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Triumph Street Scrambler: Farewell, dear friend!

Triumph Street Scrambler

Farewell, dear friend!

Mann kann viel falsch machen, wenn man ein Retromotorrad auf den Markt bringt. Oder man macht es so wie Triumph mit der 2017er Street Scrambler. Ein Abschied, der schwerfällt …

Text: Gregor Josel / Fotos: Michael Alschner

Ich bin nicht unbedingt der Gattung Mensch zugehörig, die sozusagen ab Werk mit großen Emotionen gesegnet ist. Gehen dem einen beim Titanic-Finale die Lichter aus und dem anderen das Häferl über beim Katzi-Video auf Facebook, bin ich eher, naja, gefestigt, was Freuden- wie auch andere Tränen betrifft. Doch manchmal trifft mich dann doch aus heiterem Himmel der Gefühlsblitz! Wie vor ein paar Tagen, als es dann doch endlich wirklich Herbst wurde und ich mich von meiner neuen Liebe, der Triumph Street Scrambler, nach mehr als sechs fabelhaften Dauertestmonaten trennen musste. Denn künftig würde sie wem anderen Freude bereiten. Unsere Zeit war somit vorüber. Dabei hat doch alles so schön begonnen!

Es ist nur ein Motorrad, sagen Sie mit Recht! Ja, natürlich! Aber ich muss gestehen, es ist ein ganz besonderes Motorrad, das die Briten hier im heurigen Frühjahr als Nachfolgerin der bisherigen Scrambler auf die Straße stellten. Auf dem Retro-Pfad marschiert Triumph ja nun schon seit vielen Jahren sehr erfolgreich. Auch die letzte Scrambler war ein nettes Motorrad, hatte aber zugegebenermaßen ziemlich viele Mankos. Magere Motorleistung, schwache Bremserei, ein eher bescheidenes Fahrwerk. Wie aber schon in den letzten Zwischenberichten der heurigen Saison zu lesen war, haben die Briten bei der neuen Street Scrambler allerdings gar kein Auge zugedrückt und tatsächlich alles wesentlich verbessert. Und die Euphorie zu Beginn der Dauertestsaison ob des so erwachsenen Fahrwerks, der wesentlich besseren Bremserei, der ultrabequemen Sitzposition und nicht zuletzt der genialen Optik wegen, ist zwischenzeitlich zur großen Liebe geworden! Besonders angetan bin ich selbst nach mehreren tausend Kilometern vom Motor der kleinen Street Scrambler. Mit 55 PS laut Datenblatt holt man ja heutzutage nahezu niemanden mehr hinterm Ofen hervor, doch Triumph hat diesen an sich wunderbaren, aber bis dato etwas kastrierten Motor derart clever modifiziert, dass einem die PS-Leistung praktisch völlig egal ist. Dazu ziehen die imposanten 80 Nm Drehmoment viel zu energisch aus der untersten Drehzahl weg. Mehr Leistung kann man haben, braucht man aber gefühlsmäßig nicht.
Dementsprechend sorgte das wundersame Retro-Eisen aus Großbritannien nicht nur einmal für ziemlich große Augen bei diversen Konkurrenten. So auch am allerletzten Tag unseres sommerlichen Gspusis, an dem es mich nochmals in die Wachau und auf den Jauerling mit ihr zog. Gemeinsam wollten wir noch einmal die herbstlichen Sonnenstrahlen genießen, in trauter Zweisamkeit noch ein paar große Enduros und Nakedbikes in ihren Grundfesten erschüttern, wenn sie von einem Retro-Eisen, noch dazu mit schmerzverstärkendem deutschen Kennzeichen, auf der Hausstrecke hergebrannt würden. So sieht nun mal echte Liebe aus!
Und tatsächlich fiel es mir selten so schwer, ein Test-Eisen wieder abzugeben! Denn die kleine Street Scrambler steckte voller Überraschungen und wurde für mich in den letzten Monaten zum Inbegriff von echtem Fahrspaß, abseits des Leistungs- und Elektronikwettrüstens. Ein grundsolides Motorrad, simpel in der Handhabung, unprätentiös in ihrem Gehabe, verlässlich alle Tage und sehr gutaussehend obendrein. Absolutes Heiratsmaterial. Kein übertrieben heißer Feger, der dich womöglich nur verletzt, eher der Deckel zum Topf, mit dem du gerne alt werden möchtest. Drum, leb wohl, geliebte Freundin! Wir hatten eine wunderbare Zeit. Und wenn es denn sein sollte, du hättest nebst Platz in meinem Herzen, auch immer einen in meiner Garage!

:Infoporn

Hubraum: 900 ccm

Leistung: 40,5kW/55PS

Verbrauch: 7,6l / 100km

Drehmoment: 80Nm bei 2.850 U / min

Spitze: 180 km/h

Gewicht (fahrfertig): 223kg

Tankinhalt: 12 l

Testverbrauch: 4,8 l / 100 km

Preis: ab 11.400 Euro

Jakob Stantejsky

Freut sich immer, wenn ein Auto ein bisserl anders ist. Lieber zu viel Pfeffer als geschmacklos.

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