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Mercedes G 400d: Die bessere G-Klasse?

Die bessere G-Klasse?

Der Mercedes G 400d

Ein Dinosaurier feiert G-Burtstag. Denn allen Moden, Trends und Facelifts zum Trotz geht das legendäre G-Modell jetzt ins 40. Jahr – und Mercedes spendiert seinem mit Abstand am längsten gebauten Modell nicht nur eine Sonderserie, sondern auch noch einen neuen Diesel. Denn pünktlich zur großen Party in Graz bieten sie den Vierkant zu Schätzpreisen 110.000 Euro jetzt auch als G 400d mit der stärksten Ausbaustufe ihres neuen Sechszylinders an.

Von Thomas Geiger
Wo es seit dem Generationswechsel im letzten Sommer bislang nur die beiden V8-Benziner vom Werk und von AMG sowie einen 350d mit 286 PS gab, bringt dieser Dreiliter-Motor auf 330 PS – das ist fast fünfmal so viel wie beim ersten G-Modell, das in der Basisversion mit 72 PS auskommen musste.

Vor allem aber stemmt der flüsterleise Ölbrenner imposante 700 Nm auf die Kurbelwelle und entwickelt damit einen Schub, der nahe ans AMG-Modell kommt. Nicht so vorlaut und protzig wie der Bestseller aus Affalterbach, aber mit der Souveränität eines Leitbullen, walzt er die Gesetze der Physik ganz mühelos nieder und beschleunigt den Giganten aus Graz in fast schon atemberaubenden 6,4 Sekunden auf Tempo 100. Und mit 210 km/h ist er nicht nur 11 km/h schneller als der 350d, sondern auf Augenhöhe mit dem G500 und nur 10 km/h langsamer als der AMG.
Natürlich ist der G 400d kein Kostverächter. Denn bei einem Auto mit der Aerodynamik einer Normgarage und dem Gewicht eines ausgewachsenen Elefantenbullen bekommt auch ein Diesel Durst und die ohnehin schon happigen 9,6 Liter aus dem Katalog wird man im digitalen Kombiinstrument sein Lebtag nicht sehen. Doch gemessen am V8-Benziner mit seinen 13,4 und erst recht am AMG mit 16,5 Litern ist der Diesel fast schon vernünftig und trotzdem ein ausgesprochen vergnüglicher Motor.
Vernunft und Vergnügen – das ist eine Mischung, die der G-Klasse seit Jahrzehnten das Überleben gesichert und sie stärker gemacht hat als die Zeit. Denn was mal als rein gewerbliches Projekt für Militär und Hilfsdienste begonnen hat, ist längst zu einem Lifestyle-Auto geworden, ohne dass die eigentlichen Qualitäten auf der Strecke geblieben wären.
Begonnen hat die unendliche G-schichte bereits 1972 mit einem Kooperationsvertrag zwischen Daimler-Benz und Steyr-Daimler-Puch. Aus ihm geht nur ein Jahr später ein grob geschnitztes Holz-Modell hervor, dessen Grundmuster absolut trendresistent für die Ewigkeit gemacht scheint. 1975 fällt die Entscheidung für die Serienproduktion und den Bau eines neuen Werkes in Graz, und im Frühjahr 1979 steht das erste fertige Auto beim Händler. Weil der G der ersten Stunde vor allem für Feldwebel und Förster gedacht war und die Entwickler offensichtlich noch keine Budgetrestriktionen kannten, haben sie ihn dabei zu einem automobilen Alleskönner aufgerüstet, der so leicht vor keinem Hindernis kapituliert. So schafft der Klassiker mit seinen drei zuschaltbaren Differentialsperren und der Geländeuntersetzung Steigungen mit bis zu 80 Prozent, Schräglagen von 54 Prozent oder Wasserdurchfahrten von einem halben Meter Tiefe und deklassiert damit selbst vermeintlich ernsthafte Geländewagen zu Sandkastenspielern.
Doch der Siegeszug des G-Modells kommt nur langsam in Fahrt. Denn friedliche Potentaten und die flaue Kassenlage der öffentlichen Hand limitieren den staatlichen Bedarf. Deshalb beschließt Mercedes eine große G-Volution und überstellt den G in die Pkw-Division. Dort wird der urtümliche Krabbler nicht wie geplant nach zwölf Jahren eingestellt, sondern auf den Wogen der ersten Allradwelle zu einem Lifestyle-Objekt, das sich mit Kanten, Charakter und seiner technischen Sonderstellung von den Emporkömmlingen aus dem In- und Ausland differenziert. Und nachdem sein Stern wegen des immensen Verbrauchs und der erstarkten Konkurrenz doch beinahe zu verglühen schien, haben plötzlich die Amerikaner ihre Liebe für den „G from Germany“ entdeckt und ihm so über sein Karrieretief geholfen. Heute schätzen allerdings rund um den Globus nicht nur Abenteurer und Aufschneider den kantigen Klassiker. Sondern als gepanzertes Modell in der schwersten Schutzstufe B7 ist der G-Guard vielen Prominenten und Potentaten zur Trutzburg auf Rädern geworden.
Optisch hat sich der G dabei selbst im letzten Jahr mit dem ersten großen Generationswechsel seit Urzeiten kaum verändert: Noch immer wirkt die Karosserie wie aus zwei schlichten Blechkästen zusammen gesetzt, noch immer lugt das G-Modell aus zwei Rundscheinwerfern in alle Winkel der Welt, und noch immer sitzen die Blinker wie Froschaugen auf der Motorhaube. Doch der Innenraum hat sich vom kargen Arbeitsplatz mit viel Holz, Leder und allem erdenklichen Komfort zu einem luxuriösen Reiseabteil entwickelt. Und unter dem Blech hat Mercedes stets den Anschluss an die aktuelle Technik gehalten, wie die Schwaben jetzt mit dem G 400d einmal meehr beweisen. Der ist, wie die gesamte Baureihe auf eine lange Laufzeit ausgelegt – erfüllt er doch schon heute die Euro 6d-Norm ohne den Temp-Zusatz und hat auch das Zeig für Euro VII.
Zwar feiert Mercedes den G als Baureihe mit der längsten Laufzeit und ist zurecht stolz auf die 40 Jahre. Doch seines biblischen Alters zum Trotz ist der kantige Klassiker im Straßenbild und in der Statistik nicht viel mehr als eine lieb gewordene Randerscheinung. Denn seit 1979 wurden kaum mehr als 300.000 Autos gebaut – eine A-Klasse braucht dafür kaum mehr als ein Jahr. Doch „stärker als die Zeit“ – dieser Slogan gilt nicht nur für die Baureihe im Allgemeinen, sondern offenbar auch für jede G-Klasse im Besonderen. Denn bei keinem anderen Mercedes ist die Bestandsquote größer als bei der G-Klasse und was nicht im harten Dienst in Uniform zerstört wurde, ist noch immer auf oder abseits der Straße unterwegs.

Jakob Stantejsky

Freut sich immer, wenn ein Auto ein bisserl anders ist. Lieber zu viel Pfeffer als geschmacklos.

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