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Dubai Motorshow – Märchen aus 1001 PS

Motorblock schlendert durch die Dubai Motorshow

Nirgendwo auf der Welt werden bezogen auf Fläche und Fuhrpark mehr Luxuslimousinen und Supersportwagen verkauft als in den Arabischen Emiraten. Denn die Krise, die auch die Golfregion erfasst hatte, ist offensichtlich vorbei, wie auch die diesjährige Dubai Motorshow beweist.

Text: Thomas Geiger
Während andere Automessen zumindest einen Hauch von Vernunft wahren, wird hier geprotzt und geprahlt, was das Zeug hält: Tiefflieger mit hunderten von PS, Prunkschiffe in Lack und Leder und Kolosse fürs Gelände machen den kleinen aber feinen Branchengipfel zu einem Spielzeugladen für Scheichs und andere große Jungs.

Dass das Gold für die Automobilindustrie in Dubai buchstäblich auf der Straße liegt, zeigt niemand besser als der Mercedes-Veredler Brabus, der eigens für die Messe eine umgerüstete S-Klasse in Desert Gold lackiert – und schon am ersten Tag verkauft hat. Zwei Millionen Dirham teuer, 900 PS stark, 350 km/h schnell und erst einmal ein Einzelexemplar, wird dieses Goldstück demnächst eine wohl klimatisierte Garage schmücken.
Was bei uns als Geschmacksverirrung durchgehen würde, steht bei den Scheichs ganz hoch im Kurs. Deshalb ist der Luxusliner aus dem Kohlenpott sogar noch eines der dezenteren Ausstellungsstücke. Selbst Rolls-Royce lackiert den Ghost in einer Gold-Edition mit glänzender Haube zum dunkelgrünen Rest oder kombiniert beim Phantom Ocker und Gold, der Bentley Bentayga passt mit seinem Bronzeton perfekt ins Farbschema und was die Tuner so an Glitzerkram auffahren, geht auf keine Disco-Kugel.

Die augenscheinlich schrillste Neuheit kommt aber aus Moskau. Denn dort baut Kirill Bilenkin auf Basis des Vierer BMW Retro-Modelle, die kitschiger kaum sein könnten. „Statt Oldtimer zu modernisieren, patinieren wir Neuwagen“, sagt der Firmenchef und lässt sich in ein Cockpit fallen, in dem es von Gold und Diamanten nur so funkelt, in dem der Schaltknauf aus Bleikristall ist und in den Türen von Hand gravierte Rachglaskonsolen schimmern. Nicht schön – aber selten. Und mit 300.000 Dollar alles andere als ein Schnäppchen.

… Was bei uns als Geschmacksverirrung durchgehen würde, steht bei den Scheichs ganz hoch im Kurs …





Während Bilenkin zurück schaut, hat Ralph Debbas nur Augen für die Zukunft. Er ist Chef von W Motors und als Vollgas-Revolutionär angetreten, den Ausländern mal zu zeigen, wo in den Emiraten der Hammer hängt. Weil er die ewigen PS-Importe leid war, hat er seinen eigenen Supersportwagen entwickelt. Und nachdem er alle sieben Exemplare des 751 PS starken Lykan für jeweils 3,4 Millionen Dollar verkauft hat, macht er jetzt den nächsten Schritt und legt den kleinen Bruder Fenyr auf. Ohne Diamanten im Scheinwerfer und all den anderen Schi Schi nur noch 1,8 Millionen Dollar teuer aber dafür sogar 900 PS stark, will er kein Pretiose mehr für Sammler sein, sondern ein Sportwagen, den man vor allem zum Fahren kauft. Und weil er ein bisschen erschwinglicher ist, soll es auch gleich 25 Exemplare im Jahr geben.

Das ist aber nicht alles. Sondern nächstes Jahr will er auch einen Geländewagen bringen. Mit über 800 PS und mehr als 300 km/h soll sein Wüstenschiff das stärkste und schnellste SUV aller Zeiten werden. Dass nebenan der Bentayga steht und für sich den gleichen Superlativ anstrebt, ficht Debbas nicht an: „Sollen die Engländer nur reden“, sagt er mit einer abschätzigen Handbewegung. „In einem Jahr werden wir ja sehen, wer hier das Sagen hat.“ Anders als Lykan und Fenyr wird der Geländewagen dabei sogar ein halbwegs bürgerliches Auto und soll gerade einmal 300.000 Dollar kosten. Trotzem will Debbas davon nur 100 Exemplare im Jahr verkaufen.

Jad Elias kann darüber nur lachen: Er ist Land Rover-Chef beim Importeur Al Tayer und braucht für so viele Aufträge kaum zwei Wochen – und zwar nur für den Range Rover: „Wir sind der größte Range Rover-Händler der Welt“, sagt Elias ohne falsche Bescheidenheit. Konkrete Zahlen mag er zwar nicht nennen, weil Al Tayer ein privates Familienunternehmen ist. „Aber allein von Range Rover und Range Rover Sport verkaufen wir hunderte im Monat“.

Weil es bei den Kollegen von Mercedes für die G-Klasse, bei BMW für den X5 und bei den Japanern für ihre Geländewagen nicht anders läuft, ist der SUV-Anteil auf deden Straßen von Dubai wahrscheinlich höher als irgendwo sonst auf der Welt. „$0 Prozent der Neuzulassungen entfallen auf Geländewagen“, sagt Nick Waller, der Marketingchef der Messegesellschaft.

Kein Wunder also, dass alle bürgerlichen Premieren der Messe für die Buckelpiste gemacht sind. Die zumindest aus globaler Perspektive wichtigste kommt dabei von Cadillac. Denn die Amerikaner ziehen noch vor dem Heimspiel in Los Angeles das Tuch vom XT5, der als Nachfolger des SRX künftig gegen BMW X5 und Audi Q5 antreten soll. Dazu gibt es von Nissan-Tuner Nissan einen scharf gemachten Patrol mit 428 PS und von Toyota einen neuen Land Cruiser. Während die Japaner das feine Urtier fürs grobe Gelände bei uns gerade vom Markt nehmen, fährt der arabische Bestseller mit frischem Glanz und natürlich mit V8-Power durch die Wüste.
Sind diese Autos alle für die herrschende Klasse gemacht und gedacht, gibt es auf der Messe noch eine weitere Weltpremiere für das für das Heer der Hilfsameisen, die für die Emiratis die eigentliche Arbeit machen: Den Fiat Fullback. Er basiert auf dem Mitsubishi L200 und wird zum ersten Midsize-Pick-Up, mit dem die Italiener künftig auch bei uns ihr Glück versuchen wollen.

Obwohl angesichts der vielen Sport- und Geländewagen in den Hallen und der sprudelnden Öluellen draußen vor der Stadt kaum jemand Ernsthaft an die Zeit nach dem Ende des Öls denkt, mischen sich unter die PS-Protze auch die ersten Öko-Autos. Der Toyota Prius ist zwar in auf den Straßen von Dubai exotischer als ein Porsche, und für die Plug-In-Varianten von S-Klasse & Co interessiert sich augenscheinlich niemand. Aber der i8 auf dem BMW-Stand ist permanent umlagert und seit  sogar die Polizei die futuristische Flunder im Einsatz hat, kann sich der Händler vor Nachfrage offenbar kaum retten. Ums Sparen geht es dabei allerdings niemandem, warum auch, wenn Benzin noch immer billiger ist als Mineralwasser? Das einzige, was zählt auf dem Boulevard der Eitelkeiten ist etwas anderes, sagt eine der Hostessen bei den Bayern: „Genau wie kleine Kinder wollen auch die großen Jungs hier vor allem ungeteilte Aufmerksamkeit.“
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Rainer Behounek

War bis 2017 Teil der Motorblock-Redaktion.

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