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BMW 118i: Geht quer wirklich mehr?

Der Heckantrieb: einzigartig im Segment. Die längs eingebauten Motoren: außergewöhnlich für diese Fahrzeuglänge. Der Reihensechser: seinen vierzylindrigen Konkurrenten trotz ähnlicher Leistungsklasse in allen Belangen überlegen. Doch seit der Einführung der neuen, dritten BMW 1er-Generation finden sich diese Alleinstellungsmerkmale nur noch in den Geschichtsbüchern, nicht mehr am Auto.

Text: Maximilian Barcelli

Dem Puristen blutet das Herz, den Pragmatiker freuts. Denn mit der neuen Frontantriebsplattform und den nun quer eingebauten Motoren schaffen die Münchner mehr Platz im Innenraum – obwohl der 1er sogar etwas kürzer geworden ist. Außerdem wird BMW nicht müde zu betonen, dass der kleinste Bayer weiterhin ein fahrdynamisches Highlight im Kompaktsegment bleibt. Nur leere Versprechungen oder bleibt der 1er auch mit Frontantrieb und Vierzylinder (respektive Dreizylinder) der Spaßmacher, der er immer war?

Quer geht mehr, heißt’s ja immer. Gilt das auch für die Einbaulauge des Motors? Im Bild: Der Vierzylinder des M135i xDrive.

Fest steht jetzt schon: Das scharfe Design, das er immer hatte, hat er nun nicht mehr. Nicht falsch verstehen: Bis auf die wieder einmal zu groß geratene Doppelniere sieht die neue 1er Generation F40 gut aus. Sehr bullig und stramm. Die Heckleuchten ziehen den Hintern schön in die Breite, geschickt eingesetzte Sicken im Blech sorgen für ein muskulöses Auftreten und die LEDs an der Front für einen grimmigen Blick. Doch die Proportionen sind in ihrer Gesamtheit nicht mehr ganz so stimmig wie beim Alten. Die vorangegangenen Generationen betörten mit der langgestreckten Motorhaube, der verhältnismäßig kleinen Fahrgastkabine und dem radikal abfallenden Heck. Jetzt erinnert der 1er vom einen oder anderen Winkel an den X1 oder 2er Tourer. Beides schöne Autos, keine Frage, aber optisch nicht ganz so messerscharfe Rasierklingen wie der alte 1er.

Die Doppelniere eskaliert nicht ganz so wie beim 7er, ist aber trotzdem zu groß.

Im Innenraum kommt der sportliche Anspruch schon besser zur Geltung. Auf Wunsch nimmt man auf hochwertigem Alcantara-Gestühl Platz, das einem zwar nicht in Schraubstock-Manier grob den Hüftspeck rausfiltert, aber mehr als ausreichend Seitenhalt bietet. Viel Leder, wenig Plastik, tadellose Verarbeitung – hier trennt sich die Spreu vom Weizen, hier kristallisiert sich heraus, warum der 1er eben Premium-Kompaktklasse und nicht nur Kompaktklasse ist. Natürlich ist man auch in Sachen Digitalisierung auf Höhe der Zeit – moderne Sprachsteuerung, großer Touchscreen, digitale Armaturen, alles natürlich in gestochen scharfer Qualität; im neuen 1er vermisst man nichts. Allerdings wird die Digitalisierung nicht ganz so radikal zur Schau gestellt wie in einer Mercedes A-Klasse. Im Vergleich zu einer solchen wirkt der Münchner auch Fahrer-fokussierter, die Mittelkonsole ist ihm zugewandt und das Interieur ist grundsätzlich unaufgeregter, klassischer designt.

Zwischenfazit: Das Exterieur hat durch die neuen Proportionen etwas an Schärfe verloren, hübsch bleibt der 1er aber allemal. Das Interieur ist bestens verarbeitet, mit allerlei hochwertigen Materialien ausgestattet und verdient es sich dem Premiumsegment zugeschrieben zu werden. Das alles ist aber völlig irrelevant, wenn der kleinste Münchner nicht dort abliefert, wo’s wirklich wichtig ist – und zwar auf der Straße.

Wir nehmen vorweg: das tut er. Trotz kleinem, dreizylindrigen 1,5-Liter-Motor und trotz bereits im September montierte Winterreifen (und das ist ein wirklich riesiges Trotz) fühlt sich der 1er sehr direkt an. Die Lenkung setzt jeden noch so kleinen Befehl unbeirrt um, anderweitige Kräfte zerren kaum an dieser. Auch ohne Allradantrieb pickt das Auto souverän auf dem Asphalt und überhaupt fühlt man sich sehr mit dem Wagen verbunden. Klar, irgendwann geht den Winterpatscherln der Grip aus, aber bis dorthin ist es ein langer, langer Weg. Im Grenzbereich regelt die Elektronik so feinfühlig und flott und gibt einem das Gefühl, das eh noch mehr geht. Der 140 PS starke Dreizylinder ist akustisch kaum als solcher identifizierbar. Auch nicht in Sachen Vortrieb nicht: In 8,5 Sekunden spurtet der 118i von 0 auf 100 km/h. Gefühlt geht das sogar noch schneller, erst ab Landstraßentempo müht sich das kleine Triebwerk dann etwas mehr ab.

Die Heckleuchten ziehen den Hintern schön in die Breite. Im Bild, unschwer zu erkennen: Ein 118d.

Dagegen gibt es aber eine Lösung. Mit dem M135i xDrive bieten die Münchner auch noch einen 306 PS starken Vierzylinder an – übrigens exakt soviel Leistung, wie sie der Viertöpfer im AMG A 35 4Matic erwirtschaftet. Die Konkurrenzfrage ist somit geklärt. Zurück aber zum Basismodell 118i, das finanzbedingt wohl öfter verkauft wird. Selbstredlich kommen die 140 Pferdchen früher oder eher später an ihr Limit, mehr aber beeindruckt die Querbeschleunigung der Fuhre. Der BMW 1er ist wohl der direkteste, kurvengierigste Vertreter der Kompaktklasse (neben dem Ford Focus). Zaubern können sie in München aber auch nicht: So süchtig wie der Hecktriebler macht der Neue nicht. Für sich genommen ist die dritte 1er-Generation ein sehr gelungenes Auto (und teures; der bei 31.339 Euro dotierte 118i hatte zusätzlich rund 20.000 Euro teure Extras verbaut), doch seine Historie belastet – zumindest uns Puristen.

Ein fabelhafter Kompromiss zwischen Seitenhalt und Komfort.

Mehr Komfort gegen Fahrspaß – ein Deal, dem man von vielen Marken erwartet hätte, nicht aber von BMW. Nun gut, was soll’s. Sie wissen ja, was sie tun, die Bayern. Sie wissen, dass der Großteil der 1er Kunden den Kompakten nicht deshalb wählte, weil die Hinterachse angetrieben wird. Und sie wissen, dass sich der Großteil der 1er Kunden vor allem eines wünscht: mehr Platz. Für den Kleinteil der 1er Kunden, dem Teil, der komfortables Ein- und Aussteigen ohne mit der Wimper zu zucken gegen Seitenhalt durch ungemütliche Schalensitze tauscht, dem Teil, der lieber selbst am Schalthebel reißt und der weniger Sicherheit im Winter sofort für Hinterradantrieb in Kauf nimmt, kurzum; dem kleinen Teil der 1er-Klientel, der die Freude am Fahren als höchstes Gut erachtet, für den hat Alfa Romeo bald was Spannendes im Angebot: Die nächste Giulietta kommt mit Hinterradantrieb. Und längs eingebauten Motoren.

Übrigens: Einen 3er-Kombi haben wir auch bewegt. Der fährt sich grundsätzlich nicht anders als die Limousine (also großartig), von der es schon einen Test gibt. Hier geht’s zum Artikel.

Maximilian Barcelli

Bei 7.000 Touren beginnt der Spaß für den mehr begeisterten denn begnadeten Autofahrer.

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