Drive

Porsche Boxster Spyder – Fummeln für Fortgeschrittene

Motorblock fährt Porsche Boxster Spyder

Der Porsche Boxster Spyder ist alles, nur keine Spielerei. Der komplizierteste Roadster ist zugleich auch der irrwitzigste.

Text: Thomas Geiger
 „Sie müssen nur den Nippel durch die Lasche ziehen und an der kleinen Kurbel ganz nach oben drehen, da erscheint sofort ein Pfeil und da drücken sie dann drauf ….und schon geht die ganze Sache auf“ – wer zum ersten Mal vor dem neuen Porsche Boxster Spyder steht, der fühlt sich unweigerlich an den größten Hit des Blödelbarden Mike Krüger erinnert. Denn viel komplizierter als das so genannte Finnenverdeck des radikalen Roadsters kann man eine Stoffmütze kaum konstruieren. Selbst Miederwaren lassen sich leichter öffnen. Doch wenn ein Auto so eine Fummelei wert ist, dann dieser Spyder.

Denn erstens sieht der Zweisitzer mit der nach Luft schlürfenden Bugschürze und den beiden Höckern auf dem glatten Heckdeckel nicht nur offen, sondern auch geschlossen einfach grandios aus. Und zweitens trägt er den Fahrer auf einer solchen Woge der Emotionen davon, dass man die ruinierten Fingernägel schon vergessen hat, bevor man um die erste Kurve ist.
Kein anderer Boxster hat sich je so leicht, so intuitiv und leidenschaftlich fahren lassen wie dieser. Und keiner hat dabei so ein Spektakel gemacht: Den Sport-Plus Modus aktiviert, den Klappenauspuff geöffnet und die Gänge immer schön bis weit über 6.000 Touren ausgedreht – dann feuert der Sechszylinder Zwischengas, dass einem Hören und Sehen vergeht. Der Auspuff röhrt wie betrunkenen Fans des FC Chelsea im Siegestaumel, im Nacken knallt es wie beim Silvesterfeuerwerk und vor dem geistigen Auge sieht man nur Sternchen, so berauscht düst man mit diesem Tiefflieger über die Landstraße.

Dass der Boxster Spyder so ein verdichtetes Fahrerlebnis bietet, hängt natürlich nur zum Teil am neuen Verdeck. Ja, es ist zehn Kilo leichter als die konventionelle Haube und hat einen segensreich senkenden Einfluss auf den Schwerpunkt. Und vor allem trennt es bei den Besitzern die Spreu vom Weizen, weil sich all die Zahnarztfrauen und VIP-Friseusen bei diesem Auto doch nur die Fingernägel ruinieren würden. Doch Porsche hat für die Radikalisierung des Roadsters einen viel größeren Aufwand getrieben, als ihm nur eine neue Mütze aufzusetzen.

… Kein anderer Boxster hat sich je so leicht, so intuitiv und leidenschaftlich fahren lassen wie dieser. Und keiner hat dabei so ein Spektakel gemacht …





Doch was den Spyder wirklich ausmacht, das ist der gelebte Purismus und die ehrliche Handarbeit. Denn nicht nur das Verdeck ist eine wüste Fummelei, sondern auch ansonsten verzichtet Porsche diesmal auf alles, was das Fahrerlebnis durch überbordenden Komfort verwässern und verweichlichen könnte: Klimaanlage? Braucht man nicht! Sitzverstellung? Wird hoffnungslos überbewertet! Schalldämmung? Kann man sich schenken! Eine Automatik ist nur was für Weicheier und warum Türgriffe einbauen, wenn es auch einfach Stoffschlaufen tun? Selbst das Radio ist nur Ballast, wenn im Nacken so ein Orchester aufspielt. Ach hätten sie doch nur gleich noch das Navigationssystem mit rausgeworfen. Das ist so lahm, dass es bei diesem Auto ohnehin kaum hinterher kommt. Und statt auf dem Touchscreen zu fingern, lässt man die Hände hier besser am Lenkrad.

Der Lohn für diesen Verzicht ist die reine Leere puren Fahrens – und ganz nebenbei ein Diäterfolg von 30 Kilo gegenüber dem Boxster GTS. Mit im besten Fall nur noch 1.315 Kilo wird der Boxster Spyder so zu einem der leichtesten Modelle in der Porsche-Palette und tänzelt entsprechend leichtfüßig durch die Kurven.

Weil die Schwaben natürlich auch noch einmal am Fahrwerk (minus zwei Zentimeter in der Trimmlage) und am Motor (plus 0,3 Liter Hubraum) gefeilt haben, ist der Spyder nicht nur schöner als der normale Boxster, leichter und puristischer, sondern auch schärfer, stärker und schneller. Statt 330 PS wie im Boxster GTS leistet der auf 3,8 Liter aufgebohrte Sechszylinder aus dem 911 S nun 375 PS und hat buchstäblich leichtes Spiel mit dem Zweisitzer. Von 0 auf 100 reißt er ihn mit seinen 420 Nm in 4,5 Sekunden und Schluss mit der Raserei erst bei 290 km/h – stürmische Zeiten sind da Vorprogrammiert. Angst vor schlechtem Wetter muss man dabei übrigens nicht haben. Denn erstens taucht man bei diesem Tempo selbst unter dem stärksten Schauer einfach durch. Und zweitens steht man im Spyder ohnehin so schnell im Schweiß, dass die Kleider längst schon nass sind und eine kleine Abkühlung gar nicht schaden kann.

Klicken Sie hier um Ihren eigenen Text einzufügen
Klicken Sie hier um Ihren eigenen Text einzufügen

Rainer Behounek

War bis 2017 Teil der Motorblock-Redaktion.

Weitere Beiträge

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"