Strom ganz alltagsnah
Unterwegs im Renault ZOE
Text: Jakob Stantejsky
Mit 300 Kilometern Reichweite unter realen Bedingungen bewirbt Renault seinen Stromer, der bei solchen Zahlen definitiv mehr als ein reines Stadtauto ist. Vollgetankt übernehme ich den ZOE mit einer Restreichweitenanzeige von ebendiesen 300 Kilometern. So weit, so korrekt also. Circa 70 Kilometer später zeigt mir das Instrumentendisplay allerdings satte 250 Kilometer Reichweite an, tatsächlich habe ich also offenbar weniger verbraucht, als Renault sich gedacht hat. Leicht begünstigt wurde der ZOE dabei von den spätsommerlichen Temperaturen, dank derer ich die Klimaanlage einfach abdrehen und die Fenster offenlassen konnte. Das wirkt sich natürlich positiv auf den Stromverbrauch aus, doch auch bei Fahrten mit Klimaanlage schoss der Ladungsverlust nicht über ein 1:1-Verhältnis zwischen gefahrenen und angezeigten Kilometern hinaus. Betont sparsam und brav war ich dabei nicht unterwegs, erzwungene Sprintetappen habe ich allerdings auch ausgelassen.
Unterm Strich: Wer mit dem Renault ZOE normal fährt, kommt zumindest in der Stadt auch auf die versprochenen 300 Kilometer Reichweite. Oft geht die Schere zwischen Werbeplakat und Realität bei Elektroautos in dieser Hinsicht sehr weit auseinander, doch der Franzose hält hier echt Wort und sammelt damit eine fette Ladung Sympathiepunkte. Bei 35 Grad im Schatten oder Temperaturen unter dem Gefrierpunkt schaut die Geschichte wahrscheinlich wieder ein Bisschen anders aus, aber das konnten wir leider nicht austesten.
Grundsätzlich ist man mit dem ZOE elektrotypisch superflott und spontan unterwegs und gerade in der Stadt schätzt man die knackigen Abmessungen und die Wendigkeit des Franzosen sehr. Dank der hohen Sitzposition fühlt man sich dennoch fast schon SUV-mäßig überlegen, während die Karosserieform den Insassen jede Menge Platz gönnt. Hinten wie vorne lebt es sich sehr bequem und auch Großgewachsene haben keine Leiden zu klagen. Designtechnisch geht der ZOE innen wie außen einen eigenwilligen, aber stimmigen Weg. So gibt er sich eigentlich durchwegs recht reduziert und glatt, setzt aber mit Details wie den futuristischen Scheinwerfern und Heckleuchten, den runden Formen und den blauen Akzenten im Interieur ein Statement für seine eigene Persönlichkeit. In Punkto Schalter hat Renault alles wegrationalisiert, was nicht unbedingt nötig ist und so ein sehr freies Cockpit geschaffen.
In unserer Testvariante leistet der Elektromotor übrigens 110 PS, die aber dank E-Power eine besonders breite Brust haben und jederzeit frech-fröhlich anschieben. Mit dem ZOE war ich in der Stadt so vergnügt unterwegs wie schon lange nicht mehr, doch auch überland weiß man die Laufruhe (hähä) und die perfekt an die Alltagsbedürfnisse angepasste Leistung des kleinen blauen Kugelblitzes zu schätzen. Klar schrumpft auf der Autobahn die Reichweite rapide, doch rein vom Fahrerlebnis her fremdelt dieser Renault auch mit der Langstrecke absolut nicht.
Der Renault ZOE war schon in der ersten Generation ein Auto, das Elektromobilität nicht nur für Alle, sondern vor allem für den Alltag ermöglichen wollte. Spätestens jetzt ist diese Mission auch definitiv als absolviert zu betrachten, denn der neue ZOE lässt im Normalbetrieb keinerlei Wünsche offen. Dass Strom allerdings der Vortrieb für Jedermann sein kann, dem steht jedoch noch ein Detail im Weg: Mit einem Startpreis von 24.990 Euro ist der ZOE immer noch ein paar Häuserecken teurer als ein Kleinwagen mit Verbrennerantrieb. Das liegt natürlich nicht am bösen Willen von Renault, sondern in der Natur der Sache. Und auch wenn der ZOE noch nicht für jeden leistbar ist, ist er nun leistungsmäßig definitiv konkurrenzfähig und in so mancher Hinsicht der Konkurrenz eben auch weit voraus.