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Renault Alaskan: Offroad à la Carte

Hupf in Gatsch!

Offroad à la Carte im Renault Alaskan

Ich war im nigelnagelneuen Renault Alaskan unterwegs und konnten der Frage nachgehen, ob dieses Auto denn ein Lifestyle-Laster oder ein Schlammcatcher ist. So ganz sicher bin ich mir diesbezüglich auch jetzt noch nicht, doch der Franzose mit japanischen Vorfahren weiß zu gefallen und überzeugt auch im tiefsten Gatsch.

Text: Jakob Stantejsky

Schon bei der neuen X-Klasse gab es das ewig gleiche Gesudere von wegen „Ist das überhaupt ein Mercedes, oder einfach nur ein Nissan mit Stern?“. Da Renault nunmal mit den Japanern verbrüdert ist, kommt die Diskussion natürlich auch beim Alaskan auf, der ebenfalls auf dem guten alten Navara aufbaut. Und ja, natürlich steckt auch im Geländefranzosen eine Menge Fernost, doch das macht den Alaskan nicht zum Unhold. Denn wenn Renault tatsächlich die Verbindung zu Nissan und dadurch vorhandenes Know-How und Technik ignorieren würde, könnte man die Franzosen auch als bankrottfreudig bezeichnen. Schließlich und endlich ist der Alaskan ein Nischenmodell, von dessen Erlösen sich die Marke nicht erhalten wird können – man will nur ein wenig am Pick-Up-Kuchen mitnaschen.
Ans Buffet rollt der Alaskan mit entweder 160 oder 190 Diesel-PS, die aus einem einfach oder doppelt turbogeladenem Renault-Vierzylinder stammen. Standardmäßig treibt dieser Motor die Hinterräder an, per Drehschalter kann jedoch jederzeit auf Allradschub umgeschaltet werden. Zusätzlich bietet Renault auch noch eine Geländeuntersetzung an, die ebenfalls per Dreh aktiviert wird. Die Hinterachse verfügt über eine Differentialsperre, die ebenso allzeit zum Einsatz bereitsteht. Auch sonst ist alles mit an Bord, was der heutige Assistenzsystemmarkt zu bieten hat – Pick-Up-spezifisch kommen noch eine Berganfahrhilfe und eine Abstiegshilfe dazu. Auf die Ladefläche könnt ihr eine Tonne Zuladung klatschen, wobei der Alaskan dann immer noch 3,5 Tonnen schleppen kann. Die Heckklappe hält praktischerweise über 200 Kilogramm aus, wodurch man beim Beladen sorglos zu Werke gehen kann.

Jetzt wisst ihr, was unterm Blech so abgeht, doch wie schaut’s mit den äußeren Werten des Alaskan aus? Wer den Navara kennt, wird seine Patenschaft für den okzidentalen Neffen definitiv festzustellen vermögen, was die Karosserieform angeht. Doch davon abgesehen hat Renault seinem ersten Pick-Up alles verpasst, was die Franzosen zurzeit ausmacht. Sagte ich alles? Nun ja, nicht ganz. Denn das riesige vertikale Touchdisplay im Cockpit, das mittlerweile fast schon ein Markenzeichen geworden ist, darf das Arbeitstier nicht sein Eigen nennen. Ob das nun der Praxistauglichkeit oder dem einfacheren Umbau geschuldet ist, sei dahingestellt. Innen dominiert jedenfalls Plastik in Hülle und Fülle, was allerdings bei einem Auto mit diesen Ansprüchen sicher intelligenter als ein Haufen empfindliches Leder und Klavierlack ist. Die Sitze jedoch sind vom Feinsten und könnten ohne Weiteres in jeder Limousine auch ihren Platz finden. Summa summarum bewegt sich der Alaskan design- und komforttechnisch irgendwo zwischen den Welten. So ist er luxuriöser als ein einfaches Nutzfahrzeug, aber deutlich rustikaler als ein SUV.

Auf der Straße leistet der Motor gute Dienste, heftiges Latschen aufs Gaspedal kann man sich aber sparen. Dann brüllt das Aggregat zwar auf wie ein Löwe in der Savanne, doch verglichen damit geht nicht wahnsinnig viel weiter. Ja, er zieht schon an – aber echte Dynamik schaut anders aus. Gut gelungen ist dafür das Lenkverhalten des Pick-Ups: So fühlt sich der Alaskan jederzeit schwer und wuchtig an, ganz wie man es sich von einem derart mächtigen Fahrzeug erwartet. Kurvenflitzer soll er sowieso keiner sein, da ist es nur löblich, dass Renault ihm ein stoisches und beinahe stolzes Handling mitgibt. Hier tricksen nicht tausend Systemchen an den Grenzen der Physik herum, sondern man darf die wirkenden Kräfte ordentlich auskosten – das verleiht dem Alaskan ein äußerst passendes rustikales Feeling.

Seine wahre Stärke spielt der Franzose jedoch erst im Gelände aus, wie ich selbst bei strömendem Regen und dreißig Zentimeter tiefem Gatsch feststellen durfte. So beißt er sich in aller Seelenruhe durch jedes Hindernis, seien es nun zwanzig Zentimeter hohe Geröllstufen oder vollkommen verschlammte, steile Aufstiege. Er mag zwar auch hier nicht rasant wirken, doch schlussendlich geht der Alaskan gegen jedes noch so widrige Hindernis als Sieger hervor. Dabei strahlt er stets eine Sicherheit aus, die schlagartig auch auf den Fahrer übergreift und so bekommt man in diesem Auto ein richtiges „Nichts kann mich stoppen“-Feeling. Denn selbst wenn der Weg scheinbar versperrt ist, der Alaskan fräst sich tiefenentspannt durch die Gegend, bis er am Ziel angekommen ist – für ein Arbeitstier kann es kein besseres Kompliment geben.

Die Frage aus der Einleitung ist dennoch nicht wirklich bentwortet worden, stimmt’s? So pauschal kann ich sie leider auch nicht abkanzeln. Der Renault Alaskan ist zwar zweifelsfrei ein ausgezeichneter Arbeiter, der keine Aufgabe scheut. Doch gleichzeitig will er mehr sein. So hat er seinen eigenen (französischen) Charme, der ihn ein wenig vom sturen Nutzfahrzeug abhebt. Wenn man so möchte, ist der Alaskan ein Bauarbeiter, der sich in der Mittagspause aufs Gerüst setzt, die Beine baumeln lässt und ein gutes Buch hervorholt – ein feinsinniger Arbeiter, der das Leben gern genießt.

Jakob Stantejsky

Freut sich immer, wenn ein Auto ein bisserl anders ist. Lieber zu viel Pfeffer als geschmacklos.

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