Crossover kann jeder. So erfolgreich aufgebockte Alltagsautos wie der Ford Puma oder der Ford Kuga auch sein mögen, so austauschbar sind sie deshalb. Doch wenn es um charakterstarke Autos geht, dann macht den Kölner mit den amerikanischen Wurzeln keiner was vor: Denn weder der Mustang findet in Europa seinen Meister, noch kann sich irgendein US-Urlauber der Faszination des F-150 entziehen, der nicht umsonst seit bald einem halben Jahrhundert die amerikanische Zulassungsstatistik dominiert. Auf diese Stärke wollen sie sich jetzt auch in Europa wieder mehr besinnen, sagt Deutschlandchef Christian Weingärtner und beschwört Werte wie Freiheit und Abenteuer: „Wir wollen unseren Kunden ein Lebensgefühl vermitteln, das im Kleinen wie im Großen ‚on the road‘ erlebt werden kann. Wir liefern das, was nur Ford liefern kann: authentische und glaubwürdige Produkte“, schwärmt Weingärtner und holt dafür jetzt einen weiteren Charakterkopf ins Land. Denn ab dem Sommer gibt zu Schätzpreisen am oberen Ende der 60.000er (D) endlich auch bei uns ein Auto, das in den USA in nur zwei Jahren zum absoluten Kult geworden ist: Den Bronco.
Während europäische Ford-Geländewagen eigentlich nur aufgebockte Pkw sind, ist der Bronco aus stabilerem Stahl geschnitzt: Er nutzt eine kernige Truck-Architektur mit Leiterrahmen und Durchtrieb zur Hinterachse, die sich nur bei Bedarf von den Vorderrädern helfen lässt. Wann die zuschalten, entscheidet eine Automatik oder der Fahrer, der dafür bloß zum Drehknopf auf der Mittelkonsole greifen muss. Dort wechselt er auch zwischen den unterschiedlichen GOAT-Modes, mit denen der Bronco vom Wildpferd zur Bergziege wird und sich perfekt auf sandige Wüstenpisten, felsige Kletterpartien, Schlammschlachten oder Schneespiele einstellt. Dazu noch die Klaviatur mit den einzelnen Sperren oben auf dem Armaturenbrett und vor allem die Panzerkehre auf Knopfdruck, bei der die Hinterräder tapfer auf der Stelle drehen und den Dreck meterweit spritzen lassen, schon kennt der wilde Gaul kein Halten mehr.
Treibende Kraft dabei ist wahlweise der 2,3-Liter-Ecoboost-Vierzylinder, den sie aber schon beim Mustang mangels Charakter ausgemustert haben und deshalb wohl kaum über den großen Teich holen werden, oder ein standesgemäßer V6 mit 2,7 Litern, dem ebenfalls ein Turbo Druck macht. Aber selbst mit dessen 310 PS ist der Bronco freilich kein Rennwagen. Sondern selbst der V6 bevorzugt im Zusammenspiel mit der 10-Gang-Automnatik den gemütlichen Trab und lässt sich auf Asphalt nur mühsam über 160 Sachen treiben. Doch seine große Stunde schlägt ohnehin auf Sand oder Schotter, im Schlamm oder Schnee: Da wird der heiße Hengst zum genügsamen Haflinger und stapft spätestens in der Geländeuntersetzung so trotzig voran, dass das Ende der Welt nur noch eine Tankfüllung entfernt ist. So und nicht anders muss ein Abenteuer-Spielzeug für die wachsende Jack Wolfskin-Fraktion fahren.
Der Vergleich mit dem Spielzeug-Auto passt. Denn der Bronco sieht nicht nur aus wie von Playmobil, sondern ist auch ganz ähnlich konstruiert. Nicht nur, dass man ihn natürlich auskärchern kann und dass deshalb auch drinnen fast alles aus Plastik ist. Vor allem kann man ihn genauso leicht umbauen wie einen Jeep im Sandkasten: Egal ob Hardtop oder Zeltverdeck – ein paar Handgriffe genügen, dann fliegen erst die Dachhälften und danach die Seitenwände raus. Und wer dann immer noch nicht genug Outdoorfeeling fühlt, kann mit zwei Handgriffen sogar die Türen aushängen – natürlich erst nach Lektüre des entsprechenden Warnhinweises. Wir sind schließlich in Amerika.
Während dem Bronco im Gelände keiner etwas vormacht, wirkt der Wagen auf der Straße bisweilen ein bisschen bockig und erinnert so an das Wildpferd, das ihm vor gut 50 Jahren seinen Namen gegeben hat: Nach einem Tag am Steuer jedenfalls fühlt man sich wie John Wayne nach einem Ritt über die großen Plains und vor allem mit zugeschalteter Vorderachse sperrt sich der Bronco gegen geschmeidige Kurswechsel, verlangt nach starker Führung und wird für ein Auto von gerade mal 4,40 Metern überraschend unhandlich. So gerne man im Bronco durch die Pampa pflügt, nimmt man für Passstraßen besser einen Mustang.
Doch sind all das Nebensächlichkeiten, die Ford-Fahrer gerne in Kauf nehmen. Denn diesseits des klassischen Mustang für die Petrolheads und des Mach-E für die Stromer und natürlich dem seligen GT gibt es aktuell kein anderes Auto im großen Ford-Portfolio, das auch nur annähernd so charakterstark und sympathisch ist. Kein Wunder also, dass der Bronco daheim in den USA längst zum Liebling der Abenteurer geworden ist und Lieferzeiten hat wie sonst nur ein Tesla.
Das müsste doch auch bei uns funktionieren, ist Deutschland-Chef Weingärtner überzeugt und strickt darum gleich die passende Strategie: „Wir werden deutlich spannender und emotionaler und uns auf Produkte konzentrieren, die nur Ford kann“. Zwar produziere Ford seit 1925 in Deutschland und hat in dieser Zeit bald 50 Millionen Fahrzeuge gebaut. Doch die Wurzeln lägen ganz klar in den USA. Und damit will der größte verbliebene US-Hersteller auf europäischem Boden künftig besser wuchern. Bei Amerika denke man positiv an den „Adventurous Spirit“, also an Freiheit, Abenteuer, Outdoor. Und mit Autos wie dem Bronco oder seinem etwas vernünftigeren Bruder Ranger hat Ford die passenden Autos dazu, sagt Weingärtner: Modelle, die positive Emotionen erzeugen, und „eben keine austauschbaren Allerweltautos sind“.