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Alfa Romeo Junior Veloce: Sport ohne Musik

Die langerwartete, vierte Baureihe von Alfa kommt in Form des Alfa Romeo Junior Veloce als elektrische Topversion. Und vermag die aus zahlreichen anderen Kompakt-SUV bekannte Stellantis-Modellrange durchaus aufzupeppen.

Von Leo Birke

Vermutlich war ich einer der Letzten in Österreich, der noch nie ein Elektroauto gefahren hat. Das klingt auch ob meiner Tätigkeit nicht verwunderlich, schließlich bin ich publizistisch hauptsächlich den klassischen Automobilen verhaftet, und bei denen ist zumeist nur der Starter ein E-Motor. Aber jetzt hat’s mich eh doch auch erwischt – in Form des gelungenem Alfa Romeo Junior Veloce.

Zur Einordnung: Weil Alfa ja zum Stellantis-Konzern gehört, ist hier viel gar nicht mal so entfernte Verwandtschaft zugange. Ein Opel Mokka etwa. Oder der Peugeot 2008, der Jeep Avenger und, vielleicht am nächsten, der Fiat 600. In diesen unseren modernen Zeiten muss man sich also bei der Positionierung eines neuen Modells nicht mehr bloß überlegen, wo im eigenen Modellangebot Platz ist, sondern gleich den ganzen Konzern auf entsprechende Lücken scannen. Ein Alfa Romeo hat es da allerdings nicht schwer. Sein Platz ist zumeist am oberen Ende zu finden. Also wird er dem genannten Reigen einfach drauf positioniert und gut ist.

Bisher war das Bild in meinem Kopf von einem Alfa Junior jenes eines wunderschönen Coupés aus den Siebzigern, nun ist es ein wohlproportionierter, kleiner wilder Wagen der wohl irgendwo zwischen Kompakt-SUV und Hatchback einzuordnen ist. Die sieben Zentimeter, die er dem aktuellen Golf draufsetzt, sieht man Ihm nicht an, er ist sportlich und muskulös gezeichnet. Und auf den Schwung über der Hecktür, GT-Schulter sagen die bei Alfa dazu, ist man nicht zu Unrecht stolz.

Elektro also. Auch das passt nicht wirklich zum Bild eines sportlichen Alfa der bisherigen Einordnung. Aber man soll sich ja neuem öffnen, heißt es. Und dass der Junior in seiner Topversion Veloce all den anderen Stellantis-SUV einen satten 280 PS-Motor (in Österreich vorerst noch nicht erhältlich) voraushat, kann man durchaus als nette Geste verbuchen. Da hält ein Opel Mokka nicht mit. Wirklich freundlich wäre es allerdings gewesen, hätte man dem starken Aggregat auch eine entsprechende Batterie mit erwachssenen Lade-Kapazitäten mitgegeben; 54 kWh Gesamtkapazität und Laden höchstens mit 100kw auf Gleichstrom verbrauchen beim Ladestop leider ein paar Espressi zu viel für die eh schon vom Alltag gestresste Pumpe des Fahrers. Dafür sind 200 Spitze und 5,9 auf 100 (der kleinere E-Junior mit dem bekannten Stellantis-Motor mit 156 PS braucht neun Sekunden und geht nur 150) tatsächlich Alfa-adäquate Werte.

Gut konturierte Sabelt Schalensitze geben vorzüglichen Seitenhalt, und unterstreichen gemeinsam mit den 20 Zöllern den sportlichen Auftritt des Veloce, bloß 1.590kg Eigengewicht sind in dieser Klasse schon eine Ansage. Die Reichweite der 54kWh Batterie wird mit 410km im kombinierten WLTP Zyklus angegeben, wir sagen aus Erfahrung: 350 km sind realistisch.

Ausfahrt mit Differenzial

Die erste Ausfahrt auf einem abgesperrten Testgelände war für mich als Elektro-Anfänger schon wirklich sehr beeindruckend- Vortrieb ohne Ende, kein Schaltrucken, nur eigenartiges leises elektrisches Getute im Innenraum, weil wir dauernd spielend alle Tempolimits überschreiten, die es in Deutschland wohl auf der Autobahn nicht, auf einem Testgelände (diesfalls: Dudenhofen) aber sehr wohl gibt. Beeindruckend das Fahrwerk und dessen Setup. Alfa Romeo hat sich für ein klassisches mechanisches Torsen Sperrdifferenzial an der Vorderachse entschieden, anstatt mit elektronischer Regelung herumzudoktern. Das Diff arbeitet völlig ohne Energieverluste, da von einem etwaig durchdrehenden Antriebsrad die überschüssige Kraft einfach an das andere Rad umgeleitet wird. Zum Vergleich: üblicherweise wird das durchdrehende Rad, wenn der Sensor anschlägt, einfach abgebremst, wodurch diese Energie verloren geht oder aber nur in glühende Bremsscheiben umgewandelt wird. So entsinnt man sich gegentlich also doch der gloriosen Vergangenheit als Sportwagen-Marke.

Egal ob auf dem Handlingparcours, auf der Steilwand oder der Buckelpiste – der Junior Veloce kann das alles sehr gut, wenn man den absenten Soundtrack dazu vergisst. Lenkung, Bremsen, Fahrwerk – sehr gut abgestimmt. Im Innenraum gibt’s kein Scheppern oder Klackern, alles sitzt fest. Die Materialanmutung von Armaturenbrett und Türverkleidungen lässt Luft nach oben, sehr viel Hartplastik erinnert eher an leicht zu reinigende Geländewagen als einen schicken Italiener, da hilt auch kein bemühter Alcantara-Einsatz. Auch der Junior kommt, dem Zeitgeist geschuldet, nicht mehr ohne die üblichen 2 Bildschirme mit 10,25 Zoll aus. Diese geben ausreichend Informationen ab, machen das Handy per Bluetooth und Carplay zur Schaltzentrale. Warum man zwei eckige Displays ins sonst rund gestaltete Interieur derart unbeholfen reinfrimmeln musste, bleibt allerdings fraglich. Zumal es den Wiener Begriff „Einequaan“ ja im italienischen gar nicht gibt …  

Logo-Schnitzereien

Das Cuore Sportivo, das Herz welches den Kühlergrill von Alfa Romeo seit dem letzten Jahrhundert darstellt, ist mit dem integrierten Logo ein ziemliches Statement in Richtung, alles neu und trotzdem Alfa. Wie die genannten Details im Innenraum wirkt auch diese Reminiszenz etwas unbeholfen, immerhin vermag nun bei der sehr grob geschnitzten Plastik-Säge-Arbeit aber auch der Nicht-Insider zu erkennen, dass das Milano-Wappen im Alfa Logo eine Schlange zeigt, die einen Menschen verspeist. Witzig wäre gewesen, hätte man darin irgendeinen Sensor verbaut, der Fußgänger erkennt und das Auto vollbremsen lässt. Das hätte was.

Alles in allem ist der Alfa Romeo Junior ein wirklich gelungenes Gesamtpaket, das nicht nur in der Wolle gefärbte Alfisti versöhnt, sondern generell auch die Stellantis-Palette fein aufpeppt. Das Design überzeugt, die geteilt umlegbaren Sitze ermöglichen mit der hoch öffnenden Heckklappe einfaches be- und entladen, Herr Frunk (ich dachte tatsächlich zunächst, es handelt sich um einen Alfa-Mitarbeiter, dabei ist das der Kofferraum, der frei wird, weil dort sonst ein Motor wäre) gibt dem Ladekabel seinen Platz, und die hoch angesetzten Türschnallen der hinteren Türen stimulieren das Hirn dazum, nachzudenken, ob die Türen elektrisch zu öffnen oder vielleicht am Ende komplett fake sind. Spoiler: Sind sie nicht.

Ab sofort sind der kleine Elektriker (156 PS) und die Mild-Hybriden (Dreizylinder mit Systemleistung 136 PS) zu Preisen zwischen 31.000 (Ibrida) und 41.900 (Elettrica Speciale mit 156 PS) zu bestellen, der von uns getestete Alfa Romeo Junior Elettrica Veloce wird ab Anfang 2025 um 48.900 Euro wohlfeil sein.

Leo Birke

Ist italienischen Autos klassischer Bauart zugeneigt, fährt aber gerne auch alles andere. Weiß gewitzt zu kommentieren.

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