Der neue Porsche 911 GT3 RS ist ein Elfer fürs Extreme. Oder auch: so pur kann ein Porsche sein.
von Thomas Geiger
Die Rückbank ausgeräumt, statt Türgriffen nur noch Schlaufen und die elektrische Sitzverstellung sucht man diesmal vergebens: Viele überflüssige Teile gibt es an diesem Auto nicht mehr. Doch wenn der neue Porsche 911 GT3-RS, der in diesen Tagen zu Preisen ab 235 440 Euro in den Handel kommt, noch auf eine Komponente verzichten könnte, dann wäre es das Kennzeichen. Denn selbst wenn die Entwickler in Weissach die neuste Variante des Porsche 911 gerade noch so über die Hürden der Straßenzulassung gehoben haben, hat der schärfste aller Sportwagen aus Zuffenhausen im öffentlichen Verkehr eigentlich nichts zu suchen: Wo der normale Porsche 911 vielen Kunden mittlerweile zu komfortabel, zu weich und zu gewöhnlich wurde, ist der neue GT3 RS ein Elfer fürs Extreme, der nur zum Rasen gebaut wurde und deshalb auf der Rundstrecke am besten aufgehoben ist. Langsam jedenfalls oder gar nach den Regeln des Gesetzes kann man dieses Auto selbst mit eiserner Willenskraft nicht bewegen.
Wer den Elfer noch einmal einen komfortablen Sportwagen für Herrenfahrer schimpft, der muss nur für halbe Stunde in den GT3-RS klettern, und sein Weltbild ist wieder gerettet: Denn ein, zwei Gasstöße und die erste Kurve, mehr braucht es nicht, damit die Vernunft im Adrenalinrausch absäuft und dem Fahrer alle Sicherungen durchknallen. So leicht so schnell ist man in kaum einem anderen Auto und in keinem fühlt man sich dabei so gut aufgehoben und stets als Herr der Lage. Der Vorwärtsdrang explosiv, die Verzögerung endzeitlich und in den Kurven dank der Allradlenkung extrem eng – kein Wunder, dass der neue RS die Nordschleife in 7 Minuten und 20 Sekunden umrundet und dabei sogar dem Carrera GT ein paar Sekunden abnimmt. Selbst Schuld, wer so etwas auf der Straße ausprobiert: „Herr Wachtmeister, seinen Sie mir nicht böse, ich konnte einfach nicht anders“ – spätestens wenn man ihm zum Beweis der Unschuld den Fahrersitz anbietet, wird das auch der strengste Polizist verstehen.
Das Hemd klebt schweißnass am schmerzenden Rücken, die arme Ziehen, die Hände brennen und unter dem Gasfuß wirft die Hornhaut Blasen – mit diesem Auto kann man nicht einfach fahren, sondern man muss mit ihm fighten, muss es niederringen, beherrschen und unterwerfen. Das ist kein Spaziergang, sondern ein Kraftakt für Mensch und Maschine und am wenn man ihn gewonnen hat, dann ist mit atemlos – aber glücklich! Und würde mit der Quälerei am liebsten gleich wieder von vorne beginnen.
Porsche 911 GT3 RS Basiswissen
Für dieses Erlebnis haben die Schwaben noch einmal alle Register gezogen: Den Sechszylinder zum Beispiel haben sie weiter aufgebohrt und ihn mit jetzt vier Litern Hubraum zum größten Sauger im aktuellen Elfer gemacht. Gleichzeitig steigt die Leistung auf 500 PS und das maximale Drehmoment klettert auf 460 Nm. Zusammen mit einer neu entwickelten – Achtung, Puristen, jetzt wird’s schmerzhaft – Doppelkupplungsautomatik reicht das für einen Sprint von 0 auf 100 in 3,3 Sekunden. Tempo 200 ist nach 10,9 Sekunden erreicht und wer allen Mut zusammen nimmt, hat wenig später 310 km/h auf dem Tacho.
Zum stärkeren Motor gibt’s für den GT3-RS eine strenge Diät. So hat Porsche das Dach zum ersten Mal aus Magnesium gefertigt, Motor- und Kofferraumhabe sind aus Kohlefaser gebacken und viele Anbauteile sind auf strikten Leichtbau ausgelegt. Das spart gegenüber dem ohnehin schon leichten GT3 unter dem Strich noch einmal zehn Kilo und drückt obendrein den Schwerpunkt noch etwas näher an den Asphalt – zusammen mit dem strammen Fahrwerk, der ausgefeilten Aerodynamik samt des küchentischgroßen Heckflügels und den Cup-Reifen, die breiter sind als bei jedem anderen Elfer, ist das ein weiterer Grund, weshalb dieser Porsche wie mit Pattex auf der Strecke haftet und die Gesetze der Fliehkraft lügen straft. Die G-Force-Anzeige im Cockpit jedenfalls kommt kaum hinterher und zieht deshalb eine Leuchtspur übers Display wie der Stern von Bethlehem, so schnell wechseln hier die Lasten
Details …
Für die Aerodynamik und das unverwechselbare Design gibt’s neben einer Buglippe, die förmlich am Asphalt kratzt, und dem massiven Heckspoiler vom Format Küchentisch außerdem eine fast 30 Zentimeter breite Vertiefung, die über Haube und Dach läuft. Und obendrein haben die Ingenieure wie bei echten Rennwagen eine markante Entlüftung in die vorderen Kotflügel geschnitten, die den Anpressdruck der Vorderachse erhöht
Das Design brutal, die Fahrleistungen brachial, das Fahrwerk bretthart und der Sound bitterböse – als GT3 RS wird dieser Porsche zum Elfer fürs Extreme.
Sport Bedienung …
Für Rennsport-Flair sorgen dabei nicht nur Details wie die einteiligen Schalensitze aus Karbon, die man vom 918 Spyder kennt, der Überrollkäfig oder die beigelegten Sechs-Punkt-Gurte, sondern nicht zuletzt auch zwei Funktionen für den Antrieb: Mit einem Zug an den Schaltwippen kann man die Automatik in den Leerlauf schalten, als würde man kurz die Kupplung treten und so die Kurven noch ein bisschen Kitzliger gestaltet. Und mit einem Knopfdruck am Lenkrad reduziert man das Tempo auf das Speed-Limit in der Boxengasse. Das ist eine Funktion, die man am besten nicht nur während des Rennbetriebs nutzt. Sondern wer das im Alltag auch bei Ortsdurchfahrten oder auf der Landstraße aktiviert, hat vielleicht doch noch eine kleine Chance, seinen Führerschein ein paar Tage länger zu behalten.
Porsche 911 GT3 RS: The Summit
Das Design brutal, die Fahrleistungen brachial, das Fahrwerk bretthart und der Sound bitterböse – als GT3 RS wird dieser Porsche zum Elfer fürs Extreme. Das gilt allerdings nicht zuletzt auch für den Preis. Denn wo schon der normale GT3 mit seinen 177 822 Euro kein Schnäppchen ist, schlagen die Schwaben für das RS-Paket noch einmal über 50 000 Euro drauf – und rauben den Kunden so ein weiteres mal den Atem.