube wieder der sechs Liter große W12-Motor, der genau wie im Bentayga Speed auf 635 PS und 900 Nm kommt. Damit lässt er sich selbst von 2,5 Tonnen nicht beeindrucken, wuchtet den Luxusliner in 3,8 Sekunden auf Tempo 100 und schafft bei Vollgas 333 km/h. Dann sieht man nicht nur S-Klasse & Co im Rückspiegel, sondern lässt auch manch einen reinrassigen Sportwagen hinter sich.
Anders als der Vorgänger soll der neue Flying Spur diesmal aber auch jenseits der Geraden schnell und vor allem handlich sein. Dafür bekommt er neben einer besonders reaktionsschnellen Dreikammer-Luftfederung für eine wahlweise extrem straffe oder betont lässige Anbindung und einem von 48-Volt-Stellern justierten Fahrwerk zum ersten Mal in der Bentley-Geschichte auch eine Allradlenkung, die ihn virtuell unter fünf Meter schrumpfen lässt.
Zumindest bis Mercedes im nächsten Jahr eine neue Generation der S-Klasse und mit ihr auch wieder einen Maybach bringt, fährt Bentley mit dem Flying Spur tatsächlich an der Spitze des Segments und zum Rolls-Royce Ghost fehlt, wenn überhaupt, dann nicht mehr viel. Allerdings haben sich die Briten dafür auch reichlich Zeit gelassen. Dass der Vorgänger beinahe biblische 14 Jahre gelaufen ist, liegt jedoch nicht allein an den eher kleinen Stückzahlen und der zuletzt arg schwierigen Finanzlage der britischen VW-Tochter. Sondern es liegt auch an der Liebe zum Detail, über die sie in Crewe bisweilen ein wenig die Zeit vergessen. Das beste Beispiel dafür ist das „Flying B“, das von innen beleuchtet und elektrisch versenkbar nun als freundlicher Gruß an die Spirit of Ecstasy von Rolls-Royce über dem wuchtigen Kühler thront. „Denn allein daran haben wir zwei Jahre klang gezeichnet und entwickelt“, räumt Designchef Stefan Sielaff ein. Ein schlechtes Gewissen hat er dafür allerdings nicht, erst recht nicht, wenn er diese Kühlerfigur als Geburtstagsgeschenk von Bentley für Bentley verkauft: „Den Hundertsten feiert man schließlich nicht alle Tage.“

Jakob Stantejsky

Freut sich immer, wenn ein Auto ein bisserl anders ist. Lieber zu viel Pfeffer als geschmacklos.

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