Alle neuen Böcke von A bis Z
Was gibt’s für neue Eisen? Das war die eine Frage auf der heurigen EICMA in Mailand. Hat Marquez die Stirn, sich im Land der Vale-Tifosi zu zeigen? Das war die andere Frage. Die Antworten: Nicht alle hatten etwas wirklich Neues herzuzeigen. Es gab keine Schlägerei.
Text: Beatrix Keckeis-Hiller
Fotos: Hersteller, Beatrix Keckeis-Hiller, automotive.lulop.com
Der Auftakt zur alljährlichen EICMA in Mailand ist am Vorabend des Pressetages traditionell die Premieren-Party von Ducati. Eingebürgert hat sich dieser Usus ebenso bei Yamaha. Und genauso bei Honda. Um zeitliche Überschneidungen zu vermeiden, spricht man sich mittlerweile ja doch untereinander ab. Und präsentiert alternierend, im Zweistunden-Takt.
Wer bei Ducati im Teatro Elfo Puccini nach einem Ringe-Logo gesucht hat, der wurde auch dieses Jahr nicht fündig. Audi hält sich optisch komplett heraus. Doch Claudio Domenicali, der früher gerne ausgiebig auf italienisch über seine News parliert hatte (Übersetzung gab’s stets via Kopfhörer), fasste sich – auf englisch -relativ kurz und knapp. Etwas länger verweilte er nur beim neuen Derivat der Diavel, die mit einem X echtes leaned back-Cruiserfeeling rüberbringen soll.
Sloganisiert wurde das mit dem „Excitement of Low Speed“. ??? Sei’s drum. Die 156 PS des auf 1.262 ccm gepushten Testastretta-Twins (garniert mit 129 Nm) dürften bei Ducati-standesgemäßer Fortbewegung auch oberhalb von City-Tempi für Fahrtwind sorgen.
Das ist ebenso anzunehmen bei der neuen kleineren Ausgabe der großen Panigale. Aus 959 ccm holt sie 157 PS. Mehrleistung gibt’s für die Hypermotard-Baureihe. Die heißt jetzt 939 und bringt’s auf 113 PS. Als Antwort auf deutsche und österreichische sowie japanische Reiseenduro-Ikonen haben die Bologneser aus der Multistrada eine Enduro geschneidert, die als eigenständiges Modell auf Schotter brillieren soll. Und die Scrambler-Familie wächst sich aus. Einerseits um eine weitere 800er mit dem Zunamen Flattrack Pro, die Ex-Superbiker Troy Corser auf Video anschaulich vorführte. Dazu kommt jetzt eine kleine Einsteigervariante, mit nahezu halbiertem Hubraum. Die „Sixty2“ hat 399 ccm und A2-Führerschein-gerechte 41 PS.
Bei Honda stach unter den Neuinterpretationen und Bearbeitungen – siehe unter anderem CB500 X und Integra – die Africa Twin, die CRF1000L, mit Einliter-Paralleltwin, 95 PS und jeder Menge Assistenzelektrik, heraus. Die war zwar schon im Vorfeld der EICMA abgefeiert worden und absolviert gerade ihre ersten Presse-Testkilometer in Südafrika, doch sorgte sie allemal für starken Andrang . Entgegen den ursprünglichen Erwartungen wurde sie nicht von Marc Marquez auf die Bühne geritten. Es hielt sich der kleine Mann auch im Hintergrund. Nur wurden den Gästen vor der eigentlichen Präsentation die Weingläser weggenommen und gegen Plastikbecher ausgetauscht. Gebuht hat auch niemand. Es wurde nur auffallend still im Auditorium, als er die Bühne betrat. Von den Honda-Bossen wurde die MotoGP-Sache nicht einmal im Ansatz angesprochen.
Auch bei Yamaha ging man mit forcierter Fröhlichkeit nicht auf die Hintergründe des Championnats von Jorge Lorenzo ein. Valentino Rossi erschien unter Applaus auf der Präsentationsbühne, mit eisiger Miene. Lorenzo lächelte verhalten. Der japanische Hersteller, der sich eine zeitlang mit Neuheiten zurückgehalten hatte ist jedenfalls dicker da denn je. Es hieß „Yamaha is back“, es heißt „The Next Level“. Aufgefüllt von unten und oben ist – die MT-Serie (MT steht für „Master of Torque“): Mit der MT-03, die nichts mit dem damit ursprünglich bezeichneten Modell, einer späten Erbin der legendären XT, zu tun hat, auch wenn sie ebenfalls von einem Einzylinder-Aggregat angetrieben wird. Es ist das der Supersportlerin YZF-R3, in der MT-03 mit 320 ccm und 42 PS. Ans obere Ende gestellt ist die MT-10.
Sie trägt das Herz der R1. Leistungsangaben ließen sich die Yamaha-Leute nicht entlocken, aber sie soll die stärkste aller MTs sein. Das wird heißen: nicht unter 150 PS. Weiters neu nebst der aktuellen Version der WR 450 F Enduro und Rallye (Dakar steht vor der Tür) ist nach der im Sommer präsentierten XSR 700 (Parallel-Twin, 75 PS) ein weiteres Modell, das unter dem Motto „Faster Sons“ firmiert: die XSR 900 (Dreizylinder, 115 PS), die ebenfalls an die ikonische XS6750 der 1970er-Jahre anknüpfen soll. Ein wenig seltsam mutete es an, dass sie von Vale präsentiert wurde während Lorenzo auf der MT-10 saß. Trotzdem wird kommendes Jahr gefeiert, nämlich 60 Jahre Yamaha, weshalb es 2016 Sonderlackierungen in klassischem Schwarz-Gelb gibt.
Eine Stand-Party der üblichen und gewohnt dichtgedrängten Art ließ am Messe-Pressetag KTM vom Stapel. Sie ließen ihre Meister hochheben und wiederholten die Ankündigung, 2017 in die MotoGP einzusteigen, mit der RC16, die gerade auf Herz und Nieren getestet wird. Eine Novität der schnellen Art, die 1290 Super Duke GT, präsentierte KTM-Boss Stefan Pierer: „Das ist, was wir unter Sport Touring verstehen.“ Ok: 173 PS. Verlängertes Rahmenheck (irgendwo müssen die easy abzumontierenden Seitenköfferchen ja hin) und ein vergrößertes Spritfass (23 Liter sollten eine Strecke weit reichen). Selbstredend ist auch sie „Ready to Race“, grad halt ein bissl schwerer als die nackte Schwester. Außerdem bringt sie eine Reihe von teils serienmäßigen, teils optionalen elektronischen Assistenzsystemen mit, wozu nicht alleine Kurven-ABS gehört, sondern auch eine Berganfahr-Hilfe (!).
Apropos Schwester: Überarbeitet in Fahrwerks- und Motorentechnik sowie gestärkt ist die 690 Duke, mit nunmehr 73 PS. Die R-Variante hat gleich 75.
Das neu eingegliederte Label Husqvarna stellte als weiteres Concept einer zu erwartenden Reihe von sicher nicht ganz unauffällig gestylten Eisen die Vitpilen 701 ins Rampenlicht. Die kommt aber, trotz der Bedeutung ihres Namens ganz schön schwarz daherkommt. Die 401er vom Vorjahr soll 2016, die 701er 2017 auf den Markt kommen.
BMW hatte nicht überbordend viel Neues an Modellen anzubieten, dafür insoferne etwas bisland nicht Dagewesenes, indem die Bayern in Einsteigerklassen-gerechte Hubraum-Tiefen einsteigen. Erstes Modell einer beabsichtigten Baureihe, die mit dem indischen Kooperationspartner TVS entwickelt wurde, ist die Roadsterin G 310 R. Die Eckdaten: 313 ccm, Einzylinder, 34 PS. Sie ist weniger schlank als etwa ihre österreichischen Mitbewerberinnen, schaut aber flott und recht scharf aus. Scharf, das waren nicht nur die Mädels, die draufgesessen sind, sondern auch das Sitzmöbel: eine quasi werksseitig customizte Version der R nineT, eine Scrambler. Mit Öl-/Luft-gekühltem Antrieb und 110 PS. Adaptierte und aktualisierte Versionen der F-Familie sind die F 700 GS und die F 800 GS.
Das Gros der anderen Hersteller hatte entweder ausgiebig wie Honda die Novitäten für die 2016er publiziert. Oder hatte im Grunde genommen außer Weiterentwicklungen und Derivaten nicht atemberaubend viel Neues zu bieten – abgesehen von Überarbeitungen im Sinne der ab 1. 1. 2016 für neu produzierte Motorräder verpflichtenden Euro 4-Abgasnorm, was jedoch für alle Hersteller gilt. Der Gerechtigkeit halber summieren wir die Wichtigsten in alphabetischer Reihenfolge.
Aprilia
Die Venezianer haben ihr kleines feines Modellprogramm aktualisiert, von der Tuono V4 1100 über die RSV4 RR bis zur Caponord 1200. Außerdem unter anderem war zu sehen das Moto GP-Bike für 2016.
Harley-Davidson
Die Amerikaner hatten ihr neues Modelljahr traditionell im Sommer gestartet. Auf der Mailänder Messe standen nebst etlichen anderen die zarte Sportster 883 Iron und die mächtige Road Glide Ultra.
Kawasaki
Außer einer neuen 125er-Version des in taiwanesischer Kooperation kreierten Rollers J300 räkelten sich die Messe-Models auf der upgedateten ZZ-R 1400, der aufgefrischten ER-6 und der Winter-Edition der ZX-10R.
Moto Guzzi
Kaum mehr Leistung als die V7, nämlich 55 PS, aber amerikanischen Stil offeriert die neue V9 in den Varianten „Bobber“ und „Roamer“. Ein Blickfang war der Concept-Brummer MGX-21, auf Basis der California. Das Trumm trägt den Arbeitstitel „Flying Fortress“.
Piaggio
Der italienische Roller-Spezialist mit dem breiten Marken-Portfolio hielt wie üblich großen Bahnhof und erfreute sich regen (Buffet-)Zuspruchs. Nebst etablierten Standards wie MP3 und Beverly ist in der Scooter-Palette die Medley ABS neu. Außer dem bekannten Einzylinder mit 125 oder 150 ccm wartet sie mit Start-Stopp-System auf.
Suzuki
Die Schöpfer der Gixxer legen offenbar gerade eine schöpferische Pause ein. Außer einer upgedateten SV650 ließ man die Geschichte der GSX-Rs Revue passieren und präsentierte ein Konzept-Modell der nächsten 1000er-Generation.
Vespa
Wieder einmal einen Runden feiert die Roller-Ikone schlechthin im kommenden Jahr. Die Wespe wird 70. Das bringt der Marke zwar keine richtig neuen Modell-Varianten ein, doch dafür eine Reihe von Sonder-Editionen, wie der „Settantesimo“, was ein Serien-Köfferchen inkludiert.
Triumph
Auch die Engländer hatten bereits hinausgetrommelt, dass die Klassikerinnen-Baureihe erneuert ist. Die Bonnevilles gibt es nun auch als 1200er. Neu ist die Modell-Variation „Street“-Twin. Updates gab es auch für die Speed Triple sowie für die große Tiger, die Explorer, die nach Muster der 800er nun in diversen Varianten orderbar ist.
Zero
Der Vollständigkeit halber nicht unerwähnt gelassen sein soll der amerikanische Elektroeisen-Hersteller. Während etwa BWM – und auch andere – großteils bestehende Modelle elektrisch interpretieren (siehe c-Evolution, siehe S1000RR-E-Concept) entwickelt Zero Eisen auf den E-Antrieb hin. Neu sind für 2016 die Enduro DSR (67 PS) und die Supermoto FXS (27 oder 44 PS).