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McLaren GT: Hardcore auf die sanfte Tour

 

Bentley baut einen Bentayga, Aston Martin bringt bald den DBX und selbst Ferrari arbeitet an einem SUV. Da kann McLaren nicht länger tatenlos zuschauen, sagt Ian Digman. Er leitet das Produktmanagement der Briten und wagt deshalb ebenfalls den Flirt mit dem Alltag. Ganz soweit wie die geschätzten Wettbewerber geht er dabei allerdings (noch) nicht. Sondern wo die auf einen Geländewagen setzen, muss für die zivile Sparte des Rennstalls erst einmal ein Gran Turismo reichen: Ein Auto, das komfortabler ist als alles, was McLaren je gebaut hat und mit dem man ganze Kontinente durchqueren möchte, fasst Digman das Lastenheft zusammen. Das Ergebnis ist ein Auto mit dem phantasievollen Namen GT, das in diesem Herbst zu Preisen ab 198.000 Euro (Deutschland) in den Handel kommt.

Von Thomas Geiger

Selbst wenn der GT formal gegen Autos wie den Bentley Continental oder den Porsche 911 Turbo antritt, darf man den Wagen nicht mit einem klassischen Gran Turismo verwechseln. Denn auch in einem neuen Segment gelten für Digman ein paar alte Regeln: Die eine bezieht sich auf das Gewicht, weshalb der GT aus Woking als einziger aus Kohlefaser gebacken wird und so mindestens zwei Zentner leichter ist als der beste Konkurrent. Und die andere gilt der Architektur: Ein McLaren braucht einen Mittelmotor und weil in keinem GT der Welt hinten bequem jemand sitzen kann, opfern die Briten diesem Prinzip bereitwillig die Rückbank und belassen es beim Zweisitzer.

Der ist – ein rasend schnelles Adaptivfahrwerk hin und eine leichtgängigere Lenkung her – viel strammer und sportlicher, als man es in diesem Segment erwartet. Ja, es gibt einen spürbaren Fahrwerksunterschied in der Komfortstellung, die Doppelkupplung wechselt die Gänge etwas sanfter, der V8-Motor klingt, als hätte er Kreide gefressen und die etwas weicheren Sitze mit den breiteren Lehnen tun ein übriges. Doch so soft sich der Hardcore-Sportler auch geben mag, wird aus diesem Fighter nur widerwillig ein Gleiter.

Aber wer will das schon, wenn direkt hinter den Sitzen ein V8-Turbo mit 620 PS und 630 Nm tobt, der für den Attacke-Modus nur ein paar Winkelgrade mehr im rechten Fuß braucht. Denn wer das Gaspedal nicht nur mit dem kleinen Zeh streichelt, erlebt den GT wie jeden anderen McLaren auch: Vor Kraft strotzend und vor Energie zum Zerreißen gespannt. Wenn sich die entlädt, kennt der Keil kein Halten mehr, schießt in 3,2 Sekunden auf Tempo 100 und gibt sich erst bei 326 km/h den Fahrwiderständen geschlagen. Und während man sich bei solchen Fahrten in einem Bentley auf einer kurvigen Landstraße wähnt, als würde man mit einem Elefanten tanzen, mit so viel Kraft muss man das Schwergewicht auf die Ideallinie zwingen, bewegt man den GT als führe man eine Elfe zum Tango und folgt dem Kurs mit schier traumwandlerischer Sicherheit.

So potent der GT auch auftritt, hat er aber sehr wohl auch seine praktische Seite: Nicht nur, dass er vorne mit einem Schminkspiegel und ein Handschuhfach aufwartet. Sondern vor allem hat er hinten eine riesige Gepäckbrücke, auf der – mit einem eigenen Lüftungskanal isoliert von der Hitze des Motors – zum Beispiel zwei Paar Ski, zwei Golfbags oder einfach vier große Reisetaschen transportiert werden können. Zusammen mit dem 150 Liter großen Staufach im Bug bietet der GT damit 570 Liter Kofferraumvolumen und sticht so selbst manchen kompakten Kombi aus.

Dazu gibt es für den GT ein Extra, das neu ist bei McLaren und das man eigentlich vor allem von vornehmen Geländewagen kennt: Zum ersten Mal lässt sich die Kofferraumklappe auf Knopfdruck elektrisch öffnen. Doch keine Sorge, sagt Produktmanager Digman, weiter wird der Flirt mit dem Alltag nicht gehen und einen Geländewagen schließt er auch künftig konsequent aus. Zumal die Briten mit dem GT auf absehbare Zeit genug zu tun haben dürften. Schließlich verdoppeln sie damit mal eben ihre Zielgruppe.

Jakob Stantejsky

Freut sich immer, wenn ein Auto ein bisserl anders ist. Lieber zu viel Pfeffer als geschmacklos.

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