von Franz J. Sauer
Es gab Zeiten, da hätten wir die Nase gerümpft ob der hier verbrannten, kinetischen Energie. Was soll daran Sinn machen, über zwei Tonnen automobiles Schwermetall in unter sechs Sekunden auf über 100 km/h zu beschleunigen und dafür mehr als 500 virtuelle Pferde zu benötigen? Würde man halb so viel Gewicht in vergleichbarer Zeit so schnell kriegen wollen, reichten weniger als halb so viele Pferde dafür. Das hieße dann Sportwagen, wäre flach, klein, und würde auch in der Kurve Sinn machen. Aber das hier?
Die Zeiten, in denen wir uns pikiert über das ganze Übergepäck hier auf dem Foto aufgeregt hätten, gab es in Wirklichkeit nie. Es ist erst seit knapp einem Jahrzehnt üblich, SUV (früher hieß das Geländewagen) zu einem anderen Zweck, als um ihre Zugfahrzeug-Skills aufzupeppen, mit derart viel Leistung auszustatten, auch Kombis werden erst seit gut 20 Jahren derart unter Leistung gesetzt. Man muss ein wenig tiefer in die Materie eintauchen, um Sinn und Zweck hinter Fahrzeugen wie dem Range Rover Sport Supercharged oder dem Audi RS 6 zu verstehen. Zunächst, höchst simpel: es gibt Leute, die sowas haben wollen. Die sich eben nicht zum Familienvehikel dazu den Sportler für den Sonntag leisten wollen, sondern gerne Performance und Praktikabilität vereint haben, gern zum dicken Preis. Dann, schon etwas diffiziler: Weil es die Autofirmen können. Man hat die Plattformen, man hat die Motoren, man hat die Komponenten, Kompetenz sowieso und alles im Konzern. Warum also nicht auch im XXL-Segment zeigen, was alles geht?
Best of
Drittens, und hiermit begeben wir uns auf subjektives Terrain, das rein vernunftgetriebener Bewertung der Parameter wohl kaum mehr standhält: weil Fahrzeuge wie diese Menschen mit einer gewissen Grundneigung hin zu Automobilen einfach begeistern und zwar nicht bloß durch das schiere Beschleunigungserlebnis. Audi RS6 und Range Rover Sport Supercharged kokettieren famos mit dem unerwarteten. Sie verblüffen durch ein perfektes Zusammenspiel aller fahrrelevanten Komponenten. Vereinen spielend Fähigkeiten aus beiden Welten, Best of Luxus und Best of Supersport, sozusagen. Liegst Du flach in einem Lamborghini, Ferrari, Porsche, sonstwas, herrscht nämlich ein grundsätzlich höher gelevelter Adrenalinspiegel vor, der Dich einerseits hochalert darauf warten lässt, was da nun kommen mag, also Inertialsysteme unverschämt verschiebt. Und andererseits jede Art von Un-Komfort aus Deiner aktuellen Wahrnehmung löscht. Die Kreuzschmerzen hast Du erst am Tag danach.
Höchster Komfort Marke Audi. Von Sport spürt man da nicht viel.
Auf diesem Bild treiben 1070 Pferde 4,3 Tonnen Automobil höchst sportlich voran. Sinnlos? Zweifellos.
Im Range Sport Supercharged flazt Du hingegen hochentspannt im Ledergestühl, schleinzt den Automatikwählhebel eher nebenbei in die Sportstellung, während Du noch telefonierst, latschst beim „Tschüss, baba, bis später“ ohne sich viel dabei zu denken voll ins Gas und kriegst erst dann von der Rückenmuskulatur und den gefühlt immer länger werdenden Beinen und Armen gemeldet, dass da gerade aussergewöhnliches passiert. Auch der Soundtrack dazu wirkt eher synthetisch als alarmierend, zwar faucht und brabbelt der V8 gut hörbar, während er zwei komma drei Tonnen zuzüglich Fahrer (nochmal 7 Prozent dazu) in die Landschaft zoomt, aber das kinetische an dem ganzen präsentiert sich dem Rezipienten noch immer gedämpft. Der erst kapiert, sich endlich konzentrieren zu sollen, wenn die erste Kurve heranfliegt.Auch dann wird nicht viel böses passieren. Ein formidables Fahrwerk verbündet sich mit allerlei schlauer Elektronik gegen den Unbill der Physik und wenn Du nicht wirklich ganz blöde unsensibel bist, wird dir der Supercharged das mit dem schnellen Kurvenfahren schon erklären.
Etwas rauer geht da schon der Audi RS6 ans Fahrschul-Tagwerk heran. Schon aufgrund seiner Kombi-Konfiguration lässt er, so knapp über der Fahrbahn liegend, weit mehr den Sportwagen als der Sport getaufte SUV heraushängen. Er vermittelt uns das ungestüme Dahinräubern somit authentischer, brachialer, freilich nicht ohne auch die entsprechenden Sicherheitsnetze für den Fall der Fälle bereitzuhalten. Du kannst das alles im Audi aber eine Spur einfacher wegklicken, wenns denn wirklich sein soll. Kleiner Tipp: es soll nicht sein. Man will das nicht, die ganze Verantwortung für all das Risiko übernehmen, das wildgewordene 560 Pferde nun mal bereithalten, wenn einem in irgendeiner Ecke das Talent ausgeht.
Cruisen und Bolzen
Zusammengefasst ließe sich der doch signifikante Unterschied im Fahrverhelten folgendermaßen beschreiben: Der Range Rover lässt einen bevorzugt wissen, was er kann, der Audi zeigt es lieber gleich her. Was nicht heisst, dass ersterer auch gern mal bolzt und letzterer gelegentlich cruist. Das gestähltere Muskelnetz stellt aber der Audi zur Schau, nicht umsonst zieht er um eineinhalb Sekunden schneller auf den Hunderter. 200 Kilo weniger und 60 Extra-PS zeigen unweigerlich Wirkung, Onkel Isaac besteht darauf. Puncto Haptik, Auftritt und Aussenwirkung sind übrigens Range wie Audi gleichermaßen Virtuosen auf ihrem Gebiet, da spielt es auch keine große Rolle, dass die jeweiligen Top-Diesel (Audi: 3,0 TDI, Range Rover Sport: 4,4 TDV8) der beiden Modelle am Papier nicht viel schwächer performen. Wer auf „Supercharged“ oder „RS“-Badges am Kofferdeckel steht, wird sich mit rußgeschwärzten Auspuff-Endrohren einfach nie und nimmer anfreunden können.
Audi
rs6
purist. Vom 10Zylinder-Lambo-Triebwerk des Vorgängers kam man wieder ab, es bollert nun stilecht ein V8 im RS6. Der den echten Sportler gibt, ein paar Kilos vielleicht weggedacht.
Hubraum 3.993 ccm
Leistung 560 PS
Verbrauch 9,8 l / 100 km
Drehmoment 700 Nm
Beschleunigung 0-100 3,9 Sek.
Spitze 250 km/h
Preis 139.830 Euro
Range Rover
sport 5,0l V8 S/C
geniesser. 2,3 Tonnen in unter fünfeinhalb Sekunden auf 100 sprengen zukönnen, begeistert. Tun wird man es eher selten. Lieber lauscht man im noblen Ledergestühl dem gottvollen V8.
Hubraum 4.999 ccm
Leistung 510 PS
Verbrauch 12,8 l / 100 km
Drehmoment 625 Nm
Beschleunigung 0-100 5,3 Sek.
Spitze 250 km/h
Preis 113.300 Euro
Showdown auf der Lichtung. Hinten drin die Gewehre. Oder doch untendran?
Blink Blink … Audi zeigt auch beim Richtungsanzeiger auf Vorsprung durch Technik.
Große Lefzen deuten und den Supercharger.
Diffusor macht auf sportlich – muss schon sein. Auch beim Kombi.
Edel und Stark – hier stehen 510 Pferde im Stall.
20 Zoll. Mit fesch. Und Supergummi. Für unendliche Haftung.