Alles Porsche, nur ganz anders
Abnahmefahrt im Porsche Taycan
Von Thomas Geiger
Von Erwartungen und Befürchtungen eingezwängt wie in einem Schraubstock und der Countdown für den Start der Produktion im Stammwerk Zuffenhausen in der heißen Phase – da würde man dem Mann eine gewisse Nervosität zugestehen. Doch wenn es die gibt, lässt sich Stefan Weckbach davon jedenfalls nichts anmerken. Im Gegenteil: Entspannt, gelassen und mit dem bislang Erreichten augenscheinlich sehr zufrieden, sitzt er am Steuer seines Prototypen und treibt jenen Sportwagen, der Porsche fit für die Zukunft machen soll, mit Lust und Leidenschaft rund um das Entwicklungszentrum in Weissach.
Das hat durchaus etwas Gespenstisches, selbst wenn die Tarnung des Taycan mittlerweile ziemlich dürftig ist und das viertürige Coupé, das nur wenig kürzer, dafür aber deutlich flacher ist als der Panamera, lange nicht mehr so geheimnisvoll wirkt. Doch da, wo sonst die Turbos röhren und die Boxer-Motoren brüllen, vernimmt man vom Taycan nur ein leises Surren und spürt ihn eher vorbeifahren als dass man ihn tatsächlich hört.
Das ist jedoch fast schon der einzige Unterschied zu Elfer & Co. Am Elan jedenfalls mangelt es dem Tarnkappenbomber bei seinem Tiefflug nicht. Mit rund 600 PS für die stärkste der zahlreichen geplanten Modellvarianten erreicht er mit je einem Motor pro Achse trotz seiner stets deutlich über zwei Tonnen Fahrleistungen, die besser sind als bei jedem Panamera. „Alles, was wir bei der Präsentation der Studie versprochen haben, werden wir mit dem Serienauto einhalten oder gar übertreffen“, sagt Weckbach: Von 0 auf 100 wird der Taycan deshalb kaum mehr als drei Sekunden brauchen und wo Audi e-tron oder Mercedes EQ C im Leben nicht auf 200 km/h kommen, nimmt der Porsche diese Hürde in etwa zwölf Sekunden.
Aber dass Elektroautos spurtstark sind, das hat auch schon Elon Musk mit seinen Teslas gepredigt. Und dass der Taycan Auslauf bis 250 km/h bekommt, ist nach der Vorlage des Model S das mindeste. Doch damit kann und will sich Porsche nicht bescheiden: Weil der Taycan ein echter Porsche sein soll, bringt er diese Performance nicht wie Tesla & Co zwei- oder dreimal, sondern immer und immer wieder. „So lange die der Akku genügend Strom liefern kann, bietet der Taycan auch die volle Leistung“, verspricht Weckbach. Wäre ja noch schöner, wenn ein Porsche freiwillig einen Gang herunterschalten würde.
Und das ist nicht der einzige Unterschied zu Model S & Co. Sondern natürlich definiert Weckbach Sportlichkeit nicht allein über die Sprintwerte, sondern erlaubt im Taycan auch eine Querdynamik, wie man sie unter den Stromern so noch nicht erlebt hat. Mit einem Schwerpunkt niedriger als beim GT3, mit der mitlenkenden Hinterachse des Elfers und einem adaptiven Fahrwerk wie im Panamera schrumpft der knapp fünf Meter lange Riese augenscheinlich zu einem handlichen Sportwagen, der die Landstraße zur Lustmeile macht. Spätestens dann sind die Hinterbänkler sogar dankbar dafür, dass es im Taycan etwas enger zugeht als im Panamera, weil sie dann mehr Halt finden im Ringen mit der Fliehkraft.
Während die Mitfahrer deshalb unter der Tarnung nach den Griffen in den Türen suchen, um sich tapfer am Platz zu halten, hat Weckbach eine Hand meist in der Luft und unterstreicht damit seine Worte. Denn egal wie eng und verwinkelt der Kurs auch ist, hält der Baureihenleiter den Taycan meist nur mit einer Hand auf der Ideallinie, so gut ist das Auto offenbar zu beherrschen – selbst wenn er bei der Testfahrt wiederholt seinen Führerschein riskiert, weil das Limit schneller überschritten ist als man es wahrhaben kann. Und dabei sprechen wir nicht von den Grenzen der Physik, sondern von denen, die die Polizei gezogen hat.
Aber der Taycan fährt nicht nur wie ein Porsche und trotzdem ganz anders. Sondern auch das Design schlägt eine Brücke in die Zukunft, ohne die Vergangenheit zu verleugnen. Außen stehen dafür vor allem die neuen Scheinwerfer, die vor den wie immer überhöhten Kotflügeln zu schweben scheinen, und das dünne Leuchtschwert am Heck, das die durchgehenden Rücklichter der aktuellen Modellpalette neu interpretiert . Und innen ist es das Cockpit, in dem sich Porsche-Fahrer fühlen werden wie Captain Future und trotzdem auf Anhieb zurechtkommen dürften. Denn wenn Weckbach zwischendurch mal stolz die blickdichten Tarnmatten lüftet, schaut man in eine Bildschirmlandschaft, in der es kaum noch haptische Bedienelemente gibt – selbst die Lüfterdüsen verstellt man jetzt auf einem Touchscreen.
Das sieht ungeheeuer futuristisch aus und lässt selbst die Teslas mit ihrem großen Tablet irgendwie alt wirken, hat aber schon bei der Cross Turismo-Studie so gut funktioniert, dass man sich über Bediensicherheit keine Gedanken machen muss. Zumal auch hier ein paar goldene Gesetze der Porsche-Geschichte berücksichtigt bleiben: Die unterschiedlichen Fahrmodi wählt man nach wie vor mit einem Drehschalter am Lenkrad und links davon leuchtet stolz ein Sensorfeld, das an den Startknopf erinnert.
So zufrieden und zuversichtlich Weckbach bei seinen Runden um Weissach auch wirkt, kann er auf den positiven Ausgang des Projektes bislang natürlich nur hoffen. Doch sollten ihn die Zweifel packen, muss er sich nur die jüngste Zahl der Vorbestellungen geben lassen. Die ist mittlerweile offenbar so hoch, dass Porsche die Produktionskapazität für den Taycan gerade noch einmal angehoben hat.