Was für Bilder schießen dir durch den Kopf, wenn du an das Wort „Oldtimer“ denkst? Ist es vielleicht ein 1949er Hudson, über dessen monstermäßigen Umbau wir schon mal berichtet haben? Vielleicht denkst du ja auch an die brachiale Rallye-Französin namens Alpine A110 aus den 1970ern? Keine Frage, bei Oldtimern dürften wir alle in eine ziemlich gleiche Richtung denken: Altes Auto, klassisches Design.
Doch hast du mal auf den Kalender geschaut? Exakt, 2020. Damit ist etwas passiert, was vor allem „mittelalten“ Lesern den Kopf schütteln lassen dürfte: In diesem Jahr werden Autos zu Oldtimern, die 1990 gebaut wurden.
Neunzehnhundertneunzig! Das ist nicht nur gefühlt für viele eigentlich weit weniger als 30 Jahre her. Vor allem aber sorgt es dafür, dass jetzt Autos zu Oldtimern werden, die entweder selbst heute noch futuristisch wirken oder aber nach wie vor durch den Alltagsverkehr rollen, oder es zumindest bis vor Kurzem taten.
Bevor wir mit unserer arg junggebliebenen Oldtimer-Parade starten, noch zwei Tipps vorweg: Viele der hier aufgezählten Autos befinden sich trotz Oldie-Status noch auf dem Tiefpunkt der Preis-Parabel. Gute Chancen also für alle, die eine Ballonfinanzierung online abschließen und dann gleich zuschlagen wollen; günstiger werden sie nicht mehr zumal sie bei den Deutschen in den Genuss des H-Kennzeichens kommen, das wird den Markt weiter leeren! Und: Auch von dieser „Young-Oldtimer“-Generation werden mit Sicherheit Modelle in die Liste der historischen Fahrzeuge eingetragen werden. Da lohnen sich die rund 90 Euro für das Bestellen mitunter.
BMW E36 (1990-2000)
Der „dritte Dreier“ von BMW gehört unbestritten zu denjenigen Fahrzeugen dieser Liste, denen man das Alter wirklich nicht ansieht. Der als Coupé, Limousine, Kombi und Compact gefertigte Hecktriebler gilt vielen nach wie vor als einer der schönsten Entwürfe der bayerischen Autoschmiede.
Einziger echter Nachteil: Lange Jahre war der Wagen auch unter Tunern sehr beliebt, dazu auch im (Amateur-)Rennsportbereich. Nach guten Exemplaren muss man deshalb suchen, mitunter unter Zuhilfenahme des offiziellen Clubs. Dafür gibt’s aber Dinge, die heute niemand mehr baut – etwa den unvergleichlich sanften Zwei-Liter Reihensechser im 320i.
Aston Martin Virage (1989-1996)
Der seit 1990 als Coupé und Cabrio erhältliche Virage war Aston Martins Versuch, den in die Jahre gekommenen V8 abzulösen. Doch obwohl der Wagen heute von wirklich vielen wegen seines pantherhaften Designs gefeiert wird, war er wohl für die frühen 1990er zu happig – mit weniger als 900 gebauten Exemplaren aller Varianten war der Wagen ein echter Flop.
Doch wie das mit Flops so ist, sie werden oft irgendwann wertgeschätzt – heute bekommt man den Virage nicht unter 50.000 Euro, gute Exemplare wechseln auch für das Doppelte den Besitzer.
Lamborghini Diablo (1990-2001)
Es ist mit Sicherheit das „teuflischste“ Gefährt unseres Artikels. Und wahrscheinlich auch einer derjenigen Supersportler, von dem dereinst die Historiker sagen werden, dass er ein zeitloses Design hat. Denn wo Countach und Testarossa aus heutiger Sicht ziemlich deutlich die 80er durchblicken lassen, wirkt der Nachfolger des erstgenannten wesentlich frischer.
Unter der Haube des Diablo steckt – natürlich – ein V12, der aus dem Countach übernommen, aber vergrößert wurde, sodass anfangs 5,7 Liter und üppige 492 PS anlagen – das damalige Design-Ziel war es, das weltschnellste Auto zu liefern. Mission Accomplished! 325km/h sind der offizielle Top Speed. Nicht umsonst schrieben die Kollegen von der Autozeitung zum 25. Geburtstag des Teuflischen ziemlich treffend „Mit dem Lamborghini Diablo erlebte die Welt der Supersportler ihr jüngstes Gericht“. Und das gilt auch im Jahr 30 noch unangefochten.
Opel Calibra (1989-1997)
Zugegeben, vonm Lamborghini zu einem Opel zu wechseln, hat denselben Touch, als würde man aus einer brandneuen E-Klasse in einen durchgesessenen Polo umsteigen. Allerdings wäre das beim Calibra reichlich unfair. Denn was am 29. Mai 1990 in die Showrooms rollte, war für damalige Verhältnisse ein echter Volkssportler, der die Linie der Mantas und Capris dieser Welt in schönster Manier fortführte.
Gut, die Basis war der zeitgleich produzierte Mittelklasse-Biedermeier Vectra A. Und in der Grundversion arbeitete unter der Haube ein schwachbrüstiger Zwei-Liter Vierzylinder mit acht Ventilen, der seine gerade mal 115 Pferde nur an die Vorderachse abgab. Aber: Am anderen Ende der Leistungsskala saßen der legendäre C20LET, Opels Zwei-Liter-Sechzehnventil-Turbo, den sie aus dem nicht minder legendären C20NE entwickelt hatten. Der stemmte damals spektakuläre 204 Serien-PS – auf alle vier Räder. Etwas weniger potent, dafür aber mit sechs Zylindern versehen war der später nachgelegte C25XE, ein V6, der 170PS leistete, aber nicht als Allradler verfügbar war.
Leider teilt sich der Calibra das Schicksal mit dem BMW E36: Er war viele Jahre lang bevorzugtes Tuning-Objekt – dass auch er unter Opels Rostproblemen der damaligen Epoche litt, kam zumindest bei den ersten Modellen noch hinzu.
VW Golf II Country (1990-1991)
Heute, im Zeitalter der SUVs, machen es sich Hersteller recht einfach – da wird oft genug eine normale PKW-Basis durch einige wenige Designänderungen zum hochgelegten City-Geländewagen. Auf den ersten Blick könnte man das auch VW vorwerfen, der Golf Country sieht zunächst wie ein höhergelegter normaler Golf II aus.
Allerdings gab man sich in Wolfsburg bzw. Graz, wo die Endfertigung bei Steyr-Daimler-Puch stattfand, deutlich mehr Mühe. Denn der Golf war durch den unter die Karosse montierten Rohrrahmen, von dem die vorn und hinten montieren Rammschutze abgingen, sowie das Synchro-Getriebe mit Viscokupplung ungleich geländegängiger als die meisten heutigen SUVs – obwohl es mangels vollwertigem Allradantrieb auch nicht zum vollwertigen Geländewagen gereichte.
Zielgruppe des vornehmlich (es gab sehr seltene Sondereditionen) mit 98-PS-Vierzylinder erhältlichen Gelände-Golfs waren damals alle, deren Beruf oder Freizeit sie in leichtes Gelände führte – etwa Jäger, Wanderer usw. Und auch wenn der Wagen aus heutiger Sicht durchaus ein wichtiger Wegbereiter für den SUV-Trend war, wirkt er heuer wegen seines bereits 1983 erschienenen Designs „Oldie-mäßiger“ als viele andere Fahrzeuge mit Baujahr 1990. Auch er war kein sonderlicher Erfolg, wurde knapp 7800 Mal produziert. Aber er ist ein Exot mit einer starken Fangemeinde, der jedoch leider selten geworden ist.
Weitere Nennungen
Diese fünf Oldies haben wir mit Absicht ausführlich beleuchtet, weil sie ein sehr schöner Schnitt für die Autowelt 1990 waren. Allerdings kamen in diesem Jahr auch noch andere Modelle auf den Markt:
Mazda MX-5
VW T4
Toyota MR-2
Volvo 900er Serie
Audi 100 C4
Ford Escort ´91
Audi S2
Lotus Elan
Etwas abwegig war dazu der Mini, das klassische Original, wohlgemerkt. Der wurde 1990 mit der sportlichen Cooper-Variante nochmals revitalisiert und blieb tatsächlich noch bis 2000 in Produktion – nachdem er bereits 1959 herausgekommen war.