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BMW iX: Die Erfolgsformel

iX = X5 + X6 + X7 + 5 + 7 – BMW hat eine neue Formel aufgestellt, mit der die Bayern bei der Elektrifizierung endlich wieder in die Pole Position gehen und dabei auch am Thron von Tesla rütteln wollen. Denn wenn BMW im November zu Preisen ab 79.350 Euro den iX an die Ladesäule stellt, bietet das SUV mit der Länge des X5 und der Höhe des X6 soviel Platz wie ein X7, fährt so dynamisch wie ein Fünfer und so gediegen wie ein Siebener, verspricht Projektleiter Johann Kistler und lässt den Beweis nicht lange auf sich warten: Lange vor der offiziellen Premiere bittet er zur ersten Testfahrt in einem ziemlich finalen Prototypen.

Als Vorbild dient ihm dabei der i3, mit dem BMW vor zehn Jahren schon einmal zum Revolutionsführer geworden ist. Allerdings wurde der – nun ja – eher unkonventionelle Kleinwagen aus Karbon zwar für seinen radikalen Ansatz allerorten gelobt, ist aber bei den Kunden weitgehend durchgefallen. Radikal will der iX zwar auch sein und bricht deshalb mit vielen BMW-Konventionen. „Doch haben wir begriffen, dass sich Umsteiger nicht einschränken wollen und deshalb haben wir wieder eine eigene Plattform entwickelt, diesmal aber mehr Leistung und vor allem mehr Batteriekapazität ins Auto gepackt. Und größer ist der iX natürlich auch geworden“, sagt Kistler. „Das ist ein Auto für alle Tage und alle Gelegenheiten.“

Als ausgewachsenes SUV in der Fünf-Meter-Klasse bietet der iX, dem ebenen Wagenboden und dem großen Radstand sei Dank, deshalb vor allem in der zweiten Reihe tatsächlich mehr Platz als jeder andere BMW-Geländewagen. Und wo der i3 bisweilen ein Verkehrshindernis ist, fährt man mit dem iX vorne mit: Immer mit Allrad und mindestens mit 240 kW, beschleunigt der 2,0-Tonner tatsächlich wie ein Fünfer, wirkt spätestens mit der Hinterachslenkung ausgesprochen handlich und beherrscht mit dem richtigen Setup fürs adaptive Fahrwerk auch eine ziemlich sportliche und stramme Gangart. Und wer es etwas gemächlicher angehen lässt, erlebt die luxuriöse Souveränität eines Siebeners: Auf Wolken gebettet, wie in Watte gepackt und die 20-Zöller mit Isoliermasse ausgeschäumt, wird der iX zu einem fliegenden Teppich. Nur für den Tiefflug auf der linken Spur taugt der Stromer nicht: Anders als ausgerechnet Tesla machen die selbsterklärten Gralshüter der Fahrfreude nicht mehr mit bei der Raserei und räumen bei 200 km/h freiwillig die linke Spur.

Das Gefühl mag vertraut sein. Doch insbesondere der Fahrer erlebt BMW mit diesem Auto von einer ganz neuen Seite. Nicht nur, dass er nicht mehr eingemauert ist von einem gebogenen Armaturenbrett und einem hohen Mitteltunnel, sondern in der Luxus-Lounge hinter den nur leicht gekrümmten und extrem schlanken OLED-Bildschirmen einen ungewohnten Freiraum genießt. Sondern statt der üblichen Orgie aus Lack und Leder gibt es auch ein nachhaltiges Interieur mit eigenwilligen Formen und Farben. Die wenigen verbliebenen Schalter etwa auf der hölzernen Konsole, die frei zwischen den Sitzen schwebt, sind mit Kristallglas veredelt, und was es sonst noch an Technik braucht, ist geschickt versteckt: „Shy-Tech“ nennt BMW das Konzept, mit dem innen zum Beispiel die Lautsprecher oder der Projektor des Head-Up-Displays und außen die Türgriffe, die Rückfahrkamera oder der Einfüllstützen fürs Wischwasser nahezu unsichtbar werden. Und selbst das runde Lenkrad ist passé. Stattdessen greift man zu Kistlers Freude stolz in ein eckiges Etwas, das für den Projektleiter zum Sinnbild der Sonderrolle geworden ist – und ihn im Kampf mit den Traditionalisten im eigenen Haus so manch blutige Nase gekostet hat. Das hat ihn zu einer weiteren Innovation für den iX inspiriert: Die zur reinen Dekoration verkommene Niere besteht aus einem speziellen Kunststoff, der sich nach leichten Rempeleien binnen 24 Stunden selbst repariert.

Technisch ist der iX eine Kombination aus einzigartiger Plattform und kollektivem Baukasten für Batterien und Motoren. Denn auch der iX nutzt die so genannte „Gen5“ der elektrischen Antriebstechnik mit Motoren ohne seltene Erden, besonders dicht gepackten und deshalb überdurchschnittlich effizienten Batterien und einem reduzierten Gesamtgewicht.

Los geht es dabei mit einem iX 40, der mit 326 PS in 6,1 Sekunden auf Tempo 100 kommt. Sein Akku hat eine Kapazität von netto 71 kW, die im WLTP-Zyklus für bis zu 425 Kilometer reicht. Zweite Modellvariante in der Startaufstellung wird für rund 20.000 Euro mehr der iX 50, bei dem dann schon 523 PS im Fahrzeugschein stehen. Das reicht für einen Sprintwert von 4,6 Sekunden und mit seinem 105 kWh großen Akku sind bis zu 630 Kilometer drin. Und damit die Lust beim Fahren nicht in Frust beim Laden mündet, gibt eine Ladeleistung von maximal 200 kW. An einer schnellen Gleichstrom-Säule kommt der iX so in 40 Minuten von zehn auf 80 Prozent und zieht in zehn Minuten den Strom für 120 Kilometer.

Zwar bedient der iX mit seiner Mischung aus Leistung und Luxus alle gängigen Instinkte der BMW-Kundschaft und sieht mit seinem riesigen Format obendrein hinreichend repräsentativ aus. Doch wissen die Bayern offenbar selbst, dass es für so ein Auto – ähnlich wie vor zehn Jahren beim i3 – eine gewisse Offenheit braucht. Und weil die nicht jeder BMW-Kunde mitbringt, machen sie den Zauderern an der Ladesäule parallel ein alternatives Angebot und bringen mit dem klassisch konstruierten, technisch aber weitgehend identischen i4 zeitgleich ein Elektroauto aus der alten Welt: Während der iX bewusst anders sein will und sich deshalb soweit wie eben möglich vom Markenkern entfernt, wird der ein BMW von altem Schrot und Korn, der sich seinen Elektroantrieb so wenig wie möglich anmerken lässt.

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