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Das S steht für Sport

Jeweils sechs Zylinder und exakt 510 PS. Allradantrieb und acht Gänge. Außerdem werden Ihre Kinder Sie hassen und der Tankwart Sie lieben. Zwei Autos, die viele Gemeinsamkeiten teilen. Und trotzdem sind ihre Charaktere komplett unterschiedlich. Der ­WIENER verrät, welcher Klimakiller besser zu Ihrer narzisstischen Persönlichkeit passt!

Text: Maximilian Barcelli, Jakob Stantejsky, Fotos: Eryk Kepski

Wer zu viel grübelt, erleidet eher eine Depression. Meinen zumindest allerlei Studien. Also hören Sie auf, darüber nachzudenken, ob es wirklich Sinn macht, ein Auto höher und komfortabler zu gestalten, nur um es dann im nächsten Schritt wieder tiefer und sport­licher auszulegen. Steigen Sie einfach ein. Treten Sie das Gaspedal durch. Und lassen Sie sich Ihr ­Gehirn so gewaltig gegen das Os occipitale katapultieren, das es für einen Moment den auf der Rückbank sitzenden, gerade von der Klimademo kommenden Nachwuchs vergisst, der sich darüber echauffiert, dass es kein Nissan ­Leaf geworden ist. Zumindest wollte er das, nur ist ihm die Luft zum Atmen und Echauffieren gerade ausgegangen. Willkommen im Alfa Romeo Stelvio Quadrifoglio. Und willkommen im BMW X3 M Competition! Absurd beschleunigen können nämlich beide. Sollten Sie allerdings keine 241.243 Euro auf der hohen Kante haben (so viel kosten die zwei zusammen, jeweils in der Basis versteht sich), muss zugunsten eines Power-SUVs eine Wahl gefällt werden. Denn nur ­eine kann Germany’s oder Italy’s Next Topmodel werden. Wir geben da eine kleine Entscheidungshilfe, versuchen, quasi in die High-Heels-­Stapfen von Heidi Klum zu treten. Und falls Sie sich so wie wir weder das eine noch das andere Gefährt leisten können, bieten die nächsten Seiten immerhin viel Platz zur Träumerei. Oder sollten Sie zur FFF-Fraktion gehören: zur Albträumerei.

Worauf also achtet der Otto Normalverbraucher, der sich ein Auto um einen sechsstelligen ­Betrag anschafft, aber nicht weiß, welches? Laut einer Mobilitäts­studie von 2019 sind Umwelt­eigenschaften und Verbrauch für 91 Prozent ein wichtiger Kaufaspekt. Damit landet dieses Kriterium auf Platz drei, gleich hinter dem Anschaffungspreis (ups!). Es wird außerdem kein Zufall sein, dass es ausgerechnet Otto NormalVERBRAUCHER heißt. Also: Während sich der BMW X3 M offiziell 10,5 Liter genehmigt (ups!), genügen dem Alfa Romeo Stelvio Quadrifoglio schon 9,8 Liter (ups!) pro 100 Kilometer. Sollte man also zum heißblütigen Italiener greifen? Der Umwelt zuliebe? Ein deutliches Nein kommt da vom Innenraum.

Denn all der italienische Charme, den der FCA-Sprössling in seinem Interieur versprüht, erinnert eher an Fiat denn Ferrari. Vielleicht nicht auf den ersten Blick, wenn man noch über die vielen Karbon-Applikationen und roten Ziernähte staunt. Aber spätestens beim zweiten Hinschauen fallen viele Plastikoberflächen, mittelmäßig verarbeitete Schalter und generell ein chaotischer Materialmix unangenehm ins Auge. Im Alfa Romeo Stelvio Quadrifoglio stecken Leder, Alcantara, Karbon und Plastik allein schon im recht dürren Lenkrad. Das ist weniger cool und abwechslungsreich, als es zusammengestöpselt wirkt. Fast so, als hätte man die übriggebliebenen Schnipsel der Ferrari-Produktion verwertet. Und das gilt leider für das gesamte Cockpit. Der Infotainmentscreen hat einem Fiat Tipo nicht besonders viel voraus (was sich beim kürzlich erfolgten Stelvio-Facelift wohl geändert haben dürfte), die Bedienlandschaft sollte eindeutig aufgewertet werden, jedoch verkommt auch das zum Stückwerk. Auch bei den großteils analogen In­strumenten sorgt weniger ein extravagantes Design für Hochgefühle, diese Aufgabe bleibt dem umso rasanteren Wirbeln der Tachonadeln vorbehalten.

Die Anzeigen hinter dem Lenkrad sind lange nicht so digital durchdesignt und wandelbar wie im BMW X3 M Competition. Der bietet in bester Münchner Manier natürlich einen fetten Lederpolster als Lenkradkranz – auch nicht ­jedermanns Sache, aber definitiv wertiger als Alfas Lösung. Das trifft auch auf den Rest des Interieurs zu, aber die ganz gewaltige Welle an Adrenalin löst auch der Innenraum des X3 M Competition nicht aus. Zu sehr gleicht er dem eines jeden anderen BMWs, abgesehen von den roten M-Schaltern am Lenkrad und dem Sport-Automatikwählhebel. Die große sportliche Emotion kommt hier nicht auf, dafür ist allerdings jedes Fitzelchen vom Feinsten. Wo der Stelvio Quadrifoglio als roher, etwas unausgewogener Racer auftritt, zeigt sich der X3 M Competition eher als Luxuswalze mit Extremsportansprüchen. Und in Letzterer lebt es sich einfach schöner.

Doch kommen wir zu dem, was wirklich zählt: Nämlich, wie man von außen in den brutalistischen SUVs aussieht. Hier geht der Sieg nach Punkten zweifellos und eindeutig an den Alfa, dessen feuriges Design eine Gefahr für die Nackenmuskulatur aller glotzenden, sich verrenkenden Passanten darstellt. Der stechend scharfe Blick lässt die Knie weich werden, die verführerisch geschwungenen Flanken stellen die Willenskraft des Beobachters auf eine harte Probe, und das Hinterteil mit den beiden leicht schräg stehenden Doppelendrohren bricht selbst den hartgesottensten Asketen. Die genialen Kleeblattfelgen benetzen den feuchten Traum noch weiter. Der BMW X3 M Competition hingegen … ist halt ein BMW X3, verziert mit den üblichen M-Insignien und -Anbauten. Schaut knackig aus, keine Frage. Aber von der ­Naturgeilheit des Stelvio Quadrifoglio ist er so weit entfernt wie Rammstein vom Neujahrskonzert.

Und das gilt nicht nur fürs Design. Klar schiebt auch der BMW X3 M Competition absurd nach vorne. Wenn der Marschbefehl an den drei Liter großen Reihensechszylinder, der von zwei Turbos befeuert wird, gegeben wird, wuchtet sich das Power-SUV in nur 4,1 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Dazu serviert die M GmbH einen heckbetonten Allradantrieb sowie ein Hinterachs-Differential. Das Ergebnis: Der Hintern ist so verspielt wie ein aufgeregter, 510 PS starker Welpe, den Sie hobbymäßig quälen, weil Sie ja ein SUV fahren und folglich ein schlechter Mensch sein müssen.
Trotzdem: Was der Alfa abliefert – Mamma Mia! Familie und Freunde? Nächstenliebe und Gesundheit? Den Stelvio Quadrifoglio von 0 auf 100 km/h und gerne darüber hinaus durchladen – das ist pures Glück! Dabei geht es gar nicht um die drei Zehntel, die er dem Münchner beim Paradesprint am Papier abnimmt. Und genauso wenig geht es um die famosen 7:51,7 Minuten, in denen der Alfa die Nordschleife bezwang. Vielmehr schärft dieses Auto seine Persönlichkeit über den unfassbaren Fahrspaß, den es generiert. Über dieses hochemotionale, leidenschaftliche Fahrerlebnis.

Wenn etwa bei Volllast der nächste Gang mit den hochwertigen Aluminium-Paddles angeordnet wird, die so groß wie die Ohren des Bundeskanzlers sind, schnalzt die Automatik diesen mit der Wuchtigkeit einer Klitschko-Rechten rein. Dazu tönt es so betörend aus den Auspuffen, Pavarotti wäre vor Neid erblasst. Hochschalten wird mit einem Feuerwerk aus den Endrohren quittiert, so als würde es diese in tausend Einzelteile ­zerfetzen. Und wir waren eben nur am Beschleunigungsstreifen! ­Spätestens auf der kurvigen Landstraße, wenn die Lenkung ihre Phil Taylor’sche Präzision, die Bremsen ihre Bissig-, der Allradantrieb ­seine Hecklastigkeit und der Motor seine unmittelbare Gasannahme ausspielen, verfällt man dieser italienischen Schönheit vollends. Es ist ein bissel wie Ferrarifahren – nur eben ein Stockwerk höher. Was eigentlich nicht wundern sollte: Der 2,9-Liter-V6 wird schließlich vom V8 aus Maranello abgeleitet. Weshalb auch die Zylinderbänke im ungewöhnlichen 90-Grad-Winkel zueinander stehen – mitunter ein Grund, warum dieses Triebwerk so charakteristisch klingt.
Komplett vergessen macht das den verbesserungsdürftigen Innenraum aber nicht. Letztendlich müssen Sie selbst entscheiden, wo Ihre Prioritäten liegen. Der BMW X3 M Competition ist ohne Frage der bessere Daily Driver. Der Alfa kann im Alltag nerven, dafür ist das Fahrerlebnis unglaublich intensiv, der Motor eine Wucht, und der Sound zaubert Kindern ein Lächeln ins Gesicht – wenn auch nicht Ihren eigenen. Kurz gesagt: Der Alfa Romeo Stelvio Quadrifoglio schürt das Feuer der Leidenschaft stärker, doch der BMW X3 M Competition wird Sie seltener zur Weißglut bringen.

Alfa Romeo Stelvio Quadrifoglio
Hubraum: 2.891 ccm
Leistung: 510 PS
Verbrauch: 9,8 Liter
Drehmoment: 600 NM / 2.500 U/min
Beschleunigung: 0–100: 3,8 s
Spitze: 283 km/h
Gewicht: 1.830 kg
Preis: ab 118.700 Euro

BMW X3 M Competition
Hubraum: 2993 ccm
Leistung: 510 PS
Verbrauch: 10,5 Liter
Drehmoment: 600 NM / 2600 U/min
Beschleunigung: 0–100: 4,1 s
Spitze: 285 km/h
Gewicht: 1.970 kg
Preis: ab 122.543 Euro
(inkl. Competition-Paket)

Jakob Stantejsky

Freut sich immer, wenn ein Auto ein bisserl anders ist. Lieber zu viel Pfeffer als geschmacklos.

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