Auch wenn es für den ein oder anderen vielleicht ein bisserl langweilig ist: Um den neuen Sprössling VW Taigo der Crossover Gattung aus Wolfsburg zu erklären (und vor allem zu verstehen), bedarf es ein wenig Geschichtsunterricht:
Fotos: Hersteller
1963 stellte Jeep, die Erfinder des Willy Militär-Geländewagen, den Wagoneer vor. Die Idee: Alltagstauglichkeit und Komfort einer Limousine, kombiniert mit einer höheren Sitzposition und genug Geländegängigkeit, für den ein oder anderen Ranch-Besitzer. Quasi die Ur-Aufführung des „Schlechtwege-Pakets“. Die Briten waren britisch und meinten, dass dem ganzen Thema ein wenig „luxury and pizazz“, fehlte und brachten 1970 den klassischen Range Rover auf den Markt. Mehr Leder als Zuverlässigkeit, ein 3,5 Liter V8 und vor allem ein permanenter Allradantrieb. Bedeutete für den kultivierten Lord von damals, dass er adäquat seine Gebietsschaften erkunden konnte, aber gleichzeitig stilbewusst zum vier Uhr Tee erschien. Marvelous, isn’t it?
Aber auch das „gemeine Volk“, hat Wind bekommen vom Komfort des erhöhten Sitzens. Toyota waren die ersten, die ein SUV für die Masse zu einem angemessenen Preis produziert haben. RAV4 war sein Name, extreme Geländegängigkeit konnte er nicht, dafür dank dem fehlendem Leiterrahmen ordentlich fahren und wenig kosten. Ein Kassenschlager also. Springen wir ins Jahr 2007: Der Nissan Qashqai und der VW Tiguan werden vorgestellt und damit auch eine ganz neue Kategorie an SUV’s, nämlich sogenannte Crossovers. Sie definieren sich durch die geländegängige Optik, unter der sich aber meist eine frontangetriebene Plattform versteckt. Kritiker der Zeit waren vom Konzept geradezu angeekelt, weil warum kombiniert man denn Geländeoptik mit Frontantrieb.
Das Lachen ist ihnen wahrscheinlich ganz schnell vergangen: So erfolgreich wie das Crossover-Segment ist kein anderes, egal ob mit Frontantrieb oder Allrad. Also, was hat das ganze dann eigentlich mit dem neuen VW Taigo zu tun? Naja, wie kein anderer Hersteller hat Volkswagen in den letzten Jahren erkannt, dass richtig viel Kohle aus diesem Segment zu holen ist. 2022 gibt es 10 verschiendene Modelle, welche allesamt, manche mehr andere weniger, auf Offroad getrimmt sind.
Die Zahl der Crossover ist schier unüberschaubar. Die meisten beginnen mit einem T im Namen und haben gerade im Gesicht nennenswerte Gemeinsamkeiten rund um die taghellen LED-Augen. Zu Volkswagen T-Cross, T-Roc, Tiguan, Tiguan Allspace und Touareg gesellt sich ab sofort der Taigo. Ein neuer Name – kein neues Konzept und trotzdem wird der VW Taigo seine Fans finden. Auf Basis des T-Cross hat VW einen Crossover für alle gebaut, die nicht im Wilden Westen sondern eher im ersten Bezirk zuhause sind.
Okay, meine Kommentare wirken zynisch, so sind sie aber gar nicht gemeint. Denn der neue Taigo hat Daseinsberechtigung, man muss ihn nur in einem neutralen Licht betrachten. Außen erkennt man zwar die Verwandschaft zum T-Cross, mit einer abfallenden Coupe Form ab der B-Säule ist der Taigo aber um einiges sportlicher gezeichnet und legt das biedere ab. Er macht auf coolen Onkel, der grundsätzlich immer zu spät zur Familienfeier kommt und unrealistische Geschichten teilt. Die durchgezogene LED-Leiste an Front und Heck sind Teil der VW-Designsprache und machen sich auch am Taigo gut.
Im Innenraum findet man VW typische Materialien – ein Mix aus Stoff und Kunststoff, hochwertig verarbeitet aber unaufgeregt im Design. Die Mikrofaser-Sitze bieten im R-Line Trim reichlich Komfort und sind auch für längere Reisen geeignet. Auch sonst ist der Wolfsburger durchaus geräumig, auf der Rückbank kann man ganz entspannt auch längere Touren in Angriff nehmen. Auch im Kofferraum mit 440 Litern Volumen ist auch mehr als genug Platz für Allerlei.
Das Infotainmentsystem wurde 1:1 aus dem T-Cross übernommen, funktional und ganz hübsch aufbereitet. Apple CarPlay und Android Auto sind logischerweise dabei, die Anbindung funktioniert sogar kabellos. Als Besonderheit im Taigo gibt es das digitale Cockpit schon ab der Basisversion. Dass sich die Klimabedienung unterhalb in einem eigenen Bedienfeld steuern lässt, gibt ebenso gute Noten wie das Lenkrad ohne die nervigen Touchflächen. Beim Taigo darf noch gedrückt und gescrollt werden – danke!
Seine Kraft holt der neue VW Taigo aus einem 1,0 Liter Dreizylinder Turbobenziner. Ganze 110 PS schiebt der Taigo über seine Vorderräder, mithilfe eines 7-Gang DSG Getriebes. In 10,9 Sekunden geht es auf Landstraßentempo, bei 191 km/h ist Schluss mit Lustig. Angegeben wird der VW Taigo mit 5,9 Litern Durchschnittsverbrauch – durchaus realistisch wenn man das Gaspedal mit Köpfen nützt. Die Leistung reicht für jeden Tag, auch auf der Landstraße kann man ein wenig Spaß mit dem Wolfsburger haben – eine Entführung auf die Rennstrecke will aber weder der Taigo noch der Fahrer.
Auch wenn zwischen der Ursprungsidee eines SUV und dem Taigo nicht mehr so viel übergeblieben ist, bietet er eine stylische Lifestyle-Alternative zu Polo, T-Cross oder sogar Golf. Ein bisserl höher sitzen, ein guter Rundumblick und reichlich Platz für Kind und Kegel inklusive.