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Smart wird ab 2022 chinesisch

Smart wird ab 2022 chinesisch

Ein Schrecken ohne Ende oder ein Ende mit Schrecken? Daimler probt – mal wieder – einen Kurswechsel bei Smart und baut die nächste Generation des Bonsai-Benz in China. Das haben die Schwaben jetzt mit ihrem größten Einzel-Aktionär und Geely-Chef Li Shufu vereinbart und dafür ein eigenes Joint-Venture gegründet. Das soll bis 2022 mit dem Design von Daimler und der Technik von Geely eine neue, natürlich komplett elektrische Modellpalette entwickeln, die in einem eigenen Werk in China gebaut und von dort aus in die Welt verschifft werden soll.

Von Thomas Geiger
Zwar will Smart weiter an der Idee vom Kleinstwagen fest- und den 2,50 Metern die Treue halten. Doch um endlich aus seiner mikroskopischen Marktnische heraus zu wachsen, soll es künftig auch deutlich größere Modelle geben. Neben dem ForTwo und dem ForFour kommt so wieder ein ForMore ins Gespräch, der ins B-Segment wachsen und gegen Autos wie den Renault Zoe oder den elektrischen Mini antreten soll. Und wenn man mit Designchef Gorden Wagener spricht, hört man noch viel mehr Ideen heraus, die bis hin zu einer Miniaturausgabe der G-Klasse reichen. Der aktuelle Suzuki Jimny jedenfalls scheint dem Chief Creative Officer aus Stuttgart ein Stachel im Fleisch, den er mit einer adäquaten Antwort von Smart gerne ziehen würde.
Mit dem Verkauf von 50 Prozent der Smart-Anteile an Geely unternimmt Daimler den nächsten Versuch, die lange und leidvolle Smart-Story doch noch zu einem Happy-End zu führen. Denn bislang war das kleinste Auto der Republik für die Schwaben nichts anderes als ein großes Milliardengrab. Zwar zweifelt niemand an der Innovationskraft des Winzlings, der den Spaß in den Stadtverkehr zurück gebracht und dem Parken den Schrecken genommen hat. Die allermeisten Besitzer sind ebenso treue wie begeisterte Fans und Car2Go hätte es ohne ihn wohl nie zum größten Carsharing-Anbieter gebracht. Doch weder die erste Generation, die sie komplett alleine verantwortet haben, konnte die Verkaufserwartungen erfüllen und die immensen Entwicklungskosten einspielen, noch ist die aktuelle, gemeinsam mit Renault auf Basis des Twingo entwickelte Auflage des Bonsai-Benz sonderlich erfolgreich. Die Ankündigung, die Benziner einzustellen und auch beim laufenden Modell nur noch auf Akku-Autos zu setzen, wurde deshalb auch nicht als sonderlich mutig aufgefasst, sondern als ersten Schritt eines schleichenden Rückzugs – zumal die Umstellung der Produktion durch Probleme bei der Batterielieferung auch noch verzögert wurde.
Wenn Daimler jetzt auf Geely als Partner setzt und selbst ein wenig in den Hintergrund tritt, wollen die Schwaben damit das Grund-Dilemma des Smart endlich lösen: Sein schlechtes Preis-Leistungsverhältnis. Denn auch wenn sie bis dato Premium-Preise erhoben haben, konnte der Smart den Mercedes-Anspruch weder bei Qualität und Materialanmutung noch beim Fahrverhalten erfüllen. Mit dem Label „Made in China“ sollte sich das Problem von beiden Seiten gleichzeitig lösen lassen: Die Preise dürften dramatisch sinken und die die Ansprüche an das Auto ebenfalls.
Und wer sich nicht für einen Smart aus China erwärmen kann, der hat ja noch ein bisschen Zeit: Für mindestens zwei Jahren laufen ForTwo und ForFour in Hambach und Novo Mesto weiter von Band – und im Herbst bekommen beide sogar nochmal ein Facelift.

Jakob Stantejsky

Freut sich immer, wenn ein Auto ein bisserl anders ist. Lieber zu viel Pfeffer als geschmacklos.

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