Erste Ausfahrt im Stromer
Der brandneue Kia Soul EV
Von Thomas Geiger
Am ikonischen Design des Soul ändert sich dabei nur wenig – auch wenn die Tigernase nun zu einem schmalen LED-Schlitz wird, die Ladeklappe anstelle des Kühlergrills noch hübscher inszeniert ist, die Proportionen mit etwas mehr Radstand und Länge so korrigiert wurden, dass selbst der Kastenwagen ein bisschen dynamisch aussieht, auch wenn das Heck mit seinem charakteristischen Ring aus Rotlicht ein wenig runder geworden ist.
Doch das Fahren fühlt sich neu an und es ist auch kein Vergleich zur Elektroversion des letzten Soul, die sich in den letzten Jahren besser verkauft hat als alle Verbrenner zusammen. Denn Kia übernimmt die beiden Antriebspakete aus dem Niro und vor allem der stärkere kann überzeugen. Nicht nur, dass Reichweitenängste bei einem 64 kWh-Akku, einem Aktionsradius von 452 Kilometern in der Norm und gut und gerne 300 Kilometern im Alltag passé sind. Sondern mit 204 PS und einem von 285 auf 395 Nm angehobenen Drehmoment ist man auch beim Fahren vorne dabei: Das Spurtvermögen jedenfalls ist bisweilen größer als die Haftkraft der Reifen, ein Sprintwert von 0 auf 100 in 7,9 Sekunden ist mehr als konkurrenzfähig und beim Zwischenspurt auf der Landstraße ist der Soul so flott, dass man sich bei der ersten Ausfahrt in Korea immer mal wieder selbst am Riemen reißen muss. Denn erstens gibt es nirgends so viele Temposchwellen und Radarfallen wie rund um Seoul, und zweitens merkt man in engen Kurven eben doch die 1,8 Tonnen Lebendgewicht, die dann mächtig nach außen drängen. Vielleicht ist es also gar kein Schaden, wenn der Soul EV mit Rücksicht auf die Reichweite bei 167 km/h den Stecker gezogen bekommt.
Alternativ dazu gibt es den Soul für Sparbrötchen und Spaßbremsen genau wie den Niro auch mit abgespecktem Antrieb: Dann hat der E-Motor nur 136 PS und der Akku lediglich 39,2 kWh. Entsprechend verlängert sich der Sprintwert auf 9,9 Sekunden, wer auf dem Pedal stehen bleibt, schafft 155 km/h und die Reichweite reduziert sich schon auf dem Prüfstand auf 277 Kilometer.
Was einmal mehr überrascht bei diesem Kia, das ist der Aufwand für die unterschiedlichen Fahrprofile und mehr noch für die Rekuperation. So gibt es nicht weniger als vier Charaktereinstellungen von Sport bis Eco-Plus, die sich vor allem in Sachen Fahrspaß deutlich unterscheiden und mit zunehmendem Sparanspruch sogar die Leistung drosseln und Nebenverbraucher wie die Klimaanlage abklemmen. Und wer die Energie beim Bremsen zurückgewinnen will, kann mit den Wippen am Lenkrad nicht nur vier Stufen der Verzögerung wählen, sondern den Wagen mit dem linken Hebel auch gleich bis zum Stillstand abbremsen. Wenn man sich daran erst einmal gewöhnt hat, dann braucht man die Fußbremse nur noch im Notfall.
Während die Technik gleich ist wie beim Niro, ist der Charakter des Soul ein anderer – schließlich ist die coole Kiste für Kia nicht nur eine Stilikone, sondern auch ein Stimmungsmacher. Deshalb gibt es nicht nur ein Heer von Assistenzsystemen und das neueste Infotainment samt digitalem Cockpit, großem Touchscreen und dem Bediensystem UVO, mit dem man etwa Klimatisierung und Akkuladung über eine App auch aus der Ferne steuern kann. Sondern es gibt auch nette Spielereien wie die Reliefs auf Felgen und Türkonsolen, die entfernt an Diskokugeln erinnern oder eine Ambiente-Beleuchtung mit einem Dutzend Lichtspielen, die sich der laufenden Musik anpassen. So wird aus dem Stau schnell mal eine Party.
So locker und lässig der Soul EV auftritt und so gute Laune er macht, dürfte das Erlebnis für die Kunden allerdings mit einem spürbaren Stimmungsdämpfer beginnen. Denn auch wenn Kia die Markteinführung für dieses Frühjahr verspricht, brauchen Interessenten reichlich Geduld – schon jetzt rechnen die Koreaner mit mindestens neun Monaten Lieferfrist.