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Land Rover Discovery Sport – Einstiegsluxus

Land Rover Discovery Sport

Land Rover bringt den Spirit des fulminant erfolgreichen Range Rover Evoque auch in den Nachfolger des Freelander ein. Und eröffnet mit dem Discovery Sport eine zweite Modellfamilie innerhalb des Markenportfolio.

von Franz J. Sauer
Nordlichter sieht man selbst in Island nur in ganz klaren Nächten. Den Land Rover Discovery Sport wird man auf unseren Straßen dafür öfter sehen.

Bislang fächerte sich die Marke Land Rover in vier Modellgruppen auf, derer drei bloß ein Familienmitglied vorwiesen: Range Rover, Discovery, Freelander, Defender. Diesbezüglich ist hier gerade markante Verdünnung angesagt. Der Defender wird bekanntlich noch heuer aus dem Modellprogramm fallen (er schafft keine EURO-Crashtest-Normen mehr, fair enough nach 67 Produktionsjahren) und der Freelander wird durch das neue Modell ersetzt. So erweitert der Discovery Sport quasi nebenbei die Modellgruppe Discovery zur Familie. Und Gerry McGovern, Design-Chef der Marke, verspricht auch dem Defender einen Nachfolger. Wie dieser allerdigns letztgültig aussehen wird, ist noch unbekannt (zumal echte Defender-isten vom alten Schlag ein eventuelles Nachfolgemodell sowieso nie für voll nehmen und schon gar nicht akzeptieren würden). Es gilt also: aus vier mach dreieinhalb, sozusagen.

Schweres Erbe.

Dem neuen Discovery Sport kommt also die Aufgabe zu, den Einstieg in eine Markenwelt zu liefern, die Premium bis in die letzte Faser repräsentiert. Derlei war zwar bislang den Range Rovers im Portfolio zugetan, in Zeiten, wo Marken allerdings oftmals mehr zählen als Modelle und die Zuordnung, welche automobile Ikone aktuell zu welchem Großkonzern gehört, selbst Kennern schwer fällt, müssen alle alles zumindest ein bisserl können. Damit ist ein Quantensprung zum bisherigen Einsteiger-Landy Freelander quasi vorprogrammiert. Denn diesem sah man, speziell in seiner vorletzten Modellgestalt, ganz eindeutig das Einstiegsmodell an. Nichts von der Royalität, nichts von der Überlegenheit der großen Modelle war dem kleinen Schwergewicht zu eigen, dass sich weder puncto Design noch in Sachen Geländetauglichkeit besondere Meriten verdiente. Dennoch war der Land Rover-Schriftzug an Heck und Front des gar nicht mal so leichten Kompakt-SUV rechtschaffen vielen Menschen dessen Anschaffung Wert, der Disco Sport darf also ein Erfolgsmodell ablösen. Keine leichte Aufgabe für einen kompletten Neuwagen mit Mehrfachfunktion.

Großcousin Evoque.

Hier behilft sich der neue kleine Land Rover mit eindeutigen Familien-Anleihen beim Range Rover Evoque. Jenes zunächst gewagte und letztlich dramatisch erfolgreiche Projekt der Marke liefert ziemlich viel Vorlagen, nimmt man den neuen Discovery Sport etwas näher unter die Lupe. Die Armaturenlandschaft kommt von dort, die Sitzposition ebenfalls, bloß das Raumangebot ab der B-Säule ist konstruktionsbedingt beim Discovery viel, viel größer. Überhaupt soll der Neue sozusagen die Familien-Variante des Evoque geben, wenn man die marketingtechnische Sünde begeht, zwischen den Modellfamilien hin- und herzusurfen. Sieben Sitze lautet hier ein wichtiges Schlagwort, ohne dem anno 2015 kein Familienauto mehr ein solches ist. Auch das üppige Laderaumvolumen hängt den Evoque um Längen ab. Dass der äußere Auftritt hingegen weit weniger hintansteht, als dies beim Freelander der Fall war, liegt möglicherweise an den Herrn Mark Butler,  Massimo Frascella and above all, Gerry McGovern, die … ach, lassen wir sie doch selber erzählen:




Die Ikonografie der neuen Discovery-Familie.

Form follows Function, Unverkennbarkeit, Design-Vorgaben … alles da. Tatsächlich outet sich der Discovery Sport auf den ersten Blick als Land Rover, aber als ein anderer, ein neuer. Klar kupfert die Front beim Evoque, aber man spürt Unterschiede. Klar erinnert die Heckpartie an den Range Rover Sport, aber sie erinnert eben nur, sieht nicht gleich. Und wenn man die markante C-Säule betrachtet, die erstmals keinen genau vertikalen Schnitt vornimmt, sondern sich neckisch nach vorne beugt, hat man auch schon jenes Merkmal herausgearbeitet, an dem Land Rover künftig die Discovery-Familie ikonografisch erkennbar macht.

Neue Disziplin: der Discovery-Sport

Nun haben wir hier also den Einstiegs-SUV in die Land Rover-Welt, was leider bedeutet, dass es den Sport-Disco auch nur mit Frontantrieb geben wird (allerdings erst ab Jahresende). Die meisten Kunden werden der Widersinnigkeit, einen SUV ohne Allrad zu kaufen, aber ohnedies widerstehen. Dennoch bestellen werden manche, schon allein aus Sportlichkeits-Folklore, das Schaltgetriebe, das bei den Dieselmotorisierungen zur Disposition steht. Jenen entgeht dann das formidable Neungang-Automatikgetriebe, dessen Gangart nun auch hier per Drehregler vorgewählt wird und das tatsächlich für jede Fahrsituation die richtige Art von Übersetzung nicht nur parat hat, sondern wenn man daran denkt auch bereits eingelegt hat. Derlei provoziert zunächst vor allem entspannt-komfortable Gangart, will man es denn wissen, kann der neue sportliche Discovery aber auch anders. Nein, von Speed-Exzessen ist hier nicht die Rede (obwohl: ein am Horizont dräuendes SVR-Modell, das uns beim Evoque eingentlich schon länger abgeht, will man bei Land Rover nicht dezidiert ausschließen), eher von Kletterfex-Avancen, denen das ebenfalls längst markenbekannte Terrain Response System mit allumfassender Kompetenz entgegenkommt. Wie auch alle anderen Land Rovers kann auch der Discovery Sport viel viel mehr im Gelände, als man jemals brauchen wird, selbst Seen mit nicht mehr als 60 Zentimeter Tiefgang können theoretisch durchwatet werden. Eher zum Einsatz, wenns in Döbling Umgebung mal ne Nacht lang richtig schneit, wird der „Gravel, Grass and Snow“-Modus, der das Drehmoment derart gefühlvoll einsetzen lässt, dass man sich vermutlich allein durch von-der-Bremse-gehen aus übelsten Schneehaufen wird herauspuhlen können.

Offroad-Folklore mit ganz viel Design-Appeal. Soll niemand nachher sagen können, Geländewagen sind nix für die Innenstadt.

Was bedeutet all dies für den stinknormalen Alltagsbetrieb? Souveränität, höchste Souveränität.

So fährt er sich

Bei unserer ersten Probefahrt im nordischen Island erprobten wir bissl unfreiwillig auch die Souveränität der neuen, großen Briten-Fuhre. Und sie bestand auch diesen Test ganz wunderbar. Island hat, vor allem wenn man im Schnee abseits der Pisten unterwegs ist, doch ausufernde Geraden zu bieten, die man schnell mal recht schnell befährt, wenn sie mehr als eine halbe Stunde andauern. Die große Kurve am Horziont, nochdazu ganz unbepfeilt in freier Wildbahn, nimmt man dann auch mal ziemlich spät wahr, ungefähr im selben Moment fällt einem blitzigst ein, dass man untersich nur Schnee und Eis hat. Gut, der Abflug würde in einem nicht minder weichen Schneehaufen enden, aber als einziges Fahrzeug der Testanordnung den Abschlepp-Elch kommen lassen müssen will man dann ja auch nicht. Was tun also? Vollbremsung? Panik-Verriß? Kreischen, nach der Mama telefonieren, Ausreden zurechtlegen?

Nichts dergleichen. Einfach vom Gas gehen, leicht Tempo reduzieren und im gegebenen Moment einlenken. Der Disco wird tun, wie er soll. Im Hintergrund arbeiten, im merkbaren Bereich Coolness verbreiten. Irgendwann und keineswegs zu spät lenkt die Fuhre ein, zieht ihre Linie, fährt um die Ecke. Und wenn das Heck leicht nachschwanzelt, weil man ja doch viel zu schnell unterwegs war, wird es von der Fahrelektronik nebst Dynamikprogramm völlig selbsttätig wieder zur Räson gebracht – wenn der Fahrer nicht mit irgendwelchen angstgetriggerten Lupf-, Lenk- oder Vollbremsaktionen dazwischenfunkt. Doch selbst dann, so fühlt es sich zumindest an, wird der Sport irgendeine Idee parat haben, um uns auf der Straße zu halten.

Was bedeutet all dies für den stinknormalen Alltagsbetrieb? Souveränität, höchste Souveränität. Der kleinste Land Rover fühlt sich an wie ein schwerer Wagen und das im positivsten Sinne konnotiert. Weil in echt wird mit Alu an den richtigen Karosserie-Stellen ja das Eigengewicht sogar bei den Allradversionen auf unter zwei Tonnen gedrückt. Herauskommen dabei Angabe-Verbräuche von um die sechs Liter, die sich im Alltag wohl ebenso wenig verwirklichen lassen werden, wie beim Evoque, dennoch aber einstellig bleiben sollten, will man es nicht bei jeder Ampel unnötig krachen lassen.

Kritik

Was stört uns? Weniges, zugegeben. Die – erstaundlicherweise bloß bei den besser saturierten Modellen – im Untermenü versteckte Sitzheizungs-Aktivierung etwa. Das wenig edle, weil uns stets an irgendwelche US-Ford-SUV erinnernde Lenkrad-Design am Rande. Und wie die Basis-Zweirad-Version felgenmäßig, aber auch im abgespeckten Innenraum (Klima-Drehregler!) aussehen könnte, wollen wir lieber auch nicht antizipieren. Aber der anständige Sport-Kunde wird sowieso Allrad draußen und ein bissl was extra drinnen ordern – was den zunächst mit einem Einstiegspreis (2,0eD4 2WD) von 33.400 Euro lockenden Anfangs-Landy doch in die 45-Plus Liga hinauflizitiert. Und da sind dann bald schon die ersten gut ausgestatteten Jahreswagen mit Range Rover-Badge vorne am Kühlergrill wohlfeil …

Ansonsten bleibt nach der ersten Look-and-Feel-Testausfahrt mit dem neuen, feschen Land Rover Discovery Sport viel Vorfreude auf die ersten, unser heimisches Straßenbild zierenden Exponate, die ja nicht mehr lange auf sich warten lassen werden. Und dann probieren wir auch einmal aus, wie es sich als Erwachsener auf den Sitzen in der dritten Reihe leben lässt … versprochen!

Franz J. Sauer

Liebt Autos, weiß auch ein bissl was, schwurbelt schön drum herum und springt für SUV in die Bresche.

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