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Ford Focus RS – Am liebsten quer

Motorblock fährt Ford Focus RS

Der Renault Mégane RS mit 275 PS, der Opel Astra OPC mit 280 PS und ein Golf R mit 300 PS – darüber kann Jürgen Gagstatter nur lachen. Denn der Ford-Ingenieur ist Projektleiter für den neuen Focus RS…

Text: Thomas Geiger
Nicht umsonst stürmt das blaue Wunder, das kurz nach dem Jahreswechsel zu Preisen ab 45.850 Euro in den Handel kommt, mit 350 PS und einem Spitzentempo von 266 km/h in die Poleposition auf dem Golfplatz und muss sich nur noch noblen Kraftmeiern wie dem Mercedes A45 AMG oder dem Audi RS6 geschlagen geben – zumindest auf dem Papier. In der Praxis allerdings kommt der RS sogar den Edelsportlern gefährlich nahe. Denn was ihm an Kraft unter der Haube und mehr noch an Finesse in dem nur mäßig aufgemöbelten Innenraum fehlt, das macht er mit Lust und Leidenschaft und ehrlicher Leistungsbereitschaft mehr als wett.
Zwar haben Skeptiker durchaus ein wenig um den Fahrspaß gefürchtet, als Ford bei der Premiere im Frühjahr den ersten RS mit Allrad-Antrieb angekündigt hatte. Denn wo die vier angetriebenen Räder beim Kavalierstart helfen, weil sie die 440 Nm sauber auf die Straße bringen und so einen Sprintwert von 4,7 Sekunden erst möglich machen und wo sie in Kurven für einen festen Kurs sorgen, stabilisieren sie den Wagen natürlich auch und nehmen ihm so ein wenig vom Nervenkitzel, der bei einem Auto wie diesem einfach dazu gehört.

… Das große Finale ist allerdings ein Platzkonzert der besonderen Art: Der Driftmodus. Zum ersten mal für ein Serienauto programmiert, werden damit bis zu 100 Prozent der Kraft an das äußere Hinterrad geleitet …





Doch die Sorge kann Projektleiter Gagstatter den PS-Pessimisten nehmen. Der Mann fährt schließlich regelmäßig 24-Stunden-Rennen und weiß, wie man ein Auto schnell macht. Und vor allem hat er eine Elektronik programmiert, die dem Spieltrieb und dem Nervenkitzel auf Knopfdruck sogar noch Vortrieb leistet. Zwei individuell geregelte Kupplungen an der Hinterachse steuern zusätzlich zur Haldex-Kupplung die Kraftverteilung des Allradsystems und erlauben eine Fahrdynamik, wie man sie in dieser Klasse bislang selten erlebt hat.

Im Normalmodus noch halbwegs komfortabel und eher untersteuernd wie ein Fronttriebler, muss Gagstatter bei der Testfahrt nur den unscheinbaren Schalter auf dem Mitteltunnel drücken und ins Sport-Programm wechseln, damit sein Lächeln am Steuer breiter wird und dem Beifahrer der Puls in die Höhe schnellt. Während sich die Federung spürbar versteift und der Projektleiter von den stärkeren Lenkkräften erzählt, dreht sich der Wagen plötzlich mit der Kehrseite in die Kurve und erinnert fast an alte Heckschleudern.

Dann beginnt ein Tanz, den der Chefingenieur allein mit dem Gasfuß zu dirigieren scheint: Als würde er kein Auto fahren, sondern ein Surfboard reiten, swingt er über den engen Handlingkurs und man kommt aus dem Staunen kaum mehr heraus, so weit hat sich der Grenzbereich mittlerweile verschoben. Die Musik dazu spielt der 2,3 Liter große Vierzylinder-Turbo aus dem neuen Mustang, der im Focus RS mit größerem Lader auf 360 PS und 440 Nm kommt und durch den offenen Klappenauspuff brüllt, als wäre er allein auf der Welt.

Und der Sport-Modus ist nur der Anfang. Als zweite Eskalationsstufe gibt es auch noch die Stufe „Track“, in der Elektronik die Muskeln noch ein bisschen weiter anspannt, ihr Sicherheitsnetz einrollt und den RS allein dem Geschick des Fahrers überlässt. Wer dann neben einem Profi wie Projektleiter Gagstatter sitzt, der sieht die Welt die meiste Zeit aus dem Seitenfenster und lernt schnell, dass die tief ausgeschnittenen Recaros keine Schau sind, sondern aus gutem Grund eingebaut werden.

Das große Finale ist allerdings ein Platzkonzert der besonderen Art: Der Driftmodus. Zum ersten mal für ein Serienauto programmiert, werden damit bis zu 100 Prozent der Kraft an das äußere Hinterrad geleitet, die Lenkung ganz weich gestellt und die Traktionskontrolle herunter geregelt. Dann reicht ein kräftiger Gasstoß und ein beherzter Griff ins Lenkrad, schon fährt der Focus RS Kreise um sich selbst. Der Beifahrer wird dabei zwar grün und blau im Gesicht und nach ein paar Minuten versinkt der ganze Platz im beißend schwarzen Rauch, in dem die Breitreifen von Michelin gerade aufgehen. Doch Gagstatters Grinsen wird immer breiter und mit ihn die Zuversicht für den Erfolg des RS: „Denn genau so ein Grinsen wollen die Kunden doch im Gesicht haben, wenn sie ein Auto wie den RS kaufen“, sagt der Projektleiter. Selbst wenn sie solche Sperenzchen mit Rücksicht mit auf die Reifenpreise wahrscheinlich nur ein, zwei mal machen werden. „Aber allen das Wissen um die Möglichkeit ist vielen Grund genug.“

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Rainer Behounek

War bis 2017 Teil der Motorblock-Redaktion.

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