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Lexus ES: Anti-Einheitsbrei

Anti-Einheitsbrei

Der neue Lexus ES

Lexus tut mal wieder was gegen das Einerlei in der gehobenen Mittelklasse. Wer sich an Audi A6, BMW Fünfer und Mercedes E-Klasse sattgesehen hat, dem bietet die noble Toyota-Tochter bald einen neuen ES. In den USA schon seit sechs Genrationen erhältlich und erfolgreicher als die drei Deutschen Konkurrenten zusammen, kommt die mit über zwei Millionen Verkäufen erfolgreichste Limousine im Lexus-Lineup in der siebten Auflage nun erstmals auch zu uns und soll ab Januar den bereits eingestellten GS ersetzen. Für exakte Preise ist es dabei zwar noch ein bisschen früh, doch knapp 50.000 Euro wird man wohl veranschlagen müssen, heißt es bei den Japanern.

Von Thomas Geiger
Dafür gibt es einen Viertürer, der sich einen sehr viel sportlicheren und schärferen Zuschnitt erlaubt, als die fast schon braven Deutschen mit ihrem ewig gleichen Business-Dress: Der Kühlergrill weit aufgerissen, die Scheinwerfer scharf wie Scherben, die Dachlinie flach und schnell wie bei einem Coupé und das Heck kurz und knackig – so gibt der ES den Blickfang in der gehobenen Mittelklasse.
Die schnittige Form geht allerdings nicht zulasten des Innenraums: Weil die Japaner die Länge auf 4,98 und den Radstand auf 2,87 Meter gestreckt haben und weil der Lexus fünf Zentimeter in die Breite geht, hat man genügend Platz auf allen Plätzen. Vorne lümmelt man so bequem wie in einer Oberklasse-Limousine und der Rücksitz mit seiner elektrisch verstellbaren Lehne ist alles andere als eine Strafbank. Groß gewachsene Hinterbänkler mögen zwar vielleicht mit den Haaren am Himmel streifen, doch die Beinfreiheit ist besser als bei der deutschen Konkurrenz.
Zum guten Raumgefühl gibt es ein Ambiente, das sich im Brückenschlag zwischen Tradition und Technologie bemüht. So blickt man zum einen auf Metallkonsolen, die geschmiedet sind wie japanische Kampfschwerter aus dem Antiquitätenhandel, streicht über hochwertige Hölzer und feine Leder, schaut aber zugleich in das größte Head-Up-Display am Markt und lässt sich von einem riesigen Monitor über der Mittelkonsole berieseln. Auch die Bedienung probt diesen Spagat zwischen der alten und der neuen Zeit: Es gibt nach wie vor in der Mittelkonsole ein paar wenige und auf dem Lenkrad ein paar zu viele Tasten für den Direktzugriff und daneben wie bei einem Laptop ein Touchpad auf dem Mitteltunnel. Nur den mächtigen Bildschirm fasst man besser nicht an, weil einem das nur Fingerabdrücke und keinen Fortschritt in der Menüführung bringt.
So laut der ES auftritt, so leise fährt er. Im wörtlichen Sinne, weil die Japaner den Wagen besser isoliert haben als S-Klasse & Co, weil einen das Fahrwerk wie auf Wolken bettet und weil neue Dämpfer mit einem innovativen Zweistufenventilextrem feinfühlig auf kleinere Fahrbahnunebenheit reagieren, ohne deshalb die nötige Bestimmtheit vermissen zu lassen. Und im übertragenen Sinne, weil dem Antrieb jede Angeberei fremd ist: Wo die Konkurrenz schon in den Grundmodellen mehr Sechs- als Vierzylinder verkauft und in der Performance-Sparte durchweg auf acht Flammen kocht, bescheidet sich Lexus deshalb mit einem 2,5 Liter großen Vierzylinder, der, wie es sich für einen Toyota gehört, natürlich elektrisch unterstützt wird.
Das Paket aus einem 178 PS starken Benziner und einem 120 PS starken Stromer arbeitet zwar harmonischer als jeder andere Hybrid in dieser Klasse, so dass man überraschend dynamisch über eine Landstraße fegen und zugleich ungewohnt lässig über den Highway cruisen kann. Und mit einem neuen Getriebe gehört der leidige Gummiband-Effekt früherer Tandem-Antriebe der Geschichte an. Doch imponieren kann man damit so recht keinem. Denn mehr als eine Systemleistung von 218 PS ist dem Gespann nicht zu entlocken, Frontantrieb will in dieser Liga keiner ernsthaft haben und der Sprintwert von 8,9 Sekunden wird die eiligen Vielfahrer im Stellungskampf auf der Autobahn genauso enttäuschen wie die Spitzengeschwindigkeit von 180 km/h.
Natürlich können die sich dafür mit den geringeren Steuern, den niedrigen Unterhaltskosten für eine Hybriden und vor allem mit einem vorbildlichen Verbrauch von nur 4,7 Litern trösten, der bei einem Fünf-Meter-Auto tatsächlich imposant ist. Doch selbst in der Vernunftswertung machen andere Autos den Stich. Denn Lexus verschließt sich mit einem Verweis auf den Realverbrauch und die Alltagstauglichkeit auch weiterhin der Plug-In-Technik, so dass der ES mit dem Strom aus dem nun unter der Rückbank und deshalb ohne Einbußen beim Kofferraum montierten Akku erstens nicht viel schneller als 30, 40 km/h und zweitens nicht weiter als ein, zwei Kilometer fahren kann. Und zumindest auf dem Papier ist jeder Plug-In-Hybride auch noch deutlich sparsamer.
Während der ES in den USA seine deutschen Konkurrenten mühelos überflügelt, macht sich Lexus in Europa auch deshalb nur bescheidene Hoffnungen: Zwar soll die Limousine ihren Teil dazu beitragen, dass die Japaner auch im fünften Jahr in Folge einen Verkaufsrekord hinlegen und es auf unserem Kontinent bis 2020 vielleicht tatsächlich über die 100.000er-Hürde schaffen. Doch wenn sie in Deutschland auf eine dreistellige Zulassungszahl kommen, dann sind sie bei Lexus schon zufrieden, räumt einer aus dem Management ein. Für die Kasse ist das eine schlechte Nachricht, doch die wenigen Kunden wird das freuen – ist ihnen mit dem noblen Nobody doch zumindest die Aufmerksamkeit auf dem Firmenparkplatz sicher.

Jakob Stantejsky

Freut sich immer, wenn ein Auto ein bisserl anders ist. Lieber zu viel Pfeffer als geschmacklos.

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