VW Tiguan: Behutsame E-volution

Der Käfer ist Legende und der Golf gleich mit – erst recht im Jahr seines 50. Geburtstag. Und natürlich schaut gerade alles bei VW auf die ID-Modelle und fragt sich, wenn die elektrische Revolution endlich in Fahrt kommt. Doch wirklich wichtig ist in Wolfsburg ein anderes Auto. Der Tiguan. Denn in zwei Generationen ist er längst zum erfolgreichsten Einzelmodell der Marke aufgestiegen und so zum Golf der Generation SUV geworden. Kein Wunder also, dass VW sich für den Nachfolger noch einmal mächtig ins Zeig gelegt hat. Und kein Wunder auch, dass man dem Auto, das da in diesen Tagen zu Preisen ab 33.990 Euro in Handel kommt, den Generationswechsel zumindest auf den ersten Blick kaum ansieht: Weil der Tiguan allen und überall gefallen muss, verbieten sich große Design-Sprünge von selbst. Ein paar Zentimeter mehr Länge, ein geschlossener Kühler samt optionaler LED-Leiste, neue Schürzen und Scheinwerfer müssen reichen. 

Fotos: Hersteller

Innen sieht die Sache freilich ganz anders aus. Dort schreitet mit großen Schritten die Digitalisierung voran und der Tiguan geht mit seinem animierten Cockpit, dem riesigen Touchscreen daneben und dem ans Lenkrad gerückten Schalthebel auf ID-Kurs. Allerdings haben die Wolfsburger ihre Lektionen mittlerweile gelernt. Deshalb gibt es nicht nur eine Sprachsteuerung besser denn je und dazu noch die Integration des digitalen Dampfplauderers ChatGPT. Sondern im Lenkrad prangen wieder klassische Knöpfe und wer die Slider unter dem Bildschirm leid ist, kann zumindest die Lautstärke des Infotainments nun auch mit einem Drehrad auf dem gründlich aufgeräumten und entsprechend geräumigen Mitteltunnel verstellen. Ach ja, und ein bisschen mehr Platz gibt es auch. Zwar weniger für die Insassen, aber dafür fürs Gepäck: Obwohl mit 4,54 Metern gerade mal drei Zentimeter länger als früher, wächst das Kofferraumvolumen um 37 auf bestenfalls 652 bis 1.920 Liter. Und wie bisher bietet VW auch eine verschiebbare Rückbank an, mit der jeder seinen ganz eigenen Kompromiss zwischen Laderaum und Beinfreiheit finden kann. 

Dass auch beim Fahren alles anders ist als früher und trotzdem wie immer, das liegt zum einen an der Option auf ein neues DCC-Fahrwerk, dessen adaptive Dämpfer feinfühliger und schneller reagieren und eine größere Spreizung erlauben. Das liegt aber vor allem an den beiden neuen Plug-in-Hybriden, mit denen VW allen Elektroskeptikern eine Brücke in die neue Zeit bauen will – und deshalb vor allem die E-Technik gestärkt hat. Zum 1,5-Liter-Benziner mit 150 oder 177 PS gibt es deshalb eine E-Maschine mit 115 PS und vor allem einen Akku, dessen Kapazität von 10,6 auf 19,7 kWh fast verdoppelt wurde. Damit fährt der Tiguan über 100 Kilometer mit Strom statt Sprit und erscheint den Allermeisten im Alltag zwischen Wohn- und Wirkungsstätte am Ende doch als reines E-Auto. Und damit das nicht zur Geduldsprobe wird, hat VW zudem die Ladeleistung erhöht: An der Wallbox fließen jetzt bis zu 11 statt bislang 3,6 kW und erstmals parkt der Tiguan auch am Schnelllader – selbst wenn dort dann am Ende doch nur 50 kW fließen. Aber bei 23 Minuten für die ersten 80 Prozent ist der Akku eben doch nach einem Einkaufsstopp wieder voll. 

Wer sich nicht einmal für die ersten 100, im besten Fall sogar 120 Kilometer auf die Electric Avenue wagen will, der bekommt den Tiguan nach alter Väter Sitte auch mit klassischen Verbrennern, selbst wenn die beiden 1,5-Liter-Einstiegsbenziner mit 130 und 150 PS mittlerweile milde hybridisiert sind. Daneben gibt es zwei 2,0-Liter-TSI mit 204 oder 265 PS und – wichtig für Vielfahrer und trotzige Traditionalisten – auch zwei TDI mit 150 oder 193 PS und Reichweiten von denen alle anderen Tiguan-Fahrer nur träumen können: Mehr als 1.000 Kilometer sind mit einer Tankfüllung drin und an der Zapfsäule ist der Tiguan danach in fünf Minuten wieder flott. Und während die Handschalter aus dem Programm fliegen und nun überall eine sechsstufige Doppelkupplung eingebaut wird, hält VW in Treue fest am Allrad: Beide 2,0-Liter-TSI und der starke Diesel fahren deshalb als 4Motion vor. 

Außen behutsam weiterentwickelt, innen kräftig umgekrempelt und unter der Haube zumindest in wachsender Teilzeit rein elektrisch – so hat VW den Tiguan in der dritten Generation fit gemacht für den Übergang in die neue Zeit und zur attraktiven Alternative für all jene, die mit dem ID.4  noch nicht alles auf eine Karte setzen wollen. Zumal der rein elektrische Cousin mit einem Grundpreis von 43.890 Euro natürlich auch nochmal eine Nummer teurer ist.

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