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Porsche 911 Targa: Strandyoga im Morgenrot

Aller guten Dinge sind drei: Denn nach Coupé und Cabrio bringt Porsche den 911 jetzt auch wieder als Targa. Ab August steht der in 55 Jahren zur Legende gereifte Zwitter zwischen den bisherigen Karosserievarianten beim Händler und die Preise beginnen mit bei 128.486 Euro für den Carrera 4 und den 4S gibt es für 143.956 Euro (D).

Von Thomas Geiger

Traditionell mit breitem Bügel über der ersten Reihe und gläserner Kuppel dahinter ist der Targa nicht nur ein Frischluftfanatiker und ein Cabrio für Wasserscheue, sondern vor allem ist er eine Stilikone. Denn geschlossen wie offen sieht er besser aus als die anderen Elfer und spätestens wenn das Dach in Bewegung kommt, stielt er auch den meisten markenfremden Open-Air-Modell unter der Sonne die Schau. Denn so majestätisch, wie die Kuppel nach hinten klappt, um Platz für das textile Dachelement zu schaffen und sich dann wieder ablegt, wirkt der Striptease so spektakulär wie Strandyoga bei Sonnenaufgang in Santa Monica. Viel leidenschaftlicher und lasziver kann man den Sommer kaum begrüßen. Dass der ganze Spaß stolze 19 Sekunden und damit doppelt so lange dauert wie beim Cabrio, ist deshalb kein Schaden.

Außerdem ist danach genügend Zeit, die paar Sekunden wieder hereinzufahren. Schließlich kommt schon das Basis-Modell mit seinem 3,0 Liter großen Sechszylinder-Boxer auf 385 und der Targa S sogar auf 450 PS. Immer mit Allrad und üblicherweise mit Achtgang-Doppelkupplung, auf Wunsch und ohne Aufpreis aber auch als Handschalter, reicht das im besten Fall für einen Sprintwert von 3,6 Sekunden und ein Spitzentempo von 304 km/h. Da sollte der kurze Moment des Innehaltens für das Verdeck-Yoga schon drin sein.

Zumal man mit einem 911 ohnehin immer etwas flotter unterwegs ist und im Targa dafür noch einen weiteren Grund findet. Erstens, weil sich die Luft ausgerechnet zwischen gemütlichen 70 und 90 km/h so sehr unter der Kuppel staut, dass es unangenehm auf den Ohren drückt. Und zweitens, weil es dafür nach oben hinaus um so stiller wird. Wo es im Cabrio ohne Windschott irgendwann empfindlich an den Locken zupft, sperrt der Targa den Sturm wirkungsvoller aus.

Während der Targa für Kritiker nur ein schlechter Kompromiss zwischen Coupé und Cabrio ist, vereint er für die Fans das Beste aus zwei Welten. Und die werden immer mehr. Früher, als der Targa kaum mehr war als ein Coupé mit Schiebedach, das vor allem den strengen Sicherheitsnormen in den USA genügen sollte, lag der Verkaufsanteil im einstelligen Prozentbereich. Mittlerweile ist er auf rund ein Viertel geklettert und liegt damit auf dem Niveau des Cabrio. Das gilt übrigens auch für den Preis, der zwischen den beiden Verdeck-Varianten keinen Unterschied macht.

Aber einen Haken hat die Sache trotzdem: Während das Cabrio-Verdeck mittlerweile so stabil ist, dass man es bei Tempo 50 auch während der Fahrt bedienen kann, zwingt die fragile Targa-Konstruktion den Fahrer zum Stillstand. Der mag darüber in Ungeduld fluchen. Doch die umstehenden werden es ihm danken – und das Yoga für Sonnenanbeter besonders genießen, als staunten sie am Strand von Santa Monica über eine gelenkige Schönheit im Morgenrot.

Jakob Stantejsky

Freut sich immer, wenn ein Auto ein bisserl anders ist. Lieber zu viel Pfeffer als geschmacklos.

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