Audi R8 Spyder

Da braut sich was zusammen

Die zweite Generation des Audi R8 Spyder gibt der neuen Firma Audi Sport das Debut-Stück. Gelungen!

Text: Thomas Geiger
An Selbstbewusstsein mangelt es Stephan Winkelmann für gewöhnlich nicht. Doch seit er Chef der Audi-Tochter Quattro ist, muss er kleinere Brötchen backen. Durfte er sich als Presidente bei Lamborghini noch als Gewinner fühlen, der die Konkurrenz vor sich hergetrieben hat, fährt er jetzt mit dem sportlichen Audi-Ableger hinterher: Weder bei den Stückzahlen, noch beim Image und erst recht nicht bei der Eigenständigkeit kann seine Firma mit den direkten Konkurrenten BMW M und Mercedes AMG mithalten. Weil Winkelmann das weiß, will er den Audi-Ableger neu aufstellen und beginnt erst mal mit einem neuen Namen: Aus der „quattro GmbH“ wird jetzt „Audi Sport“, selbst wenn „Quattro“ vielleicht das einzige war, womit die GmbH eine gewisse Bekanntheit erlangt hat. Alle anderen Änderungen behält er noch für sich und lässt stattdessen lieber ein neues Auto sprechen – und zwar mit einer ausgesprochen lauten Stimme. Denn als erste Premiere unter neuem Namen rollt jetzt die zweite Generation des R8 Spyder an den Start.
Genau wie das Coupé wird er von einem wunderbar anachronistischen V10-Sauger mit sündigen 5,2 Litern befeuert, den die Entwickler mit doppelter Einspritztechnik, Zylinderabschaltung, Segelfunktion und Start-Stopp-Automatik auf den neuesten Stand der Technik gehoben und nebenbei 12 Prozent sparsamer gemacht haben. Aber viel mehr als die jetzt 11,7 Liter auf 100 Kilometer interessieren bei diesem Auto ein paar andere Zahlen: Die jeweils 540 PS und Nm zum Beispiel, die 3,6 Sekunden für den Sprint von 0 auf 100 und natürlich die 318 km/h Spitze, mit denen der offene R8 bei Drehzahlen weit jenseits der 8000er-Marke seinen Platz im Kreis der Supersportwagen rechtfertigt.

All das macht schon das Coupé zu einem heißen Feger. Doch wer sich für quälend lange 20 Sekunden unter Tempo 50 zwingt und das Dach auf Knopfdruck zwischen Sitzen und Motor unter die Heckklappe faltet, der erlebt diesen Kraftakt noch viel emotionaler und intensiver. Der Motor schreit einem sein heißeres Lied von hohen Drehzahlen direkt und ungefiltert ins Ohr, in der Nase kitzelt das unnachahmliche Parfüm aus Straßenstaub, heißem Öl und verbranntem Gummi, auf der Haut brennt die Sonne und an den Haaren zupft der Wind – so wird aus einer schnöden Fahrt ein Erlebnis für alle Sinne und schon der Weg ins Büro fühlt sich an wie eine Runde auf der Rennstrecke.

Genau wie das Coupé wird er von einem wunderbar anachronistischen V10-Sauger mit sündigen 5,2 Litern befeuert, den die Entwickler mit doppelter Einspritztechnik, Zylinderabschaltung, Segelfunktion und Start-Stopp-Automatik auf den neuesten Stand der Technik gehoben und nebenbei 12 Prozent sparsamer gemacht haben.





So heiß der R8 sein mag, so wenig kommt man mit ihm ins Schwitzen. Vielmehr schneidet er so präzise, sicher und sauber durch die Kurven wie ein Operationsmesser, das von Koryphäe unter den Chirurgen geführt. Feinfühlig und bocksteif, federleicht und mühelos flaniert die Flunder auf der Ideallinie, als wäre sie ein breiter Boulevard und nicht ein schmaler Grat, der zwischen Wohl und Wehe entscheidet. Dabei hilft dem Sportwagen neben dem oft lebendsrettenden und manchmal spaßbremsenden Allradantrieb (der darf wenigstens noch quattro heißen!), der Charakterregelung Drive Select und den drei Performance-Fahrprogrammen für alle Witterungsbedingungen vor allem die Nähe zum Rennwagen, der zeitgleich entwickelt wurde und 50 Prozent Gleichteile hat. Augenscheinlich wird diese Nähe nicht zuletzt am Cockpit, das mit Digitalanzeige, Sportkranz und vier großen Bediensatelliten so konzipiert ist, dass die Augen auf der Straße und die Hände am Lenkrad bleiben können. So bewahrt man mit dem R8 selbst im heißesten Gefecht einen kühlen Kopf. Heiß wird einem nur ums Herz und nicht unter dem Hintern, der weich in bequemen Sesseln mit integrierten Boxen in den Kopfstützen gebettet ist.

Markt aufmischen

Den Markt wird Winkelmann mit dem offenen Zweisitzer alleine nicht drehen können und wahrscheinlich auch nicht mit den sieben anderen neuen Modellen der Audi Sport vom RS5 bis zum Power-Q3, die er für die nächsten 18 Monate angekündigt hat.
Doch zumindest innerhalb der eigenen Firma geht von dem offenen Sportwagen ein wichtiger Impuls aus. Denn während die letzten Neuheiten vom A4 bis zum Q5 absolut makel- und deshalb irgendwie auch reizlos waren, gibt es beim Spyder gleich eine Reizüberflutung: Der Fahrtwind reißt stürmisch am Haupthaar, der hoffnungslos unvernünftige Zehnzylinder lässt die Ohren klingeln und die Audi-Fahrer wachen reihenweise aus dem Tiefschlaf auf. Wo die anderen Premieren im Zeichen der Ringe zuletzt an die Streber in der Schule erinnert haben, die immer die besten Noten hatten und trotzdem alleine zum Abschlussball mussten, will mit dem Spyder endlich wieder jeder tanzen. Vielleicht wird das Auto so zu dem Weckruf, den Audi so dringend braucht.

Ah doch so viel …

Dass der Spyder nicht erst beim Fahren die Lebensgeister weckt, sondern einem mit Preisen von 238.500 Euro aufwärts schon beim Händler kräftig einheizt, ist dabei kein Schaden. Schließlich beginnt die Auslieferung ungünstiger weise erst im kühlen November. Und entsprechend vorgeglüht, kann man das Auto so vom ersten Tag an offen genießen.

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