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Range Rover Sport P400e PHEV: Leiser Riese

Ob effizienter Sechszylinder-Diesel, ordinärer V8-Kompressor oder neuerdings auch sparsamer Plug-in-Hybrid: Was die Motorenvielfalt betrifft, macht dem Range Rover Sport so schnell niemand was vor.

Text: Maximilian Barcelli

Den Range Rover gab’s schon, da war eher vom Baby- als vom SUV-Boom die Rede. 1970 lösten sich die Beatles auf, Queen wurde gegründet, Jochen Rindt verunglückte, Willy Brandt kniete sich vor dem Warschauer Ghetto-Ehrenmal nieder – und der Range Rover Classic wurde präsentiert. Damals ein Vorreiter, aber auch heute, fast 50 Jahre später, geht die Marke einen eigenwilligen Weg, fernab der mittlerweile zahlreichen Konkurrenten. Das merkst du gleich beim Einsteigen. Wie im LKW thront man über der Straße, blickt runter auf SUV-Konsorten, gern auch mit britischer Hochnäsigkeit, immerhin fährt man ja Range Rover. Egal ob in DEM Range Rover, dem Evoque oder eben auch Sport – man sitzt immer ein bisserl höher, erhabener als im Mitbewerb. Ein feines Gefühl.

Traditionell, aber nicht altmodisch. Das stellt ein Blick in den Innenraum klar – und einer unter die Motorhaube. Während der V8 im Ur-Range Rover mit 3,5 Litern Hubraum nicht einmal 140 PS erwirtschaftet, quetschen die Briten heute aus dem Zweiliter-Vierzylinder im Range Rover Sport schon 300 Pferdchen. Trotz der mehr als zwei Tonnen Gewicht eigentlich genug, um das SUV angemessen nach vorn zu treiben. Nur der Verbrauch, der wäre dann nicht mehr ganz zeitgemäß, müht sich so ein Zweiliter-Murl mit einem Fahrzeug dieser Ausmaße doch ziemlich ab. Praktisch, dass die Briten ihren Ingenium-Motor elektrisch unterstützen und den Range Rover Sport zum P400e PHEV adeln. Systemleistung: 404 PS. Offizieller Verbrauch: 3,2 bis 3,3 Liter Benzin pro 100 Kilometer – und das bei einem Leergewicht von mehr als 2,4 Tonnen und einem Sprint von 0 auf 100 km/h in nur 6,7 Sekunden.

Kompletter Nonsens, natürlich. Also nicht das mit den 2,4 Tonnen, so ein Range Rover Sport ist an sich schon kein Federgewicht, schon gar nicht mit dualem Antriebsstrang und schwerer Batterie. Und das mit den 6,7 Sekunden glauben wir auch gerne, er schiebt schon sehr sauber an. Die 3,3 Liter hingegen … nun ja. Wer sich den Range Rover P400e PHEV zulegen möchte, der sollte eine Lademöglichkeit in der Arbeit und/oder Zuhause haben. Ansonsten macht das Fahrzeug wenig Sinn. Denn auf der Langstrecke, also dort, wo die E-Maschine wenig mitredet, schleicht sich beim Realverbrauch gerne noch ein Einser vor den ersten Dreier. Weil ein zu kleiner Motor für ein zu großes Auto eben häufig unter Volllast steht. Dass der Vierzylinder durch die Batterie zusätzliches Gewicht mitschleppen muss – und zwar nicht wenig – ist auch nicht hilfreich .

Der Langstreckenfahrer ist also weiterhin mit einem Diesel bestens bedient, natürlich finden sich auch allerlei selbstzündende Variationen in der Range Rover Sport-Motorenpalette. Wer aber oft kleine Strecken fährt, also jeden Tag zehn bis fünfzehn Kilometer ins Bergwerk pendelt, der hat mit dem P400e-Antrieb seinen Meister gefunden. 51 Kilometer kommt man offiziell rein elektrisch. Wer umsichtig fährt, schafft 40. Genug, um nach der Arbeit auch noch den Einkauf zu erledigen. Dann ab nach Hause zur geliebten Gattin, Stecker schnell rein, danach in die Garage und das Auto an den Strom hängen und am nächsten Morgen geht’s wieder emissionsfrei in die Bude (sorry für das rückständige Frauenbild, doch der Witz hätte umgekehrt nicht so gut funktioniert). Wenn dieser Mobilitätsalltag gegeben ist, ist es quasi irrelevant, dass man an und ab in den Urlaub fährt oder die Schwiegermama am Land besucht und dabei mehr als zehn Liter pro 100 Kilometer verbraucht. Weil man insgesamt schon so viel Benzin spart. Ja, dann macht der Range Rover Sport P400e PHEV richtig, richtig Sinn.

Kleiner Kritikpunkt allgemein: Das Infotainmentsystem beziehungsweise die Map der digitalen Instrumente. Grundsätzlich ist der Innenraum eines Range Rover Sport edel. Gute Verarbeitung, sensationelle Materialien und die zwei Touchscreens verschmelzen elegant mit den analogen Reglern. Doch was die Software betrifft, muss nachgebessert werden, da ist man doch etwas vom Standard in dieser Preisklasse entfernt. Das bezieht sich einerseits auf die Reaktionszeit des Systems, anderseits auf das Design der Armaturen. Schon klar, man kauft ein Auto und kein rollendes Smartphone. Doch wenn ich mindestens 90.500 Euro für ein Fahrzeug auf den Kopf haue, dann erwarte ich mir einfach schönere Linien, die mir den Verkehrsfluss anzeigen, als solche:

Ernsthaft jetzt: Hat das ein Dreijähriger gezeichnet? Aber gut, ein kleiner Fauxpas in einem grundsätzlich gelungenen Fahrzeug. Wenig Worte haben wir über Fahrwerk und Lenkung verloren – aus zweierlei Gründen. Erstens ist der Range Rover Sport als solcher ja nicht neu, der Antriebsstrang aber schon und deshalb interessant(er). Und zweitens: Eh alles fabelhaft. Fassen wir also zusammen: Mit dem erhabeneren Fahrgefühl differenziert sich der Sport von BMW X5 und Mercedes GLE. Dafür findet man solch Macken wie die Anzeige des Verkehrsflusses in den auf Perfektion getrimmten deutschen Konkurrenten nicht. Ob sich der duale Antriebsstrang auszahlt, hängt ganz vom individuellen Mobilitätsbedürfnis des Käufers ab. Pendelt man regelmäßig kurze Strecken, ist der Range Rover P400e PHEV eine Alternative zum E-Auto als Zweitwagen – und zwar eine verdammt gute.

Maximilian Barcelli

Bei 7.000 Touren beginnt der Spaß für den mehr begeisterten denn begnadeten Autofahrer.

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