Piloted Driving Audi A7 – Jack übernehmen Sie!

Piloted Driving  Audi A7  – autonomes Fahren

Hände weg, jetzt fährt Jack!

So fühlt es sich an, wenn einen der Autopilot hinter dem Lenkrad zum Passagier macht.

von Thomas Geiger

Soll ich, oder soll ich nicht? Gerade eben noch war ich Herr der Lage, habe den schwarzen A7 wie einen ganz gewöhnlichen Audi durch den Stadtverehr von Ingolstadt gelenkt und meinen Weg zur Autobahn gefunden. Und kaum sind wir auf der A9, meldet sich die Bordelektronik und bittet um die Befehlsgewalt: „Pilotiertes Fahren möglich“, steht im Cockpit und in einem verführerischen Blaugrün leuchten die beiden Tasten im Lenkrad. Wenn ich die drücke, katapultiert mich der Computer fünf, zehn Jahre in die Zukunft und übernimmt tatsächlich das Kommando. Denn mein Audi ist kein gewöhnlicher A7. Sondern ich sitze in einem Prototypen, mit dem die Bayern den Autopiloten erproben. Und nachdem „Jack“, wie die Entwickler den Wagen nennen, sich bereits auf der Fahrt von der amerikanischen Westküste nach Las Vegas bewährt hat, sammelt er jetzt auch in Deutschland Streckenkenntnis. „Die ersten paartausend Kilometer hat er schon abgespult“, sagt Projektleiter Bernd Rössler und nickt mir aufmunternd zu.

Man lässt fahren

Also nehme ich allen Mut zusammen, presse meine beiden Daumen fest auf die zwei Leuchtschalter im Lenkrad und erlebe, wie ich selbst auf dem Fahrersitz zum Passagier werde. Das LED-Band über dem Armaturenbrett wechselt ins Grüne, das Lenkrad zieht sich dezent ein paar Zentimeter zurück und Jack übernimmt tatsächlich das Kommando.

Sanft beschleunigt er auf die Richtgeschwindigkeit, pendelt sich in der Mitte der Spur ein und hält höflich Abstand zum Vordermann. Als er auf den ersten Laster aufläuft, setzt er routiniert den Blinker, wartet auf eine ausreichende Lücke im dichten Verkehr und zieht wie von Geisterhand an dem Sattelschlepper vorbei, nur um danach wieder rechts rüber zu ziehen. Wo sich kurz vor dem Altmühltal die Spuren teilen, wechselt er wieder nach links, statt hinter den Lastern den Berg hinab zu kriechen, und sobald irgendwo ein Tempolimit auftaucht, steht Jack auch schon auf der Bremse. Angst vor dem Blitzermarathon muss man mit diesem Auto jedenfalls nicht haben. Viel eher winkt einem der Preis zum Kavalier der Straße. Denn Jack fährt so defensiv und entspannt, dass er sogar die Spur räumt, wenn von hinten ein Drängler heran geschossen kommt.

Jack gibt Gas

Anfangs habe ich dabei noch nervös die Hände in Lauerstellung über dem Lenkrad und warte förmlich darauf. Doch je öfter Jack solche aufgaben meistert, desto lässiger lehne ich mich zurück, lege die Hände in den Schoß und drehe mich sogar zu meinen Hinterbänklern um. Anfangs habe ich dabei noch ein mulmiges Gefühl. Aber viel schneller als erwartet gewöhnt man sich an den pilotierten Modus, kann tatsächlich ein wenig entspannen und sich vorstellen, wie man später einmal im Berufsverkehr die Augen schließt oder zumindest noch den letzten Rest der Arbeit erledigt. Und für alle Fälle sitzt ja nebenan noch ein Versuchsingenieur, der – man kann schließlich nie wissen – eine Fahrschulpedalerie im Fußraum hat.

Noch füllt die Technik für diese Zeitreise den ganzen Kofferraum. Aber später soll den Job dieser vielen Computer einmal das zentrale Fahrerassistenz-Steuergerät machen, in dem die gesamte Intelligenz des Autopiloten gebündelt wird. Mit mehr Rechenpower als das erste Space Shuttle wertet es die Signale aller Sensoren in Echtzeit aus und berechnet die entsprechenden Manöver. Ein Radarsystem erfasst das Vorfeld des Autos, eine Videokamera erkennt Fahrbahnmarkierungen, Leitplanken, Fußgänger und andere Fahrzeuge. Ein Laserscanner liefert zusätzlich hochpräzise Daten zu Objekten in einer Entfernung von bis zu 80 Metern. Bis zu zwölf Ultraschall-Sensoren und vier Kameras überwachen darüber hinaus den kompletten Bereich rund um das Auto. Daraus errechnet des virtuelle Chauffeur mit einem Horizont von 250 Metern sein Umgebungsmodell und leitet daraus die entsprechenden Entscheidungen ab.

Science Fiction

Was noch nach Science Fiction klingt, will Audi früher umsetzen, als manche meinen: Schon der nächste A8 soll genau wie Jack autonom über die Autobahn fahren – allerdings nur bis 60 km/h. Danach werde es noch einmal um die fünf Jahre dauern, bis sich der Fahrer ganz zurücklehnen und die Autobahnfahrt auch bei höherem Tempo dem Autopiloten überlassen kann, hat Entwicklungschef Ulrich Hackenberg zu Protokoll gegeben.

Dafür müssen aber nicht nur die Ingenieure noch ein bisschen Feinschliff betreiben, Jack die Sinne schärfen und ihm noch weiter die Augen öffnen. Sondern auch die Politik ist gefragt. Sie muss den Assistenzsystemen mehr Freiraum gestatten und gleichzeitig ein paar Verhaltensänderungen beim Fahrer erlauben. Denn noch ist auch im autonomen Auto zum Beispiel die Benutzung des Handys verboten – vom Lesen eines Buches oder vom Schließen der Augen ganz zu schweigen.

Politik

Aber die Politik ist nicht nur als Gesetzgeber gefordert. Sondern die Entwickler wünschen sich auch konkrete Unterstützung beim Ausbau der Infrastruktur. Es müssen ja nicht gleich voll vernetzte, quasi digitale Straßen sein, die Staus und Verkehrsbehinderungen automatisch an alle Verkehrsteilnehmer melden. Aber weil Jack nur 250 Meter weit sehen kann und ohne Fahrbahnmarkierung aufgeschmissen ist, wären ein bisschen frische Farbe auf dem Asphalt und ein paar einheitliche Regelungen für die Beschilderung ganz hilfreich, sagt Projektleiter Rössler und wie zum Beweis steigt Jack plötzlich kräftig in die Eisen. Denn die nicht angekündigte Wanderbaustelle kur vor Greding hat er erst in der letzten Sekunde gesehen.

Jack gibt auf

Gut, dass ich ohnehin schon kurz davor war, wieder das Kommando zu übernehmen. Denn analog zur programmierten Strecke hat die Uhr des Autopiloten herunter gezählt und mich eine Minute vor der Ausfahrt so langsam wieder zum Dienst gerufen. 15 Sekunden vorher hat der Countdown begonnen und pünktlich mit dem Wechsel auf die Ausfädelspur ist die Zeitreise mit Jack auch schon wieder vorbei.

Natürlich ist „Jack“ noch nicht perfekt, lässt sich bisweilen noch von ein paar Aufklebern an den Aufliegern von Lastwagen in die Irre führen und von Wanderbaustellen aus der Ruhe bringen. Und sonderlich eilig hat es der Autopilot auch noch nicht. Doch im Grunde wirkt die Technik schon so ausgereift, dass man kaum glauben möchte, warum die Entwickler sich für die Serienfreigabe noch Aufschub bis Anfang des nächsten Jahrzehntes erbitten. Nur an einem Punkt müssen sie bis dahin noch ein wenig arbeiten. Dass Jack jedem dahergelaufenen Drängler bereitwillig Platz macht und sich mir nichts, dir nichts von der linken Spur schubsen lässt, das will so gar nicht zum Markenbild passen.

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