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Zukunftsaussichten für Lotus

God save the Queen

Zukunftsaussichten für Lotus

Der englische Patient lebt wieder auf: So will auch Lotus den Turnaround schaffen und am Automobilmarkt wieder ein Wörtchen mitreden.

Von Thomas Geiger
Jaguar ist aus dem Schneider, McLaren vom Start weg auf Erfolgskurs und selbst Aston Martin hat mit seiner Daimler-Beteiligung wieder eine Perspektive. Während sich Großbritannien gerade aus Europa abmeldet, feiern die Sportwagenhersteller von der Insel ein Comeback auf der Überholspur. Nur von Lotus spricht dabei keiner, klagt Jean-Marc Gales und kann eine Mischung aus Zorn und gekränktem Stolz nicht unterdrücken. Zwar sind sie es in Hethel an der Ostküste des Landes gewöhnt, dass sie immer ein bisschen zu kurz kommen, weil Lotus zwar der ewig jungen Elise sei Dank einen großen Namen hat, aber seit Jahr und Tag nur kleine Stückzahlen baut. Auf mehr als 2500 Autos im Jahr kommt die Fabrik kaum und mit 150 Zulassungen in Deutschland rangiert Lotus noch hinter Lada oder Lamborghini. Doch auch der vor drei Jahren zum Chef bestellte Franzose kann eine Erfolgsgeschichte erzählen und – viel wichtiger noch – eine Vision für die nahe Zukunft skizzieren, an der der englische Patient tatsächlich genesen könnte.

„Denn zum ersten Mal seit 20 Jahren machen wir jetzt tatsächlich wieder einen Gewinn“, freut sich Gales und hat damit die Scharte ausgewetzt, die sein größenwahnsinniger Vorgänger Dany Bahar hinterlassen hat: Mit sechs neuen Modellen in nicht einmal fünf Jahren wollte er Lotus zum Ferrari-Konkurrenten aufrüsten, hat am Ende aber nur 250 Millionen verbrannt und die Glaubwürdigkeit der Marke in ihren Grundfesten erschüttert.

Deshalb stand Gales vor einem Scherbenhaufen, als er vor drei Jahren nach Hethel kam, und statt frischer Modelle hatte er nur fabrikneue Oldtimer im Programm. Daran hat sich bis heute auf den ersten Blick zwar nicht viel geändert, doch wenn man genau hinschaut, kann man den Geist der neuen Zeit schon erkennen, selbst wenn er den alten Idealen folgt. Denn mit jeder Evolutionsstufe sind Elise, Exige und Evora wieder ein bisschen leichter und wieder ein bisschen stärker geworden und machen deshalb wieder ein bisschen mehr Spaß.
„Damit demonstrieren wir, dass die Werte unseres Gründers Colin Chapmans heute mehr denn je gewollt und als relevant anerkannt werden. Während andere Automobil Hersteller den Kampf um das Gewicht zunehmend verlieren und die Fahrer immer mehr von dem direkten Fahrerlebnis isolieren, machen wir genau das Gegenteil,“ sagt Gales und eine Runde im Exige 380 oder dem Evora 410 gibt ihm recht.
Solche Derivate zeigen zwar eindrucksvoll, dass die Idee vom Leichtbau noch immer zündet, dass Lotus tatsächlich lebendig ist und dass ein Sportwagen aus Hethel in jedem Schnellfahrer die Lebensgeister weckt. Doch davon allein kann die Marke nicht überleben – zumal die Grundkonstruktion der Modelle bis weit in die Neunziger zurückreicht und sich nicht mehr ewig über die Zeit retten lässt, selbst wenn es den Evora im nächsten Jahr sogar auch noch als Cabrio geben soll.
Trotzdem sind die neuen Spielarten das Lebenselixier von Lotus. Denn sie halten die Marke nicht nur in den Schlagzeilen, sondern spülen vor allem Geld in die klamme Kasse – immerhin reicht die Preisliste so bis 108 500 Euro beim Evora und 89 900 Euro beim Exige. „Weil die Sportwagenfahrer bereitwillig tiefer in die Tasche greifen, wenn man ihnen etwas dafür zu bieten hat, konnten wir damit  den durchschnittlichen Umsatz pro Fahrzeug von 37 000 auf 49 000 Pfund steigern.“

Gales giert weniger nach Gewinn, weil seine Shareholder in Malaysia nach Rendite rufen. Sondern er braucht das Geld, um damit die überfällige Entwicklung neuer Modelle anzustoßen. Den Anfang macht dabei zum Ende des Jahrzehnts eine neue Elise. „Dieser Schuss muss sitzen“, sagt der Luxemburger und fürchtet im Spaß sogar um seine Aufenthaltsgenehmigung auf der Insel. Denn für Lotus ist die Elise so wichtig wie für Porsche der Elfer. Deshalb gehrt Gales damit auch noch feinfühliger um, als sie es in Stuttgart tun. „Die goldenen Regeln von Colin Chapman gelten auch für das neue Auto“, sagt der Chef und lässt über den Leichtbau nicht mit sich reden. Obwohl die Elise mit Blick auf den US-Markt, die Komfortansprüche der Amerikaner und ihre strengeren Crashnormen etwas größer werden soll, wird sie auch künftig nur um die 1000 Kilo wiegen. Und natürlich wird man den Wagen auf Anhieb als Elise erkennen, verspricht Gales und erzählt von Designentwürfen, die flach und frech sind, wie man es von dem leichten Mädchen gewohnt ist.

Bei der Technik mit LED-Licht, modernem Infotainment und einer neuen Motorengeneration von einem Partner wie Toyota auf der Höhe der Zeit, ansonsten aber ein Lotus wie eh und je und deshalb zum Beispiel ohne besserwisserische Assistenten – so will Gales den Absatz auf mindestens 5 000 Autos verdoppeln. Und wenn auf Basis der Elise auch ein neuer Exige und der nächste Evora kommen, sollten bis zu 10 000 Autos im Jahr drin sein, skizziert er seinen Plan für die neue Lotus-Blüte.

Dann allerdings sagt er etwas, bei dem die Puristen hektische Schnappatmung auslösen dürfte: Auch Lotus liebäugelt mit einem Geländewagen und zielt in das Segment von Audi Q5 oder Porsche Macan. Keine Sorge, nimmt Gales den Kritikern den Wind aus den Segeln: „Wenn wir den Wagen tatsächlich bauen, dann wird es das leichteste, agilste und fahrdynamischste SUV in seinem Segment.“ Und selbst wenn es in Hethel schon die ersten Prototypen gibt, sei ohnehin noch nichts entschieden. „Wenn wir weiter wachsen wollen, dann müssen wir uns breiter aufstellen. Aber all unsere Pläne sind so angelegt, dass wir auch als reiner Sportwagenhersteller eine Zukunft haben.“

Maximilian Barcelli

Bei 7.000 Touren beginnt der Spaß für den mehr begeisterten denn begnadeten Autofahrer.

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