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BMW 420d xDrive: Alles eine Frage des Geschmacks

Ob der neue BMW 4er mit der, zugegeben, wenig eleganten Front gut aussieht, ist verhandelbar. Nicht verhandelbar hingegen: Wie fabelhaft sich dieses Auto fährt – „selbst“ als 420d xDrive.

Immerhin werkelt dort ein Motor, der jetzt eigentlich nicht vor „Fahrfreude“ trieft. Zwei Liter Hubraum auf vier Zylinder aufgeteilt, in denen sich Diesel entzündet. Und natürlich alles aufgeladen. Ergibt: 190 PS und immerhin satte 400 Nm Drehmoment, an denen alle vier Räder teilhaben. Klingt unspektakulär, ist es aber nicht. Weil der 4er an sich schon spektakulär ist. Wäre er selbst mit einem saugenden 1-Liter-Dreizylinder noch.

Gut, dann würde er nicht in 7,4 Sekunden von 0 auf 100 marschieren. Und auf dem Weg zur Spitzengeschwindigkeit von 238 km/h würde ihm schon viele Stundenkilometer zuvor die Puste ausgehen. Doch der 4er definiert sich ohnehin mehr übers Querdynamische – und so soll das ja auch sein bei einem BMW. Nicht umsonst haben die Münchner lange Zeit nur auf Hinterradantrieb für die sportlichsten M-Modelle gesetzt. Die Konkurrenz mit Allrad fährt zwar davon, der fetteste Grinser nachdem man quer aus der Kurve rauskommt, ist einem dafür gewiss. Fahrfreude vor Viertelmeile. Quer kommt man mit einem 420d xDrive freilich nicht aus der Kurve raus. Und trotzdem spürt man zu jederzeit seine dynamischen Ambitionen.

„Die Muskel anspannen.“ So beschreibt der Motorredakteur von Welt gerne den Sport-Fahrmodus. Wenn die Automatik in niedrigere Gänge schaltet, die Lenkung direkter und die Gaspedalkennlinie bissiger wird. Der neue BMW 4er fühlt sich immer nach Sportmodus an, seine Muskeln sind immer angespannt. Das vermittelt das Mittelklasse-Coupé auch optisch.

Sprechen wir also doch noch ein wenig übers Design. Ob einem jetzt große Kühlergrille gefallen oder nicht – Geschmacksache! Was uns mehr stört: Die Front harmoniert nicht optimal mit dem Rest des Fahrzeugs. Der ist nämlich äußerst elegant, fast schon filigran, natürlich trotzdem kraftvoll zugleich. Mit den dünnen Heckleuchten, den breit aufgestellten Backen. Da ist im Großen und Ganzen wenig Show, der 4er weiß sich auch ohne einer Vielzahl an Fake-Applikationen zu präsentieren. Ganz anders die Front: Sie ist nicht ruhig designt, sondern voll auf Attacke getrimmt.

Anderseits: Warum soll das Design dem Fahrverhalten in irgendetwas nachstehen? Auch das ist ja „voll auf Attacke“ abgestimmt. Schon der 3er BMW ist eine überdurchschnittlich sportlich zu bewegende Mittelklasse-Limousine, höchstens die Alfa Romeo Giulia fühlt sich noch eine Euzerl schärfer an.

Das 4er Coupé, das ja grundsätzlich die 3er Plattform nutzt, haben sie schärfer abgestimmt. Eine breitere Spur an der Hinterachse, ein höherer Sturz an der Vorderachse, neu abgestimmte Federn und Dämpfer. Dazu die sehr direkte Lenkung: Der BMW 4er lechzt nach Kurven.

Wobei er sich ebenso wenig längsdynamisch verstecken braucht, selbst nicht mit Basis-Diesel. Wenn uns der 420d xDrive eines gelehrt hat, dann dass die Zeiten, in denen man sich über Vierzylinder in Premium-Mittelklässler echauffieren konnte, längst vorbei sind.

Ein seidenweicher Reihensechser ist eine feine Sache ist, darüber brauchen wir nicht zu diskutieren. Doch der 2-Liter-Turbodiesel im 4er macht seine Sache wirklich großartig, klingt nicht aufdringlich, schiebt gut nach vorne und ist obendrauf genügsam. Der 4er hat zwei Gesichter: Jenes, bei dem sämtliche Muskeln angespannt sind. Aber auch ein äußerst freundliches. Bei aller Sportlichkeit ist das Coupé nämlich nicht hektisch oder nervös – außer man will das. Im 420d xDrive betont der selbstzündende Vierzylinder genau dieses Gesicht.

Das tut natürlich auch das Interieur: Hier treffen feinste Materialien auf beste Verarbeitung, alles ist top designt. Schön, dass es überhaupt noch was zu designen gibt: Während Mercedes gerade den Hyperscreen präsentiert hat, der im EQS zum Einsatz kommen soll, setzt BMW weiterhin auf analoge Knöpfe und Schalter.

Einverstanden, ob analoge oder volldigitale Landschaft kann man genauso unter Geschmacksache verbuchen, wie die Nieren des BMW 4ers, die mittlerweile mehr Lungenflügel sind. Weniger diskutabel ist die deutlich intuitivere Bedienung des Fahrzeuges, die mit analogen Elementen einhergeht. Und außerdem spielt der 4er-Innenraum auch ohne Flatscreen als Mittelkonsole sämtliche, digitale Stücke.

Wir sind jedenfalls gespannt, wie das neue Mittelklasse-Coupé aus München von der potentiellen Kundschaft angenommen wird. Fahrerisch bringt der 4er alles mit, ob die Front – zumindest für den europäischen Markt – zu radikal ist, wird sich zeigen. So gesehen eigentlich ein mutiger Schritt von BMW. Und ein wenig Mut schadet in Zeiten wie diesen ja wirklich nicht.

Maximilian Barcelli

Bei 7.000 Touren beginnt der Spaß für den mehr begeisterten denn begnadeten Autofahrer.

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