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Porsche 911 Turbo S: Trotzt dem Taycan

Das letzte Auto wird ein Sportwagen sein – an diese Prophezeiung des alten Ferry Porsche klammern sich Petrolheads in aller Welt. Doch spätestens seit der Premiere des Porsche Taycan gibt es zumindest am Antrieb dieses finalen Flitzers gewisse Zweifel. Sportlich mag das letzte Auto ja noch sein, aber mit einem Porsche, wie wir ihn heute kennen, hat der dann vielleicht nicht mehr ganz so viel zu tun, so die Befürchtung der Bleifuß-Fraktion. Die kann jetzt allerdings erstmal tief durchatmen. Denn bevor die Elektriker ganz das Kommando übernehmen in Zuffenhausen, krönen die schnellen Schwaben den Elfer noch einmal mit einem Turbo nach alter Väter Sitte und führen die Mutter aller Sportwagen so zu einem weiteren Höhenflug.

Von Thomas Geiger

Das gilt nicht nur für die Leistung des unverändert 3,8 Liter großen Sechszylinders im Heck, der statt 580 nun bis zu 650 PS und 800 Nm leistet und damit den größten Sprung in der jüngeren Porsche-Geschichte macht. Sondern das gilt vor allem für das Fahrwerk und mit ihm für das Fahrverhalten. Denn wie eh und je ist der Turbo der perfekte Gran Turismo, mit dem man stundenlang über die Autobahn fliegen kann. Aber er ist jetzt auch wieder ein scharfer Supersportwagen, mit dem man auf Messers Schneide über die Passstraßen rasieren kann. „Wir haben diesen Spagat noch weiter gespreizt und an beiden Enden kräftig nachgelegt,“ sagt Projektleiter Frank-Stefan Walliser und erzählt von der ersten Mischbereifung bei einem Turbo, von der breiteren Spur und von der optimierten Aerodynamik mit der aktiven Buglippe und dem großen Heckflügel, der über der vier Zentimeter breiteren Karosse thront.

Eben noch ganz entspannter Power-Cruiser auf der Autobahn, der mit über 300 km/h dem Horizont entgegen fliegt, braucht es nur ein paar Kilometer Landstraße, damit der Turbo sein zweites Gesicht zeigt: Dort saugt sich der Elfer förmlich fest am Asphalt und nimmt auch die engsten Kehren mit einer Leichtigkeit, die dem Fahrer ein breites Grinsen ins Gesicht brennt, so intensiv ist der Rausch des Rasens.

Das liegt auch daran, dass der Turbo so etwas wie Porsche pur ist und ein direkter Gegenentwurf zum Taycan. Denn während der eine neue Zeit predigt, elektrisch fährt und innen eher wie ein Raumschiff wirkt als wie ein Auto, ist der Turbo fast noch ein altmodisches Auto, in dem zumindest der Drehzahlmesser weiter analog funktioniert und sich der Einsatz der Elektromotoren noch auf die Fensterheber und Sitzverstellung sowie beim Cabrio natürlich aufs Dach beschränkt. Dass der Turbo mit allem dem Komfort mittlerweile stolze 1,7 Tonnen wiegt, sieht man ihm da gerne nach – zumal von dem Gewicht angesichts der Leistung ohnehin nichts zu spüren ist.

Allerdings könnten auch diese Zeiten bald vorbei sein und womöglich ist der 991 Turbo vielleicht schon der letzte seiner Art. Und zwar nicht nur, weil mittlerweile alle Elfer auch ohne den Schriftzug am Heck einen Turbo haben oder selbst der Taycan als Turbo firmiert – obwohl es dort statt des Laders nur ein Ladegerät gibt. Sondern weil selbst bei Porsche keiner darauf wetten mag, dass nicht auch der 911 bald zumindest einen elektrischen Hilfsantrieb bekommt. Vorbereitet jedenfalls ist die Generation 992 sogar für einen Plug-In-Baustein. Doch fürs erste ist er eine Versicherung dafür, dass sie die reine Lehre in Weissach und Zuffenhausen noch beherrschen und die Emotionen nicht vollends auf dem Alter der Elektromobilität opfern. Und so faszinierend ein Taycan auch sein mag und so schnell, kann er dem Turbo nicht folgen. Denn mit einem schelmischen Grinsen erzählt Walliser, dass der Turbo S mit seinem Sprintwert von 2,7 Sekunden nicht nur 0,2 Sekunden schneller ist als der Vorgänger, sondern auch dem E-Porsche eine Zehntel abnimmt.

Komfortabel und zugleich kompromisslos, alltagstauglich und aggressiv, souveräner Gran Turismo und gieriger Supersportwagen – so unterstreicht der Turbo einmal mehr seine Spitzenstellung in der 911-Familie. Das gilt allerdings leider auch für den Preis – der sich gegenüber dem Grundmodell in etwa verdoppelt: Denn los geht’s für das Coupé erst bei 216.396 Euro und für das Cabrio sogar erst bei 229.962 Euro (D).

Jakob Stantejsky

Freut sich immer, wenn ein Auto ein bisserl anders ist. Lieber zu viel Pfeffer als geschmacklos.

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