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BMW X6: Premium-Provokation

Nimm dies, Greta! Wenn BMW im November den neuen X6 an den Start bringt, ist das ein Schlag ins Gesicht aller Klimaschützer und Kompromisssucher. Denn so prominent die Bayern mit ihren Plug-in-Hybriden und den geplanten e-Autos auf der Grünen Welle reiten, kehren sie bei diesem Auto den Buhmann heraus und sind auch noch stolz darauf: Wir wollten den X6 in seiner dritten Auflage wieder so provozierend gestalten wie 2018, als wir das Segment der SUV-Coupés erfunden haben, lautet deshalb die Parole aus dem Produktmanagement.

Von Thomas Geiger

Wo sich die allermeisten anderen SUV um einen halbwegs soziallverträglichen Auftritt bemühen, lässt der X6 deshalb die Muskeln spielen und provoziert ganz bewusst: Die Front ist breiter denn je, das Dach ist flacher und das Heck schräger. Und als wäre die riesige Niere nicht schon auffällig genug, gibt es die nun zum ersten Mal sogar mit Beleuchtung. Die Nähe zum X5 beschränkt sich dabei zumindest äußerlich allein auf die Motorhaube und die Scheinwerfer, alles andere Teile der Karosserie haben die Bayern für den ebenso frechen wie fiesen Auftritt – und einen Aufpreis von immerhin 3.500 Euro – gründlich modifiziert: So wird der X6 zum Stinkefinger im Samthandschuh und hat für alle anderen nur eine Botschaft: „Ich stehe über den Dingen und was ihr von mir denkt, interessiert mich nicht im Geringsten.“ Dass der X6 dabei auch noch einmal etwas größer wird, sich in der Länge um drei Zentimeter auf 4,94 Meter streckt, in der Breite zum ersten Mal die Zwei-Meter-Marke knackt und Proportionen mit dem um vier Zentimeter auf 2,98 Meter gestreckten Radstand etwas knackiger wirken, verkommt da fast zur Nebensache. Genauso wie die neuen Platzverhältnisse: Immerhin kann man jetzt im Fond deutlich bequemer sitzen und der Kofferraum fasst nun schon mit aufrechter Rückbank 580 Liter.

So deutlich sich der X6 außen vom Rest der Truppe emanzipiert, so nah ist er X5 & Co im Innenraum: Auch das SUV-Coupé bekommt die nächste Generation des digitalen Cockpits mit Sprach- und Gestensteuerung und einem elektronischen Beifahrer als Concierge, er kann mit Duftorgel und einem mit 15.000 beleuchteten Grafikelementen verzierten Glasdach ausgestattet werden, bietet Massagesitze und vier eigene Klimazonen und hat jetzt sogar Becherhalter mit eigener Thermoregelung. Nur das Design von Tür- und Mittelkonsolen ist etwas anderes gestaltet und suggeriert mit stabilen Griffen eine gewisse Sportlichkeit.

Auch unter der Haube und beim Fahrwerk bedient sich der X6 aus dem bekannten Baukasten. So gibt es, wie bei den anderen Modellen für Deutschland, den Drei-Liter-Diesel im X6 30d mit 265 PS oder im M50d mit 400 PS sowie einen Reihensechszylinder-Benziner mit 340 PS im 40i oder den 4,4 Liter großen V8 mit seinen 530 PS im M50i. Außer dem Einstiegsdiesel, der sich mit 230 km/h begnügen muss, schaffen alle Motoren 250 km/h und sind beim Generationswechsel obendrein ein bisschen sparsamer geworden, so dass der X6 nun mit Normwerten von 6,1 bis 10,7 Litern in der Liste steht.

Eine deutliche Aufwertung gab es auch fürs Fahrwerk. Denn der X6 bekommt nicht nur die mittlerweile fast schon obligatorische Hinterachslenkung, eine Wankstabilisierung und zusammen mit der Progressiv-Lenkung ein elektronisch geregeltes Differential an der Hinterachse. Sondern außerdem werden wie beim X5 auf Wunsch beide Achsen mit Luft gefedert. Das hebt den X6 nicht nur auf ein anderes Komfortniveau, sondern verschafft den Entwicklern mit insgesamt acht Zentimetern Verstellweg noch ganz andere Möglichkeiten – vom Kniefall, um das Einsteigen zu erleichtern, bis hin zur Erhöhung der Bodenfreiheit im Gelände – und natürlich für eine betont sportliche Abstimmung. Denn so entspannt und gelassen man mit der Wuchtbrumme auch cruisen kann, ist der vorlaute Kraftprotz immer nur einen Gasstoß entfernt. Sobald man den Fuß deshalb etwas stärker durchstreckt, wird der X6 zum Sportwagen auf Stelzen, liegt merklich steifer und satter auf der Straße als der X5 und geht entsprechend schärfer ums Eck.

Aber das alles ist eigentlich nur das Vorspiel, selbst wenn insbesondere der M50d bereits ziemlich nahe an der Erfüllung fährt. Denn die einzig wirklich passende Modellvariante lässt noch ein paar Wochen auf sich warten: Dann kommt der X6 auch wieder als M, trägt außen noch dicker auf und hat unter der Haube einen auf bis zu 625 PS getunten V8-Motor. Politisch völlig inkorrekt, fährt er damit sogar maximal 290 km/h. In jedem anderen Auto würde man sich für so einen Motor angesichts der aktuellen Stimmungslage schämen, doch im X6 kann man ihn dafür um so mehr genießen. Denn ist der Ruf erst ruiniert, rast es sich ganz ungeniert.

Jakob Stantejsky

Freut sich immer, wenn ein Auto ein bisserl anders ist. Lieber zu viel Pfeffer als geschmacklos.

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